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(wesentlich für den sogenannten Massenartikel) sich ge-
wachsen zeigte, liegt hauptsächlich darin begründet, daß
die höchsten Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der
Luxusindustrie in Deutschland überhaupt nicht oder nur
einmal im Ausnahmefall gestellt werden. Das Publikum
hat noch nicht die Gewohnheit, seiner wachsenden Wohl-
habenheit anders als im
Wohlleben oder im kost-
spieligen und zwecklosen Ein-
richtungsluxus Ausdruck zu
geben, und der Staat be-
trachtet es in Deutschland
noch nicht wieder als seine
politische Pflicht, die Pro-
ductionsfähigkeit der In-
dustrie anders als durch den
Unterricht zu heben. Selbst
in Fällen, die einen reprä-
sentirenden Aufwand fordern,
pflegt man sich aus traditio-
neller Sparsamkeit mit dem-
jenigen Maaß an Aunst zu
begnügen, welches sich auf
dem Wege des Submissions-
verfahrens erreichen läßt."

„Welche Resultate die rationelle pflege der Aunst und
des Aunstgewerbes seitens des Staates, das heißt, die
Hebung der Production nicht durch Schulen allein, sondern
durch Aufträge, bei denen die höchste Leistung gefordert
wird, schließlich ergibt, liegt vor Aller Augen klar in der
Entwickelung Frankreichs, dem seit 200 Jahren noch
keine Anstrengung seiner Nachbarvölker den ersten Platz
streitig machen konnte. Im s6. Jahrhundert mußten die
französischen Aönige ihre Prachtrüstungen in Deutschland
anfertigen lassen, noch um das Ende des (7. Jahrhunderts
beherrschte die Augsburger
Silberschmiedekunst den gan-
zen Markt in Nordeuropa.

Aber seit dem Ende des
(7. Jahrhunderts erhebt sich
die Normacht Frankreichs,
dessen Industrie durch die
weise Politik Eolbert's an
großenAufträgen zur höchsten
Leistungsfähigkeit entwickelt
war. Dieser geniale Wirth-
schaftspolitiker erkannte in
der umsichtigen Ausbeutung
der Anschaffungen für den
königlichen Haushalt das
sichere Mittel, der französi-
schen Production zunächst
Selbständigkeit und als un-
mittelbare Eonsequenz die
Norherrschaft zu gewinnen. Die wirthschaftlichen Grund-
lagen, welche Eolbert geschaffen, haben sich als die
einzigen unerschütterlichen Einrichtungen des französischen
Staates gezeigt; die Staatsfabriken zu Sevres, der Go-
belins u. f. w. haben unter allen Wechfelfällen und
von den Vertretern der verschiedenartigsten Regierungen

die sorgsamste pflege erfahren und selbst zur Zeit der
heftigsten politischen Fehden blieben die Staatsaufträge
für die höhere Aunst nicht aus. Es gehört in Frankreich
feit 200 Jahren die Einsicht, daß der Staat durch Be-
stellungen, welche den Einsatz der höchsten technischen und
künstlerischen Araft erfordern, eingreifen muß, zu den un-
umstößlichen ökonomischen
Grundsätzen aller Parteien.
Das Geheimniß der wunder-
baren Tragweite der Staats-
aufträge liegt in der Ein-
wirkung nicht nur auf den
Producenten, sondern auch
auf den Eonsumenten."

Gleiche Erwägungen
leiteten die „Münchener
Aünstlergenossenschaft" und
den„NereinbildenderAünstler
Münchens (Secession)", als
sie in den ersten Monaten
des Jahres an die

bayerische Aammer der Ab-
geordneten Petitionen rich-
teten, „um Bewilligung einer
entsprechenden Summe für
die künstlerische Durchführung des neuen Iustizgebäudes
in München"; aus der Aammer selbst wurde daraufhin
ein Antrag auf Bewilligung von s50000 Mk. eingebracht,
aber leider ohne Erfolg. Sollte diese beantragte Summe
auch fast ausschließlich dem bildhauerischen und maleri-
schen Schmuck zu gute kommen, so wirkte die Ablehnung
doch in Wahrheit mehr auf die Aleinkunst; denn da der
bildhauerische Schmuck durchaus unentbehrlich war, wenn
der Bau nicht ein Torso bleiben sollte, so mußte er aus
den bis dahin gemachten Ersparungen bestritten werden,

welche sonst der inneren Aus-
stattung zugedacht waren.
Daß letztere trotz alledein
dem Architekten reichliche
Gelegenheit gegeben, von
seinem künstlerischen Denken
und Empfinden im Bereich
der schmückenden Aünste
Aeugniß abzulegen, verdankt
man nur der weisen Ver-
theilung der verfügbaren
Mittel. Mancher mag da
und dort etwas mehr oder
weniger Schmuck, im Ein-
zelnen auch dies und jenes
anders wünschen, — im
Ganzen kann aber nicht be-
stritten werden, daß mit den
verfügbaren Geldmitteln das
Mögliche geleistet worden. Am empfindlichsten macht sich
die Aargheit der Mittel bei der malerischen und bei der
beweglichen Ausstattung (den Möbeln) geltend; der Malerei
konnten nur Wände und Decke des Festsaales, die Wände
des Schwurgerichtssaales und die Decken von weiteren drei
Räumen sowie des Gsttreppenhauses zugewiesen werden.

137. Motiv in den ffensterverdachungen der L>stfa?ade.

(Ungefähr 1/25 der wirk!. Größe.)
 
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