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Blum, Gerd
Hans von Marées: autobiographische Malerei zwischen Mythos und Moderne — München, Berlin, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.14541#0288

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VII. Marees im kulturgeschichtlichen Kontext

gestellt werden, ohne dass auf die betreffenden Abschnitte der vorliegenden Arbeit
explizit verwiesen wird.
Zu einem Idealtypus des Künstlers hat sich Marees weniger innerhalb der Gat-
tung des Selbstbildnisses als in seinen >Hesperidenbildern< und seinen Darstellun-
gen von > Ritter heiligem stilisiert. Diese zumeist ganzfigurigen Selbstdarstellungen
sind zeitgenössischen Topoi preußisch-aristokratischer Provenienz verpflichtet.
Ein folgenreiches, kämpferisches Künstlerideal verbildlicht er im Heiligen Georg
als Drachentöter (Abb. 95), in den verschlüsselten Selbstdarstellungen als Reiter
und Ritter innerhalb der beiden Fassungen des Reitertriptychons und mehrfach in
ganzfigurigen Selbstdarstellungen als >Stabträger<.10 Die Selbstidealisierung als
Stabträger (Abb. 1, 37, 73) und als Mann mit der Standarte (Abb. 76) stehen in
der Tradition einer »Heroisierung des Künstlers«11 wie sie in Antike und Renais-
sance begründet wurde und wohl insbesondere von Porträts Rembrandts, den
Marees sehr schätzte.12 Seine ganzfigurigen Selbstdarstellungen sind in ihrer
zunächst nazarenisch-priesterlichen (Abb. 1), dann aristokratisch-militärischen
Ausprägung (Abb. 73, 76) seiner eigenen Zeit in hohem Maße verpflichtet. Die Vor-
aussetzungen seines Männlichkeitsideals und seiner bis in den Sprachduktus der
Briefe hinein militaristisch eingefärbten Konzepte von >Treue<, >Beharrlichkeit<
und >Kampf< hat schon Domm in Diskursen der Gründerzeit ausgemacht.1!
Ein latenter »Kult der Gewalt«14 ist in vielen brieflichen und bildlichen Selbst-
stilisierungen des Künstlers aufweisbar. Marees wendet sehr zeittypisch einen
Grundsatz der Evolutionstheorie Darwins auf sich selbst an, wenn er davon
spricht, dass sein »Dasein« ein »ewiger Kampf« sei.15 Gerade im Spätwerk werden
Kampf und Sieg in spezifisch kaiserzeitlicher Emphase als transzendente Phäno-
mene verabsolutiert, so in den Entwürfen zu einem Sieger (MG 765-772) und im
Hl. Georg des Reitertriptychons ,16
Bei aller Berufung auf antike >Mannestugend< zeigen sich hier spezifisch borus-
sisch-militaristische Haltungen, die in ihrer Zeitgenossenschaft jedoch nicht reflek-
tiert werden. Vielmehr wird ihnen durch Rückgriff auf die Antike und die kirch-
liche Heiligenlegende die Patina des vermeintlich Überzeitlichen verliehen. Dabei
10 Vgl. jüngst Schmidt 2003, S. 72 — 110, der ironische Brechungen im Drachentöter (Abb. 95)
ausmacht.
11 Kris/Kurz 1995 (1934).
12 Vgl. besonders Rembrandts Flaggenträger (Paris, Privatsammlung) von 1636, der lange für
ein Selbstporträt des Malers gehalten wurde sowie Selbstbildnisse Rembrandts in soldatischem
Kostüm (siche Stückelberger 1996, S. 1581’1'.). Vgl. auch Katalog London/Den Haag 1999,
Nr. 29a (Selbstbildnis in orientalischer Kleidung, 1631, Paris, Musee du Petit Palais) und
ebd., Nr. 71 (Selbstbildnis, 1658, New York, The Frick Collection).
13 Domm 1989.
14 Gay 1996.
15 Vgl. Schmidt 2003, S. 91 f.
16 Ulrich Gotter (Universität Konstanz) bin ich nicht nur an dieser Stelle für wertvolle Anregun-
gen verpflichtet.
17 Siehe Abb. 83 und 84 in Blochmann 1991. S. 150.
18 Schmidt 2003, S. 84ff.

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