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Blum, Gerd
Hans von Marées: autobiographische Malerei zwischen Mythos und Moderne — München, Berlin, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.14541#0140

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IV. Zur Genese der >HesperidenbiIder< (1875-1880)

IV.3. Thematische Kontinuitäten
Die meisten der >Hesperidenbilder< reflektieren weiterhin Marees’ Zerwürfnis mit
Irene Koppel und Hildebrand und insbesondere die Trennung von diesem engsten
Freund — zunächst ausdrücklich und schließlich in sehr sublimierter, womöglich
unbewusster Weise. Alle diese Gemälde gehen aus Serien von Vorzeichnungen her-
vor, die sich mit diesem Ereignis beschäftigen. Diese zeichnerischen Entwürfe, die
leider nur sehr bruchstückhaft erhalten sind, entstanden teils noch während des
Konfliktes. Die Vorzeichnungen der späteren Gemälde greifen auf die schon ana-
lysierten, explizit autobiographischen Blätter um 1875 zurück: Aus ihnen hat
Marees, wie gezeigt werden soll, das Figurenrepertoire und die Figurenkonstel-
lationen beinahe aller seiner >Hesperidenbilder< entwickelt.
Die Tatsache, dass die Motive der Zeichnungen und Gemälde, die zwischen dem
beginnenden Konflikt um Irene Koppel am Anfang des Jahres 1874 und dem Tod
des Künstlers 1887 entstehen, wie Metamorphosen auseinander hervorgehen, ist
nicht vor allem durch formale Klärungsprozesse bedingt,24 auf deren Bedeutung
noch einzugehen sein wird, sondern durch thematische Kontinuitäten.
Nach seinem Weggang aus Florenz im Herbst 1875 entwickelt Marees aber auch
neue autobiographische Themen und Motive, die sich mit seiner gewandelten Le-
benssituation und seiner neuen Rolle als Lehrer eines Schülerkreises auseinander
setzen, so den Figurentypus eines sitzenden Greises.25 26 27 28 29 30 In den späteren >Hespe-
ridengemäldem, besonders dem Goldenen Zeitalter I und II und dem Hesperiden-
triptychon, verbindet Marees die Bewältigung und Überhöhung der Trennung von
Hildebrand und Irene Koppel mit der bildnerischen Stilisierung seines Lebens im
> römischen ExiL.
24 Wie schon Meier-Graefe betont Domm 1989, S. 20, motivische Kontinuitäten und Abhängigkei-
ten innerhalb der Serie der >Hesperidenbilder<: »Aus den >Idyllen<-Zeichnungen entwickelte er
jetzt [1878, G.B.] das >Orangenbild<, das wie im Vorhergehenden auch »Lebensaltern betitelt
wurde; die Männerstudien gehen ein in das Bild der »Drei Jünglinge unter Orangenbäumen»,
das allerdings erst in den 80er Jahren abgeschlossen wurde. Aus der Konzeption des »Orangen-
bildes< entstand in der Folgezeit Marees’ Triptychon der »Hesperiden», aus einem der Flügel-
bilder erwuchs das »Goldene Zeitalters von dem zwei Fassungen erhalten sind. Marees sah
jetzt in jedem Bild eine Variation oder Weiterentwicklung des Vorhergehenden«.
25 Auch hier greift Marees auf Motive der Zeichnungen aus der Zeit des Bruches mit Hildebrand
zurück, deutet sie allerdings um (siehe in der vorliegenden Arbeit. I V.4.2.1.).
26 An Fiedler, 3. Juli 1880; Meier-Graefe 1909-1910, Bd. 111, S. 213.
27 An Fiedler, 2. Juli 1876: Meier-Graefe 1909 — 1910, Bd. 111, S. 141.
28 Siehe in der vorliegenden Arbeit III. 1.1.
29 Ausnahmen sind namentlich der schon angeführte Brief an Fiedler vom 3. Juli 1880 (Meier-
Graefe 1909-1910; Bd. III, S. 213) und ein Brief an den Freund vom 8. Sept. 1875 (Meier-
Graefe 1909-1910; Bd. III, S. 122): »Lieber Fiedler, bedenken Sie, daß Sie mein letzter
Freund sind; wenn ich glauben sollte, daß auch unserer Freundschaft ein solches Ende bevor-
stehen sollte? Tiefgebeugt wie ich bin, nehmen Sie mir diese Zeilen nicht übel.«
30 Hildebrand an Kleinenberg, 20.5.1875 (unveröffentlicht, zit. n. BS, Vorarbeiten, 1875-1890):
»Ich habe im Stillen vor, einen Gipsabguß der Bronze [des Schlafenden Hirtenknaben, G.B.J
zu schicken, als Gelegenheit ihm sagen zu können, daß ich stets in alter Weise künstlerischer-

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