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gruppen (Abb. 17).37 An den Stil von Mirou erinnert die mit blossen Umrisslinien dargestellten
Landschaft und die Zeichnungsweise der Baume. Diese Blatter galten in der Budapester Sam-
mlung friiher ais Werke Merians, trotzdem sie Aufschriften in flamischer Sprache haben. Ich
halte sie fiir Werke eines unbekannten, um 1610 in Frankenthal wirkenden Meisters auf Grund
ihrer Verwandtschaft mit Mirou's Stil und der stilistischen Ahnlichkeit mit den Stadtansichten
des Kurpfalzischen Skizzenbuches. Das Wasserzeichen des Papiers weist auf Kolner Ursprung
um 1600. Die Ansichten geben zu einem grossen Teil pfalzische und bayrische Ortschaften
wieder. Dies wird daraus ersichtlich, dass Merian in seiner „Topographia Germaniae" dreizehn
Radierungen mit pfalziscber und bayrischer, und je eine mit westfalischer und hessischer Stadt-
ansicht nach BlSttern dieser Folgę schuf und zwar von folgenden Orten : Bleystein, Cham,
Emmerich, Freystadt, Schloss Friedelsheim, Kaiserslautern, Klingenmiinster. Neumarkt,
Neustadt an der Haardt, Rauschenberg (Abb. 18), Umbstadt, Waldmiinchen und Weiden.38
Merian kam schon in seinen Wanderjahren in Zusammenhang mit Frankenthaler KiiDstlern
und durch seine Heirat mit der Tochter des flamischen Emigranten und Oppenheimer Verlegers
Johann Theodor de Bry in noch engere Verbindung mit ihnen. Wie wir sahen, kam er nach
1610 mit Mirou in Beziehung ; so ist es wahrscheinlich, dass der unbekannte Frankenthaier
Meister auf Wunsch Merians diese Stadtansichten fertigte ; es ware auch móglich, dass er sie
zu anderen Zwecken zeichnete und Merian sie spater verwendet hat. Die auch auf den nicht
von Merian benutzten Blattern sichtbaren vertieften Randlinien weisen darauf hin, dass auch
sie irgendwann vervielfaltigt wurden. Diesen Stichen konnte ich aber noch nicht auf die Spur
kommen.

Die Zeichnungen kónnen Arbeiten eines Meisters sein, der sich auf Stadtansichten spezialisiert
hatte ; die Darstellungen zeigen vóllig ausgereifte Lbsungen, neben denen die Werke von Joris
Hoefnagel oder Mirou noch wie naive Anfangerarbeiten anmuten. Unser Zeichner gibt die
Stadt in leichter Aufsicht im Mittelgrund und dagegen den Landschaftshintergrund nur ganz
skizzenhaft wieder. Das Gesamtbild der Stadt wie bei der Ansicht von Bleystein (Abb. 19)39
hat er auf den ersten Blick, nur das Wesetitliche betonend, geschlossen erfasst. Sein gutes Gefuhl
fiir Tektonik erweist die ausgeglichene, klare und einhaltliche Komposition. Mit der Betonung
wichtiger Gebaude erreicht er eine Darstelhimg des individuell-charakteristischen der betref-
fenden Stadt, ohne sich dabei in Einzelheiten zu verlieren. Meist zeichnet er mit feinen, leichten
Linien und verwendet hie und da auch Lavierungen mit Wasserfarben. Manchmal bezweckt
er Silhuettenwirkung, wie bei Emmerich (Abb. 20),40 Freystadt oder Weiden. Dazu wieder,
wenn dies fiir die Wiedergabe der Stadtansicht vorteilhaft erscheint, zeichnet er die Stadt aus
der Vogelperspektive, weit ausgebreitet im Raum und in engerer Verbindung mit der Land-
schaft, wie zum Beispiel bei der Ansicht von Neustadt an der Haardt (Abb. 21).41 Im iibrigen
besteht die Móglichkeit eines interessanten Vergleiches mit der im Stuttgarter Kurpfalzischen
Skizzenbuch befindlichen Zeichnung derselben Stadt (Abb. 22).42 Bei ahnlichem Blickpunkt
und gleichartig objektiver, auf das Wesentliche gerichteter Darstellungsweise beider Blatter
zeigen sich doch auch Unterschiede. Die von Schmieder mit Vorbehalt Jan de Witte zuge-
schriebene Stuttgarter Zeichnung zeigt komplizierte Vordergrundkulissen an jeder Seite, das
Budapester Blatt hingegen gibt ohne Hindernisse den Blick auf die Stadt frei. Dieser Unter-
schied im Aufbau weist klar darauf hin, dass der Budapester Meister einer jiingeren Generation

37. Gerszi, op. cii., Cat. no. 162—188 (Abb. 17 = Cat. no. 184 verso).

38. Gerszi, op. ci., Cat. no. 162 a, 185, 168, 186, 169 a und 182, 165 a, 172 a, 180 a, 181 a (Abb. 18), 183 a, 188 a, 166 a.

39. Gerszi, op. cii., Cat. no. 162 a.

40. Gerszi, op. cii., Cat. no. 168.

41. Gerszi, op. cii., Cat. no. 180 a.

42. Stuttgart, Staatsgal erie, Inv. Nr 115.

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