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Zeiten, die der Form eine größere Beachtung zuerkennen
werden als unser heutiges vorwiegend nach malerischer
Erscheinung begehrendes Geschlecht, immer wieder lernend
zurückgreifen müssen.

Die Thierfiguren innerhalb der so kunstvoll compo-
nirten Theilflächen sind nur zum geringen Theil symme-
trisch verdoppelt oder als symmetrische Einzelfiguren stilisirt.
In den meisten Lompartimenten erscheinen sie zu zweien

U<. GeschnitztesFüllungen aus Tairo.

und dreien in Friesform hintereinander gestellt. Der hinter
grund, auf dem sie sich bewegen, ist mit schwungvoll be-
wegtem Rankenwerk ausgefüllt. Ueberall herrscht die ge-
krümmte, geschwungene Linie: nicht bloß in den kreis-
förmigen Einrollungen der Ranken, sondern auch in den
Tontouren der Thiere. Darin liegt gewiß ein Stilismus,
dem gegenüber die römischen Vorbilder in freier Natür-
lichkeit gebildet erscheinen; dazu kommen ornamentale Zu-
thaten in der Detailbehandlung, z. B. die Halbpalmetten,
mit denen die Schenkel der Vierfüßler verziert sind. Aber
man betrachte die pirsche im eilenden Laufe, das Los-
brechen der Löwen, und ganz besonders die drei trippelnden

Pfauen hintereinander, von denen der erste den langen
hals im Vorwärtsschreiten senkt: da wird man staunend
gewahr, daß diesen scheinbar völlig stilisirten Thierfiguren
die vortrefflichste Naturbeobachtung zu Grunde liegt. Auch
diese sarazenischen Meister haben ein offenes Auge für
die kleinsten Erscheinungen in der Natur gehabt, aber sie
haben daraus bloß dasjenige zur bildlichen Wiedergabe
gebracht, was der gegebene Zweck (vor Allein die gegebene
Grundform der Tompartimente) verlangte, und was zu-
gleich eine schön geschwungene, wohllautende Linie ergab.

Auf die Frage nach der historischen Abstammung der
in unserer Füllung enthaltenen Thier- und Pflanzenmotive
näher einzugehen, ist wohl keine Veranlassung. Das
Pflanzenornament zeigt im Allgemeinen alle Eigenthüm-
lichkeiten der vollendeten Arabeske, aber die Detailbehand-
lung ist noch eine völlig vegetabilische; an dem genetischen
Zusammenhang dieses arabesken Pflanzenornaments mit
der Palmettenrankenornamentik der Antike wird wohl heute
kaum nrehr Jemand zweifeln. Einige Verbindungsglieder
bietet unsere Abbildung ss7. Sie zeigt uns einige Fül-
lungen in Holzschnitzerei aus einer koptischen Kirche in
Kairo; die Photographie, nach welcher die Abbildung ge-
macht ist, verdanke ich der Güte des Herrn Wladimir
von Volk, Tonservator der kaiserl. Eremitage in St. Peters-
burg. Ihr Alter ist zwar nicht genau zu bestimmen, und
dürste auch kaum über die Stuckverzierungen der Moschee
Jbn Tulun in Kairo (IX. Jahrhundert) hinaufreichen;
aber die zahlreichen Analogien mit der Decoration der
gobelinverzierten koptischen Gewänder lehren uns zur Ge-
nüge, daß uns in diesen Füllungen (und in anderen, von
denen ich keine Abbildungen zu geben vermag) Spätlinge
der byzantinisch-koptischen Kunst des früheren Mittelalters
erhalten find. Die künstlerische Grundtendenz, die den kop-
tischen Schnitzer dieser Thierfiguren erfüllt hatte, ist genau
die gleiche wie sie sich in der sarazenischen Thürfüllung
aus Palermo verrätst. Aber die Zusammenstellung der
Theilsüllungen zu einem Ganzen am koptischen Beispiel
erscheint nüchtern und langweilig gegenüber den sarazeni-
schen. Freilich vermag ich nicht zu sagen, ob die gegen-
wärtige Zusammenstellung der koptischen Füllungen die
ursprüngliche ist; daß sie aber selbst in dem Falle, als die
trennenden Balken dazwischen erneuert sein sollten, ursprüng-
lich keine wesentlich verschiedene gewesen sein kann, beweist
allein schon die geradwinklige Grundform sämmtlicher
Tompartimente. Die Vergleichung unserer beiden Abbil-
dungen läßt daher unmittelbarer und eindringlicher als es
eine kunsthistorische Abhandlung vermöchte, den Unterschied
und Fortschritt der sarazenischen Kunst gegenüber der
römisch-byzantinisch-koptischen erkennen, trotz der engsten
Verwandtschaft, ja Identität in Technik und Detail-
behandlung.

Unsere kunstgewerblichen MusterblsVer.

Taf. 25. Einband einer Ehrenurkunde. Entworfen
und ausgeführt von F. ,y. Weinzierl, München; Beschläge modellirt
von Bildhauer petz old. (Ungefähr üs der wirkl. Größe.)

Taf. 2-t. A l e i d e r s ch r a n k. Entwurf und Zeichnung von
August Schmidt, Bamberg.

hierzu „Kunstgewerbliche Rundschau" Ar. 6.

Taf. 2\. Festsaal im Rath Haus zu Lüneburg.

Länge des Saales 55 m, Breite ;; m, Höhe fast 5 m.

Taf. 22. Gitterthüre aus dem Rathhaus zn Lüne-
burg. Arbeit des Meisters Hans Ruce, vom Jahre (570. — Ge-
zeichnet von Ejerm. Haafe, Hamburg.


verantw. Red.: Prof. £. Gmelin. — Herausgegeben vom Bayer. Runstgewerbe-vereiu. — Druck und Verlag von R. Gldenbourg, München.
 
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