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II.

Die künstlerische Ausstattung des Codex mit ganz- und halbseitigen Bildern, mit einer Fülle von Zier-
seiten und Initialen ist außerordentlich reich. Sie hat in erster Linie natürlich die Absicht, zu schmücken
und zu illustrieren. Sie verfolgt aber auch den Zweck, die Einteilung des Textes klar herauszuheben, mit
optischen Mitteln das Ganze zu einem sinnvollen und übersichtlichen Organismus zu ghedern. Das ist ein
der mittelalterlichen Buchmalerei an sich nicht neues Prinzip. Die Betonung der Anfänge einzelner Stücke
durch bildliche oder ornamentale Verzierung hat von jeher auch eine gliedernde Bedeutung, soll eine leich-
tere Orientierung in dem Text ermöglichen. Indessen gelangt dieser Grundsatz im Codex aureus in einer
Ausdehnung und einer Feinheit der nach der Bedeutung der einzelnen Textstücke bemessenen Abstufung
zur Anwendung, wie man sie höchstens in den bedeutendsten Werken der Schule von Tours findet und wie
sie nur in einem großen Scriptorium auf dem Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit denkbar ist.

Zwei einander gegenüberhegende Purpurseiten, Imitationen eines goldgewebten orientahschen Seiden-
stoffes, eröflhen — prunkende Vorbereitung nachfolgender Pracht — in höchst opulenter Weise das Werk.
Die beiden Kaiserbilder schheßen an. Als Darstehungen des Stifters mit seiner Gemahhn und seinen Eltern,
den Gründem des Domes, für den die Handschrift bestimmt war, stehen sie mit Fug an erster Stehe. Außer-
dem kommen auf diese Weise, wie übhch, der thronende Christus mit den Evangehstensymbolen und das
Bild der Dedikation an den Kirchenpatron an den Anfang des Evangehars.

Es folgen—wieder auf zwei sich entsprechenden Seiten — der Titel mit den Widmungsversen Heinrichs,
dann die vier aUgemeinen Vorreden Beatissimo papae Damaso, Sciendum, Plures, Ammonius. Die erste
derselben als Einleitung dieses Abschnitts mit drei Incipit-Seiten (Incipit praefatio / sancti Hieronymi pres-
byteri/inhbrum evangeliorum) und einer großen Initial-Seite mit den Anfangsworten. Die nächsten beiden
Präfationen nur mit je einer Zierseite, welche die Anfangsworte enthält und durch eine Zierkolumne mit In-
cipit oder Exphcit und Incipit von dem vorhergehenden Prolog getrennt wird. Die letzte Vorrede, die sich
auf die Canones des Eusebius bezieht, ist nur durch eine Zierkolumne eingeleitet, wahrscheinhch damit die
Canones, die unmittelbar danach beginnen und zwei und zwei einander gegenübergesteUt werden soUten, auf
einer Verso-Seite anfangenkönnen (vgl. Abb. 18 bis 20). Auch die Initium-Seiten der zweiten und dritten Vor-
rede werden gegenüber der ersten abgestuft, sie haben nur Reihen mittelgroßer Initialen und wenig ornamen-
tierte Rahmen, während die Zierseite Beatissimo papae Damaso eine besonders große, die voUe Höhe des
ganzen Mittelfeldes eixmehmende Initiale und einen sehr reich mit Zierquadraten und Büsten versehenen
Rahmen aufweist. Bemerkenswert für die sinnvoUe Diflerenzierung ist ferner, wie die Zierkolumne zu Anfang
der letzten Vorrede durch die Rankeninitiale von den vorhergehenden Exphcit- und Incipit-Kolumnen unter-
schieden und lhnen gegenüber etwas betont wird.

Diese vier aUgemeinen Vorreden ergeben mit den vorhergehenden Schmuck-, Büd- und Titelseiten und
mit den folgenden sehr reich ausgestatteten und zwölf Seiten eiimehmenden Canones zusammen einen Kom-
plex, der an Gewicht der künstlerischen Ausstattung jedem der folgenden Evangehen ungefähr die Wage
hält. Dabei entspricht die Ausstattung der ersten wichtigsten Vorrede derjenigen der Evangehenanfänge,
während die zweite und dritte Vorrede den Spezialprologen der einzelnen Evangehen gleichgesteUt sind.

Die Evangehen selbst sind nngemein klar gegeneinander abgesetzt, vor aUem durch eine Massierung von
Büd- und Zierseiten zu Beginn des Textes. Wie der Codex als Ganzes wird jedes Evangehum eingeleitet
durch zwei einander gegenüberstehende Purpurseiten, bei Matthäus sind es wieder Imitationen von Gold-
geweben, bei Lucas und Johannes glatte Purpurfelder in einfachen andersfarbigen Rahmen, nur bei Marcus
fehlen diese Purpurseiten 1). Dann das Büd des Evangehsten, gegenüber die erste Incipit-Seite (Inicium sci.
evangehi), weiter die Fortsetzung des Incipit (secundum Lucam bzw. Marcum usw.) sowie —als Gegen-

J) Hier, aber auch bei Lucas und Johannes finden sich zwei leere Pergamentseiten vor dem Evangelistenbild. In allen drei Fällen sind
es die letzte und die erste Seite zweier aufeinanderfolgenden Lagen. Offenbar schien es — vielleicht mit Rücksicht auf die Verteilung der
Lagen an die verschiedenen Künstler — nicht tunlich3 das Evangelistenbild auf der letzten Seite einer Lage und dementsprechend die
erste Incipit-Seite, die ihm ja gegenüberstehen mußte, auf der ersten Seite einer Lage anzubringen.

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