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Blum, Gerd
Hans von Marées: autobiographische Malerei zwischen Mythos und Moderne — München, Berlin, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.14541#0282

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VI. Autobiographie und Abstraktion

genden Studie gezeigt werden, dass die Herausbildung einer privaten Ikonographie
und eine fortschreitende formale Abstraktion in den >Hesperidenbildern< Zu-
sammenhängen. Beide Prozesse sind in dem Anliegen begründet, Gemälde zu
schaffen, die sich ganz aus der Anschauung erklären und zugleich ihre privaten
Ursprünge in Darstellungen von universaler Geltung transformieren.

VI.5.4. Parallelen zur zeitgenössischen französischen Malerei
Marees vertrat ein spätklassizistisches, letztlich auf die Bewahrung von traditio-
nellen ontologischen Gewissheiten ausgerichteten Kunstideal,220 das in der »wilden
Ontologie« des französischen Impressionismus gleichzeitig erschüttert wurde.221 Es
wurden jedoch auch Parallelen zu den Figurenbildern seiner ebenfalls außerhalb
des akademischen Feldes arbeitenden französischen Zeitgenossen deutlich, beson-
ders zu autobiographisch motivierten Kompositionen von Manet und Cezanne.
Auch die inhaltliche Bedeutung ihrer Gemälde ist lange durch das - hier maßgeb-
lich von Emile Zola eingeführte — formalästhetische Interpretationsparadigma
überdeckt worden.
Im zweiten Kapitel erwies sich, dass das Frühwerk von Marees mit den frühen
Gemälden von Manet und Cezanne im Hinblick auf die Darstellung von autobio-
graphischen Themen durch Variation von Gemälden der Tradition und der Gegen-
wart vergleichbar ist. Eine analoge kunsthistorische Einkleidung der eigenen
Lebensgeschichte ist etwa in Manets La peche und in Cezannes frühen Idyllen fest-
stellbar (II.1.4.).222 Deutlich wurde, dass Marees von Manets Dejeuner sur l’herbe
angeregt wurde, das auch Cezanne zu autobiographischen Gemälden inspirierte.
Wie Marees, so bilden Manet und Cezanne in ihren späteren, nunmehr im For-
mat ebenfalls monumentaleren Gemälden eine im doppelten Sinne >persönliche<
Ikonographie aus. Wie bei Marees thematisiert diese die eigene Vita und verdankt
sich eigener motivischer Erfindung. Wie Marees in den >Hesperidenbildern< entwi-
ckelt Cezanne in den Badenden ein »eigenes Genre«223, das nicht mehr Themen
der klassischen Ikonographie illustriert. Bei allen gravierenden Unterschieden
sind die späteren Figurenbilder dieser drei Maler in ihrer Intention vergleichbar,
das Autobiographische zu verallgemeinern.224 Dies ist auch bei Cezanne mit einer
Hinwendung zum antikischen Aktbild und zum Thema des »Goldenen Zeitalters<
220 Vgl. Boehm 1987. Die Versuche von Neumeyer 1938 und Ettlinger 1972, Marees bruchlos in
die Tradition der >grand mannen des Historienbildes einzuordnen und die Eigentümlichkei-
ten der >Hesperidenbilder< aus den Discourses von Reynolds, die Marees nachweislich gelesen
hat, zu erklären, übersehen allerdings die in dieser Arbeit analysierten, spezifisch modernen
Charakteristika dieser Gemälde.
221 Vgl. zu diesem Begriff Foucaults: Imdahl 1987, S. 20ff.
222 Zu Affinitäten im späteren Werk von Marees und Cezanne vgl. Hagen 1919; Fegers 1960; Im-
dahl 1963; Hülsewig-Johnen 1987.
223 Speidel 1891, S. 381.
224 Vgl. Mauner 1975; Krumrine 1989.

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