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Bock, Franz
Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters: oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung (Band 1) — Bonn, 1859

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https://doi.org/10.11588/diglit.26750#0461
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lind gelehrten Mutlimaassungen über diesen dunkeln Gegenstand
durchblättern und man wird sich überzeugen, dass die heiligen
Schriften diesen mystischen Annahmen keinen haltbaren Grund
und Boden bieten. Was nun den Ausdruck „urim“ betrifft, so
dürfte derselbe als gleichbedeutend mit dem Ausdruck „igncs
luces,, und „thummim“ mit „perfectiones“ zu setzen sein und
sollen daher durch diese Ausdrücke nicht nur das hellstrahlende
Feuer, sondern auch der hohe Werth dieser zwölf Steine der
Tafel des Gerichtes, näher angedeutet werden. Es dürfte nicht
schwer halten, für das eben beschriebene „rationale iudicii“, das
in der h. Schrift zuweilen „rd urim et tliummim“, und nach der
Bezeichnung griechischer Schriftsteller „loyiov“ genannt wird, die
betreffenden Analogieen ausfindig zu machen, die dieses auszeich-
nende Kleinod des mosaischen Jehovadienstes für die Bildung:
eines ähnlichen Schmuckes unter den liturgischen Gewändern der
Kirche gehabt habe. Dass in der ältern Kirche ein ähnliches Or-
nament bei den Bischöfen in Gebrauch war, wie eine solche „Tafel
des Gerichtes“ die Brust des Pontifex Maximus ehemals schmückte,
lässt sich entnehmen aus den Angaben älterer Liturgiker, unter
denen wir besonders auf Amalarius Fortunatus, Rhabanus Mau-
rus, Durandus hinweisen in ihren betreffenden Angaben über
die „indumenta legalia“ und die liturgischen Ornate, wie sie
damals in der Kirche in Gebrauch waren. So weiset der alte
Ivo, Bischof von Chartres,in seinem liturgischen Werke an
einer Stelle, wo er einen Vergleich zieht zwischen den Gewän-
dern des alten und des neuen Testamentes, mit deutlichen Wor-
ten auf ein solches'Brustschild hin, indem er sagt: „Novi quoque
testamenti sacerdotes non Omnibus illis utuntur indumCntis, quia
nec cluabus tunicis, nec rationali praeter solos Pontifices.“ Dass
in Wirklichkeit noch bis in’s XIII. Jahrhundert bei Päpsten und
einzelnen Bischöfen das „pectorale“ als auszeichnendes Kleinod
in kirchlichem Gebrauche war, beweiset, ausser vielen Anga-
ben bei ältern Schriftstellern,2) auch das Vorkommen solcher
kostbaren Agraffen auf ältern Wandmalereien romanischen Stils
und an Skulpturen aus derselben Epoche. So fanden wir, um
nur ein Beispiel eines Pectoralschildes aufzuweisen, das mit dem
prototypischen, eben beschriebenen „choschen mischpat“ des Ho-
henpriesters eine vollständig gleiche Form und künstlerische Aus-

’) Ivo Carnotens. Episc. de rebus ecclesiasticis.

2) Vgl. ad voc. rationale das Betreffende bei Du Cange Lex. lat. mediae ct
intim, aevi.
 
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