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Blum, Gerd
Hans von Marées: autobiographische Malerei zwischen Mythos und Moderne — München, Berlin, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.14541#0141

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IV.3. Thematische Kontinuitäten

IV.3.1. Zum biographischen Hintergrund:
Die weitere Entwicklung der Beziehung zu Hildebrand und Irene Koppel
Am 30. September 1875 verließ Marees »als Mensch tief gekränkt, als Künstler
schwer beleidigt«26 Florenz. Das Ende der Lebens- und Arbeitsgemeinschaft mit
Hildebrand und der Auszug aus San Francesco waren für Marees einschneidende,
traumatische Erlebnisse — eine Zäsur, die seine künftige Lebensführung und seine
seelische Verfassung in den folgenden römischen Jahren entscheidend bestimmen
sollte. Das Verlassen von San Francesco, von dem er später als einem »verlorenen
Paradies«2' sprach, bedeutete für Marees das Scheitern eines utopischen Lebens-
entwurfes, der ihm, Hildebrand und Fiedler künstlerische und kunsttheoretische
Arbeit in einer Gemeinschaft von Männern ermöglichen sollte.28
Während Marees in den Briefen seine Erschütterung über die Ereignisse nur
selten nach außen dringen lässt,29 zeigen die Zeichnungen und Gemälde der folgen-
den Jahre, in denen er sich geradezu obsessiv mit dem Zerwürfnis mit seinem
Freund und Schüler beschäftigt, dass seine Beziehung zu Hildebrand — entgegen
seinen überlieferten Bekundungen — keineswegs »eine rein sachliche«30 gewesen ist.
Die Entwürfe zu den >Hesperidenbildern< thematisieren Schmerz, Gekränktheit,
Resignation und Trauer über die Trennung von dem jüngeren Freund ebenso wie
den Wunsch einer erneuten Verbindung. Hildebrands Arger und seine Erbitterung
über Marees — Gefühle, die aus seinen teils unveröffentlichten Briefen an Fiedler
deutlich hervorgehen — legten sich nur langsam.31 Um 1882 beschäftigte Hilde-
brand sich dann, auch auf Zureden Fiedlers, mit dem Gedanken einer Versöh-
nung.32 Er brach den Kontakt zu Marees jedoch wieder ab, nachdem es zu zwei
kurzen Begegnungen in den Jahren 1884/85 gekommen war.33 Mit ihnen hatte
seits seiner gedenke, wenn uns auch die Lebenswege auseinander getrieben. An Letzterem kann
ihm ja wenig liegen, da er ja stets unsere Beziehung als eine rein sachliche wissen wollte.«
31 Vgl. etwa Hildebrand an Fiedler, 20. April 1876 (nach BS, Vorarbeiten): »Wie sehr es mich er-
freut, Sie bald zu sehen, brauche ich Ihnen wohl nicht erst zu sagen, aber daß Sie Marees hier-
her bitten wollen, hat mich nicht wenig erschreckt, denn es würde meine Freude sehr schmä-
lern. Die Stimmung würde eine so gedrückte und befangene und das wäre wirklich schade. So
wie ich mit Marees stehe, würde ich ihn nicht aufsuchen, sondern vermeiden und ich hoffe ihn
vor Jahren nicht zu sehen. Marees würde hier den Unbefangenen spielen und ich weiß nicht,
ob ich diesen Zustand mit ihm. den ich glücklich losgeworden, wieder ertragen würde. Auf sein
Taktgefühl rechne ich nicht, er würde womöglich Irene auch besuchen wollen und das wäre
höchst peinlich.« Am 17. Mai 1881 schreibt der Bildhauer an Fiedler (ebenfalls nicht bei
Hildebrand/Fiedler 1927, zit. n. BS, Vorarbeiten 1875 — 1890): »Habe vielen Dank [...] für
Marees’ Briefe. Die Bilder denke ich mir sehr schön, und gäb was drum, wenn ich sie sehn
könnte. Hoffentlich kommen sie auf den Markt oder werden vielmehr fertig, das würde mich
doch unsäglich freuen. Es müssen kühne Bilder sein, trotz »behufs seiner Pflichten<. Daß er
von den vielen Bildern keins für Dich gemacht, ist mir immer unfaßbar, sollte er auf Dich als
Käufer auf dem Markt rechnen?« Uber die Entwicklung des Verhältnisses Hildebrands zu
Marees vgl. Esche-Braunfels 1987 und 1993.
32 Vgl. BS, Annalen, 1882.
33 Vgl. Esche-Braunfels 1987, S. 128: Hildebrand/Fiedler 1927, S. 218, S. 219—221.

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