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markigen Vortragsweise doppelt packenden Blatte. Daß
es bei einem Bildercyclus aus dem Phantasiereiche des
„neuen Zion" mit seiner peuchelei und seinem Fanatismus
nicht an Spottblättern fehlen durfte, erkannte Sattler wohl.
So führt er uns den „Wunderfärber" „das lutherische
pabstthumb", wieder „eine Aarte" ähnlich jener im
„Bauernkrieg" und einen Speisezettel der Wiedertäufer
vor. Zn keinem zweiten Werke hat sich Sattler so be-
deutend über die herkömmliche Illustration erhoben. Die
Wiedertäufer Sattler's können direct als ein Ergänzungs-
band zum geschichtlichen Thatbestande herangezogen werden.
Man merkt es deutlich jedem Blatte an, mit welchem
Ernste sich der Aünstler in die Detailgeschichte vertiefte,
um seinem Stoffe gerecht zu werden.

Das gleiche Lob bezüglich der Vertiefung in das
Lulturleben einer Zeit, das eine große Geschichte zun:
pintergrunde hat, gebührt Sattler's Illustrationen zu Boos'
„Geschichte des rheinischen Städtebundes". Meine eingehende
Besprechung des Werkes in der „Aunstgewerblichen Rund-
schau" s897, Nr. 2 dieser Zeitschrift überhebt mich weiterer
Erläuterungen. Es fei nur kurz bemerkt, daß entsprechend
der Geschichte Sattler hier mehr friedliche Saiten ange-
schlagen hat. Das Leben einer Stadt, der Pandel und
Wandel der Bürger, Bischof Burchard's kirchliches und
weltliches Regiment, die Städte unter den weltlichen
Fürsten, das führen uns die Bilder vor. Jene dämonische
Tragik, wie sie in den Wiedertäufern herrscht, suchen wir
vergebens. Sattler weiß uns auch der Geschichte friedliches
Bild mit ebenso gewandtem Griffel zu schildern.

Noch einige Blätter in den Elsässer Bilderbogen
zeigen uns den Ehronisten Sattler; sie sind der Zeit des
Bauernaufstandes entnommen; eines stellt die Schlacht bei
Scherweiler, ein zweites die Plünderung der Abtei Altdorf
im Jahre {525 dar; an dein letzteren Blatt erfreut na-
mentlich ein hl. Ehristophorus in trefflicher Alterthümelei.
Auch als einfacher Erzähler weiß Sattler seinen Stoffen
die verschiedensten Reize abzugewinnen, mag er uns irgend
eine „wahre Begebenheit", etwa die mysteriöse Geschichte
von den „Drei Aehren", ein ganz an Dürer gemahnendes
Blatt, oder die Erzählung von „Jakob von Lichtenberg
und das schöne Bärbel von Ottenheim" oder die humor-
volle „falsche Prophecie von j586" vorführen. Bein:
Anblick dieser reizvollen Blätter hegt n:an unwillkürlich
den Wunsch, Sattler inöge seinen Vorsatz, Gottfried Aeller's
köstliche „Sieben Legenden" einmal zu illustriren, bald er-
füllen. Es liegt ein tiefer, volkstümlicher Zug in Sattlers
Aunst, der aus allen Arbeiten spricht, und wo diese Ten-
denz erwünscht erscheint, wie etwa bei den Flugblättern
aus dem Verlage von Breitkops & pärtel, da weiß unser
Aünstler wie kaun: ein zweiter den richtigen Ton zu treffen.
Wie groß blickt uns sein „Bismarck" (Blatt jp an, wie
herrlich ist das markige Reformationslied: „Ein' feste
Burg ist unser Gott" in das Bild übersetzt (siehe Taf. (8
und s9) oder das alte Neujahrslied: „Des Jahres letzte
Stunde"! Diese Blätter zählen zu den besten der ganzen
Sammlung.

Daß ein n:it einem Phantasienreichthum begabter Geist,
wie er Sattler eignet, sich dem alten und namentlich in
der deutschen Aunst so vielfach behandelten Thema eines
Todtentanzes zuwenden mußte, nimn:t uns gewiß nicht

Wunder. Wie anders aber als Polbein, wie anders als
Rethel und Alinger, wie anders als die in Sattler's engerem
Vaterlande Bayern, in Todtenkapellen oft vorkonrmenden
Tyklen erzählt uns Sattler vom Tode, von der Vernichtung
alles Irdischen, von: ewigen Vergehen! Er schildert uns
nicht im Sinne polbein's, wie „der Tod den wilden Tanz
durch alle Stände führt", nicht wie Rethel, der uns na-
mentlich des Todes Regiment in: Wüthen einer Revolution
zeigt; vielmehr lehnt sich — doch ohne abzuschreiben —
Sattler an Alinger an, oder besser gesagt: der in diesem
Sinne Alinger congeniale Sattler n:ußte zu ähnlichen
Schöpfungen gelangen. Wie packend, wie ergreifend
schildert uns unser Meister das ewig vernichtende Treiben

J7. Gleichheit, plus Sattler's Todentanz.)

des Dämons Tod, der bald als dürres Skelett mit per-
gamenten, Siegeln und Schlüsseln behängen auf Stelzen
über herrliche alte pandschriften in große,: Schritten eilt,
um als Spuren Wurinstiche zu hinterlaffen, oder der mit
knöchernen Armen über die Menschheit hinmäht, um den
nach Gleichheit Strebenden Gleichheit zu bringen, als der
unparteiischste Politiker, vor dem alle gleich sind (Abb. 96
u. 9?); wie er bald ein baufälliges paus zum Wanken und
Stürzen bringt, oder wie er in: Sturinwind heranbraust, un:
das Feuer eines Dorfbrandes zu neuer Wuth zu entfachen.
An Max Alinger's verwandte Radirungen erinnert auch
das düstere Blatt der Eisenbahnbrücke, die das Wasser
überspannt als morsches Todtenskelett, dessen dürre Rippen
die über die Brücke sich spannenden Gitter vorspiegelt,
un: den heranbrausenden Zug in sicheres Verderben zu
stürzen. Aus einem anderen Blatte schildert uns Sattler
durch drei Todtenschädel die drei schlimmsten Würfel, die
 
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