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Amoretten tragend, haltend und bekrönend um die mächtige
Schnecke — lauter Formen und Gestalten, die unserer
Zeit die nützlichste Anregung bieten, ja direct von ihr
verwendet werden können. Unsere Aunst zieht vor Allem
die fischschwänzige Najade oder Nixe vor, was auch in
der Thal eine der glücklichsten Gestalten ist, die wir aus
der reichen hellenischen Formenwelt in unsere herüber-
genonnnen haben. Sie ist die vollendete Verkörperung
des graziösen, schmeichelnden Spiels der Wellen. Für
den brausenden Wellenschlag unserer nordischen Meere
wäre wohl noch angemessener die Auffassung, die der
Bildhauer Diez an dem neuen Monumentalbrunnen in
Dresden zeigt, der die Welle als eine mächtige Männer-
gestalt mit wallendem Seetangbart und triefendem bsaupte
darstellt, eine riesige Muschel schwingend; nicht so schmeich-
lerisch, aber packender als die vorerwähnte allegorische
Figur.

Der Unterbau ist, um eine harte, schwere Wirkung
zu vermeiden, rund und wenig ausladend zu gestalten.
Gr wäre nun mit Emblemen des Wassers auszuschmücken;
Auf den Wassersport bezügliche Darstellungen vertragen
sich schlecht mit scharfen, architektonischen Formen. Die
neue, speciell die französische Art der Gefäßbildnerei in
einfachen, weich prosilirten Umrissen, erscheint daher hierfür
besonders geeignet. Eine solche „Preisvase" für 50000 Fr.,
für einen Iachtclub bestimmt, hatte Tiffany in Chicago
ausgestellt, all deren Bauche sich Najaden und Tritonen,
inmitten von Wasserpflanzen und Algen tummeln. Gin
anderes, amerikanisches Silbergefäß dieser Art zeigt eben-
falls die Decoration mit Wasserpflanzen und auf der
Schulter der Vase lässig hingeschmiegt eine Najade mit
erhobenen Armen sich am Henkel festhaltend. Attribute
des Wassersports sind vor allem die mannigfaltigen Ge-
schöpfe der Tiefe und die Wasserpflanzen — eine unend-
liche Welt voll der wundersamsten Gestalten. Da ist der
Pippokamp, das Fischpferd mit Flossenfüßen und dein
Pinterkörper des Fisches, die Verkörperung der springenden,
sich bäumenden, eilenden Wogen, der Delphin, der übrigens
von der decorativen Uunst aller Zeiten so umfänglich an-
gewandt wurde, daß man ihn kaum mehr als fpecielles
Symbol für das Wasser in Anspruch nehmen darf; die
moderne Aunst verwendet Wasserthiere sonst vorzugsweise
gern zu Friesen, in denen ihre glatten Leiber in rhythmischer
Anordnung durch Wassergewächse, Rohrkolben u. s. w.
schlüpfen. Arebse, Arabben und Garneelen finden sich
schon an Nautilusgefäßen des \5. und f6. Jahrhunderts
in geschickter Weise, z. B. als Zierspangen verwendet.
Zierlich und graziös ist auch das Seepferdchen, mit seinen
trockenen Formen und dem bizarren Aopf, wohl auch mit
angesetztem Flügelpaar ausgestattet. Wie prächtig die
Muscheln zur Decoration sich eignen können, zeigt die
Nautilusmuschel, der zu Liebe eine eigene Gattung von
Phantasiegefäßen geschaffen wurden und deren Form auch
in Metall nachgeahmt wird. Gin charakteristischer Meeres-
schmuck sind die Aorallen; Farbe, Form und Größe lassen

J) Auf Pokalen und Aufsätzen der Renaissance findet man häufig
die Gestalt der „Fortuna" als Bekrönung: Lin jugendliches, weibliches
Figiirchen. auf einer Kugel stehend und mit beiden Armen ein Segel
dem Winde bietend. Gäbe das nicht einen reizenden Vorwurf für
einen Segelsportpreis?

sie geeignet erscheinen, auch in natura verwendet, sich in
Goldschiniedearbeiten harmonisch einzufügen. Von den
Wasserpflanzen feien besonders die Seetangarten genannt,
die uns dankbare Formen in reizvollster Mannigfaltigkeit
liefern. Bekannter und anheimelnder wirken die Reprä-
sentanten des Süßwaffers: Der Schilf mit den dunkeln
Rohrkolben und den langen, starren Blättern und die
bleiche Seerose. Als Embleme verwendet der Segel- und
Rudersport seine Geräthe und Theile des Schiffes. Zu
künstlerischen Trophäen zusammengestellt wirken sie — wie
die bloßen Geräthtrophäen überhaupt — nüchtern und
poesielos; jedoch können wir ihrer zu heraldischen Dar-
stellungen und zu Sportschmucksachen nicht entbehren.
Als Wappenbilder sind geeignet der Anker, die Windrose,
das Steuerrad, gekreuzte Ruder, auch das ganze Schiff,
wie das Wappen von Paris es zeigt. Für die Innen-
dekoration bietet die Fischerei das Netz, das, geschickt ver-
wendet, bei Draperien in Iagdzimmern z. B. eine gute
Wirkung macht. Als allgemeines Wahrzeichen der Fischerei
wird am besten der Dreizack gewählt. Gin sehr wirkungs-
voller und eigenartiger Schmuck für Bootshäuser oder
sonstigen, dem Wassersport gewidmeten Gebäuden ist die
Bekrönung des Daches oder eines Thurmes mit einem
Mast; Strickleitern, ein Mastkorb, seitliche paltetaue und
mehrere Wimpel werden dem Ganzen ein malerisches und
fröhliches Aeußere verleihen.

Es ist für das ganze, im Vorliegenden behandelte
Gebiet nur zu wünschen, daß unsere Aunst sich nicht aus
die ererbten Motive beschränke, sondern sich unerschrocken
neue hole aus fernen Ländern und Zeiten, aus Sage und
Mythologie, aus Gegenwart und Vergangenheit. Vor

;??. Innere Einrichtung des „Schwabenkessels"; vgl. folgende Seite.
Text zu Tafel 33 und 3-z.
 
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