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Blum, Gerd
Hans von Marées: autobiographische Malerei zwischen Mythos und Moderne — München, Berlin, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.14541#0189

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V.l. Öffentlichkeit und Kunstmarkt als Adressaten der Gemälde seit 1880

Stützung. Wie schon erwähnt, lehnt es Fiedler ab, seine Zahlungen zu erhöhen.10
Das Ziel, öffentlich auszustellen, sollte sich erst im Jahr 1885 im Rahmen einer
Ausstellung bei Fritz Gurlitt in Berlin verwirklichen. Sie ist ein völliger Miss-
erfolg.11 Ebenso misslingt das Projekt, sich in Berlin mit einem Freskenzyklus im
Landwirtschaftlichen Museum an das Publikum zu wenden.12
Obwohl Hans von Marees zu Lebzeiten daran scheitert, seine Bilder »der Öf-
fentlichkeit zu übergeben«13, wird nach dem Erfolg der Lebensalter das Anliegen,
ein breiteres Publikum zu erreichen, ein zentrales Movens seiner Arbeit. Dies ist
sowohl in seiner materiellen Situation als auch in seinem Kunstverständnis begrün-
det. Für den Maler besteht darin, seine Bilder »auf den Markt zu bringen«14, die
einzige Möglichkeit, sich aus der Abhängigkeit von den Zuwendungen Fiedlers zu
befreien — ein Wunsch, der nach der schweren Auseinandersetzung des Jahres
1880 noch an Dringlichkeit gewonnen haben dürfte. Nur durch erfolgreiche Ver-
käufe wäre es Marees auch möglich gewesen, seinen Bruder, der in eine Notlage
geraten war und ihn jahrelang mit dringenden Bitten um Unterstützung bedräng-
te, finanziell zu helfen. Gleichzeitig will er in der lange hinausgezögerten öffent-
lichen Ausstellung seiner Gemälde seinen Anspruch auf »Leistungen von allgemei-
ner Bedeutung«15 und damit seinen künstlerischen Rang auf die Probe stellen. Nur
Allgemeinverständlichkeit und Allgemeingültigkeit können in den Augen
von Marees eine öffentliche Wirksamkeit seiner Gemälde begründen. Er teilt die
zuerst im Klassizismus um 1800 formulierte und gegen die allegorische Sprache des
traditionellen Historienbildes gerichtete Überzeugung, dass erst seine möglichst
>allgemeine< Verständlichkeit und Gültigkeit ein Gemälde zum Kunstwerk erhebe.
Diese Auffassung war im Verlauf des 19. Jahrhunderts in der Diskussion um das
Historienbild zum Topos geronnen.16

und Künstler aus, der von seinem Gönner Wohltaten etwa in einer Weise entgegennimmt, wie
ein Fürst die Apanage von dem Volk, das er beherrscht« (ebd., S. 348). Zum spannungsreichen
Verhältnis Marees - Fiedler vgl. den aufschlussreichen Beitrag von Beyer 1997.
11 Vgl. Gurlitt 1891, S. 10, und Domm 1987b, S. 339f.
12 Vgl. Fiedler 1991 [1889], Bd. I, S. 261f., und den Briefwechsel des Jahres 1880, u.a. den Brief
v. 28. April J880 an Fiedler (Meier-Graefe 1909-1910, Bd. III, S. 204ff.). Marees beabsichtigte
mit diesen Fresken »öffentlich in die Schranken zu treten« (ebd., S. 205). Vgl. zur Konjunktur
des monumentalen Freskos im 19. Jahrhundert: Droste 1980; Wagner 1989; Germer 1988.
13 An Fiedler, 26. Dezember 1880: Meier-Graefe 1909-1910, Bd. III, S. 218.
14 Ebd.
15 Fiedler 1991 (1889), Bd. I, S. 273.
16 So schreibt Hegel in der Ästhetik: »Die Hauptsache nun also bei einem Gemälde besteht darin,
daß es eine Situation, die Szene einer Handlung darstelle. Hierbei ist das erste Gesetz die Ver-
ständlichkeit« (zit. n. Kemp 1985. S. 254). Kemp führt die Forderung der idealistischen Kunst-
theorie seit dem Ende des 18. Jahrhunderts nach allgemeiner Verständlichkeit des Kunstwerks
auf die »Notwendigkeit« zurück, »einem stark angewachsenen, unberechenbaren, weil unbe-
kannten Publikum eine plausible, einsichtige Kunst anzubieten« (ebd., S. 254). Dieses Postulat
ist spätestens seit der zweiten Jahrhunderthälfte in der Diskussion um die Historienmalerei all-
gegenwärtig (Belege bei Beyrodt/Busch 1982, S. 188ff., S. 208ff. u. passim). In diesem Sinn
äußert sich Ernst Förster 1843: »Die historische Auffassung der Kunst hat es nicht mit dem
zufälligen Geschehen, das oft nur für die Teilnehmer verständlich ist, zu tun, sondern mit dem

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