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22. Meister des Kurpfalzischen Skizzenbuches, Neustadt an der Haardt, Stuttgart, Staatsgalerie

(Fot. Staatsgalerie, Stutgart)

angehort, die sich nicht mehr an das Kompositionsschema der Manieristen hielt und in freierer,
objektiverer Darstellungsart gestaltete. Diese Natiirlichkeit, dabei Gedrungenheit vmd Aus-
geglichenheit, die Hauptcharakteristik der Budapester Zeichnung, waren auch wesentliche
Kennzeichen der hollandischen Stadtansichten des XVII. Jahrhunderts ; deshalb mtissen wir
in dem Meister einen Vorlaufer der hollandischen Vedutenmalerei sehen.

Noch mit einigen Worten miissen wir uns mit der Frage beschaftigen, auf welche Weise in
Frankenthal dieses topographische Interesse erwachen sein Konnte. Eine der Ursachen dafiir
ist sicher die siid-und westdeutsche Tradition. Nach 1486, dem Erscheinungsjahr von Breyden-
bachs illustrierter Reisebeschreibung, erschienen in diesen Gegenden eine Reihe topographisch
getreuer Bildfolgen :43 1493 Schedels Weltchronik mit einigen getreuen Stadtansichten, 1544
Sebastian Miinsters Cosmographia. 1572 begann das Unternehmen von Braun und Hogen-
berg, das spater nur noch, urn die Mitte des 17. Jahrhunderts, von Merians sechzehn Bandę
umfassendem grossem Werk iibertroffen wurde. Frankenthal war nicht weit von Frankfurt
und auch von Koln eutfernt, von den beiden Stadten, in denen Braun-Hogenbergs und Merians
Werke erschienen ; so konnte die geographisch giinstige Lage allein schon anregend wirken,
dazu kamen unter Umstanden dann noch konkrete Auftrage. Das letztere kann auch im Fali
des Frankenthaler Meisters der Budapester Folgę und bei Mirou mbglich gewesen sein.

Ein anderer stimulierender Faktor war die im Geistesleben vor sich gegangene allgemeine
Wandlung, letzten Endes ein Sichentfernen von dem antropozentrischen Weltbild und eine
Wendung zum Erkennen der Wirklichkeit. Diese fuhrte zum Aufbliihen der geographischen
Wissenschaft, zur Verfeinerung der Messgerate, zur Entwicklung der Kartographie und zu
einer allgemeinen Verstarkung der Reiselust. Fur die Entwicklung des Landschaftsbildes spielte
das Wandern und Reisen der Kiinstler eine grosse Rolle ; denken wir nur an Diirer, an Scorel,

43. F. Bachmann, Die alten Stiidtcbilder, Lcipzig, 1939, 3 ff.

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