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Volk zusammen, welches hier dauernden Wohnsitz nahm.
Es war um das Jahr \2<\7, als der Herzog Otto dieser
Gemeinde das „Stadtrecht" verlieh, als Lüneburg dann
l28si der sich entwickelnden „Hansa" beitrat, war es bald
auf der Höhe seiner Macht angelangt. Aber mit der
erlahmenden Macht dieses Städtebundes ging's auch hier
immer mehr bergab. Andere unglückliche Zufälligkeiten
trugen ebenfalls dazu bei, die Thatkraft der Bürger er
matten zu lassen, mit der zunehmenden Versandung der
I Ilmenau hörte die
Schifffahrt so ziem-
lich auf, bis schließ-
lich der Eisenbahn-
verkehr diesen Zweig
des Broterwerbes
völlig brach legte;
trotzdem ist Lüne-
burg noch immer
eine der interessan-
testen Städte Nord-
deutschlands und
wenn auch dasfrisch-
pulsirende Leben er-
loschen, so ist doch
eins geblieben: die
stummen Zeugen
einstiger Pracht und
Herrlichkeit. Durch-
wandert man die
stillen Straßen, wel-
che Fülle leidlich gut
erhaltener Backstein-
bauten, welch' statt-
liche Kirchen, wie
der Don:, Samt
Johann ic.

Wenn man jetzt,
vom Bahnhof kom-
mend, die J Ilmenau
überschreitet und das
stellenweise kaum
Fuß tiefe Flüß-
chen betrachtet, so
ist's fast undenkbar,
daß hier vor circa
5—600 Jahren See-
schiffe ankerten; die
zum Theil noch vor-
handenen Speicher liegen unbenutzt, kein fröhliches Stimmen-
gewirrs, kein Knarren und Aechzen der Winden ■— doch
genug! Was uns erfreut, ist ein Besuch des Rathhauses;
der urfpünglich gothische Bau von s33 m Länge und 36 m
Breite hat manche Wandlungen erfahren; jedes spätere
Jahrhundert hat etwas dazu gethan oder davon genommen,
und so ist ein einheitliches Ganzes nicht auf uns gekommen,
weder was die äußere Form betrifft, noch wo es sich um
die innere Ausstattung ic. handelt. Jm Detail jedoch
finden wir eine Masse des fehenswerthen. „Ein hoher
Rath" war einsichtig genug, daß nicht alles verschleppt
wurde; leider verhinderte derselbe nicht, daß das Bedeu-


Oorxlatz im Lüneburger Rathhaus; gezeichnet von kj. lfaase, Hamburg.

tendste, der mit Recht berühmte „Silberschatz" veräußert
wurde; derselbe besteht aus zum Theil in vergoldetem
Silber hergestellteü Tafelgeräth, Pocalen, Tortenschüsseln,
Forken rc. und zwar nicht etwa naiv gearbeitete, sondern
technisch und künstlerisch vollendete Arbeiten, die jeden Ver-
gleich mit unseren besten, derzeitigen Erzeugnissen aus
halten. Anfang der 70 er Jahre war es der Verwaltung
des „Deutschen Gewerbemuseums" in Berlin gelungen,
diesen Schatz um den Spottpreis von s 20 000 Thalern

an sich zu bringen,
nur ein einzig echtes,
durch Urkunde gegen
Verkauf gesichertes
Stück, allerdings
leider ein verhält-
nißmäßig unbedeu-
tender Gegenstand
sein durch einen
Bacchantenzug ge-
schmückter Krug) ist
noch an Ort und
Stelle, zunr Theil
auch das übrige,
aber nur — in vor-
züglich gelungenen,
galvanoplastischen
Nachbildungen.

Das älteste Stück,
im gothischen Styl,
wurde \\72 dem
Magistrat der Stadt
von dein Herzog
FriedrichvonBraun-
schweig - Lüneburg,
verehrt. Diese Ge-
räthe sind zum Theil
im gothischen, zum
Theil im Renais-
sancestil ausgeführt.

Doch, melden wir
uns beim Hausvogt,
einem sehr liebens-
würdigen Herrn, um
unterdeffenFührung
das Innere des
Hauses besichtigen
zu können. Dem
Wunsche wird stets

in zuvorkommendster Weise entsprochen, auch wird dem
Besucher mehr als genügend Zeit gelassen, alles mit Muße
betrachten zu können, es ist dieser Punkt nicht zu unter-
schätzen, zumal wenn man kurz zuvor das „Lübecker Rath-
haus" besucht, wo man gegen ein „Entree" förmlich
durch die „Sehenswürdigkeiten" getrieben wird.

Nachdem wir einen kleinen, von hohen Mauern ein-
geschloffenen, malerischen Obst- und Blumengarten passirt,
treten wir durch die ehemalige Rathsküche — jetzt „a. D." —
vorerst in's Vestibül (siehe Abb. pp; gleich links intereffirt
uns ein sehr schönes schmiedeisernes Gitter vorn Meister
Hans Ruce, s570 gearbeitet (siehe Taf. 22); von hier

Coksez
 
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