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Bode, Wilhelm
Franz Hals und seine Schule: ein Beitrag zu einer kritischen Behandlung der holländischen Malerei — Leipzig, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.16216#0022
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— 14 —

tischen Entwicklung', welche derselbe von jetzt an beibehält und bis zu
seinem Tode nur mehr und mehr fortentwickelt. Das Streben nach einer
möglichsten Vereinfachung der Färbung wie des Machwerkes macht sich
in den Bildern dieser Periode des Meisters immer stärker geltend; ein
kühler grauer Ton des Colorits wird vorherrschend, mit welchem Hals die
dunkle Färbung der Kleidung, wie sie in dieser Zeit allgemein Mode wird,
in vortreffliche Harmonie zu bringen weiss. Bis zu welcher Consequenz
der Meister diese Richtung verfolgte, welche eine interessante Analogie in
Rembrandt's Entwicklung seit dem Jahre 1655 hat, beweisen zwei Gegen-
stücke im Haarlemer Museum aus dem Jahre 1664, die letzten uns be-
kannten Bilder des Meisters, welche die Vorsteher und die Vorsteherinnen
des Oude-Mannen-Huis in Haarlem darstellen. Der Katalog des Museums
nennt diese Bilder „unvollendet"; allein der Vergleich mit anderen Bild-
nissen aus dieser Epoche beweist uns, dass Hals diese Bildnisse, welche
an Breite des Machwerks allerdings Alles übertreffen, was uns Hals, ja was
uns irgend ein Künstler hinterlassen hat, für vollendet hielt und halten
konnte. Denn der bekannte Ausspruch Kembrandt's, dass ein Bild voll-
endet sei, sobald die Absicht des Meisters darin erreicht sei, gilt
im vollsten Maasse für diese beiden Bilder. Mit welcher Sicherheit sind
hier die Formen nur in ihren allgemeinsten aber auch characteristischsten
Zügen hingeschrieben; wie geistreich ist mit der flüchtigsten Andeutung
doch das nothwendigste Maass der Färbung gegeben! Wahrlich eine
wunderbare Frische des Geistes, eine erstaunliche Sicherheit der Hand
wohnte noch in dem 80jährigen Greise! Freilich, wie der Meister
selbst als ein Ueberrest einer vergangenen thatenvollen und erhabenen
Zeit fremdartig in diese mehr und mehr in Wohlleben und Charakter-
losigkeit versinkende Zeit hinein ragt, so stehen auch diese Werke der
Welt, die sie umgab, schon fremd gegenüber. Der derbe Pinsel des
Meisters hatte nicht zu schmeicheln gelernt; und es scheint uns fast, als
schaute die junge elegante Welt, die zierlich gelockten Dämchen in jenen
Bildern erschrocken und ängstlich über das schmutzige, zerfetzte Ge-
wand, in welches sie der alte Meister gekleidet — sie, die nur an die
geleckte, delicate Hülle eines F. Mieris und C. Netscher gewöhnt sind.

Ehe ich näher auf den Charakter und die Bedeutung der Werke des
Meisters eingehe, will ich es versuchen in möglichster Kürze eine Ueber-
sieht über die erhaltenen Werke zu geben und zwar mit besonderer
Berücksichtigung der in Deutschland vorhandenen Bilder, da Burger in
seiner Besprechung einen Theil derselben nur flüchtig oder überhaupt nicht
erwähnt.

Die hervorragenden Meisterwerke, welche Holland noch besitzt,
 
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