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Blum, Gerd
Hans von Marées: autobiographische Malerei zwischen Mythos und Moderne — München, Berlin, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.14541#0095

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III.1. Der biographische Hintergrund

III. 1.2. Die Auseinandersetzungen um Irene Koppel
Wie aus ihren unpublizierten, im Alter verfassten Erinnerungen hervorgeht, war
sich Irene Koppel im Frühjahr 1873 darüber klar geworden, dass sie
»die Atmosphäre von Franz [ihrem Mann, G.B.] nicht länger ertragen
konnte. [...] Ich fühlte, dass ich bei der Versatilität meiner Natur eines
starken Kaltes im Leben in mir bedurfte. Dieser Halt konnte nur eine gros-
se Liebe sein, da mein ganz Wesen und Sinnen auf Liebe und Hingabe ein-
gestellt war. Eine solche Liebe konnte mir nur ein Mann einflößen, der mir
durch sein Wesen als Naturbild zugleich tiefste Verehrung abgewann. Die
Freundschaft mit Conrad Fiedler war durch seine Liebes- und Ehepläne in
ein fremderes Stadium gerückt, ich fühlte mich ganz auf mich selbst und
meine eigene Kraft angewiesen. Ein dunkler Drang, eine höhere Leitung,
trieb mich halb unbewußt, zunächst eine Trennung von Franz herbeizu-
führen, durch die ich mich innerlich finden konnte und Beschlüsse reifen
würden, von denen ich nur eine ferne Ahnung hatte«.8 9 10
Nach längeren Aufenthalten am Vierwaldstätter See und bei Genf reiste sie im
November 1873 nach Italien:
»Der innere Grund von dieser Reise war aber, meinen Mann auf eine all-
mähliche Trennung vorzubereiten. Es war in mir zur völligen klaren Über-
zeugung gekommen, dass ich nicht weiter mit Franz Koppel durchs Leben
gehen wollte.«11 12
Irene Koppel hatte von Fiedler und Marees schon viel über Hildebrand gehört.
Auch während ihres Aufenthaltes am Vierwaldstätter See war ihr von dem jungen
Bildhauer berichtet worden. Sie machte dort die Bekanntschaft von Gisela Grimm,
der Frau von Herman Grimm:
»Was sie mir hauptsächlich näher brachte, war ihre grenzenlose Schwär-
merei für den jungen Adolf Hildebrand, dessen Schlafenden Hirtenknaben
sie in Wien gesehen hatte. Als sie erfuhr, dass ich mit Marees und Fiedler,
den engsten Freunden und Förderern von Hildebrand, befreundet sei, mag
das wohl einen Wunsch in ihr bestärkt haben, mich näher kennenzuler-
12
nen.«
8 An Fiedler, Florenz, 2. Dezember 1873: Meier-Graefe 1909 — 1910, Bd. III, S. 87.
9 Beide Zitate aus BS, Annalen, S. 14.
10 IK, Erinnerungen (»Irenes Lebensgeschichte, Frühjahr 1873«, Blatt 1). Uber die Entwicklung
der Beziehung zu Fiedler heißt es dort weiter (ebd.. Blatt 2): »Meine Freundschaft zu Fiedler
war entschieden etwas gelockert. Seine Liebe zur jungen Tauchnitz entfremdete ihn mir ent-
schieden. und da er diese Liebe hegen und pflegen wollte, glücklich, daß es ihm gelungen war,
sich zu verlieben, so war es nur natürlich, daß er mir mehr oder weniger aus dem Wege ging.
Die Freundschaft zu diesem seltenen und ausgezeichneten Mann war mir zu einem Lebens-
inhalt geworden, der mir über die Abgründe in meinem Verhältnis zu Koppel mehr oder we-
niger hinüberhalf. Nun war diese Welt fast versunken«.
11 IK, Erinnerungen (»Im November [1873] reiste ich...«, Blatt 1).
12 IK, Erinnerungen (»Irenes Lebensgeschichte, Frühjahr 1873«, Blatt 1).

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