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Bott, Gerhard [Bearb.]; Tiepolo, Giovanni Battista [Ill.]
Giovanni Battista Tiepolo - das Fresko im Treppenhaus der Würzburger Residenz — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 92: Stuttgart: Reclam, 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.65315#0046
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THEODOR HETZER
ÜBER DIE WÜRZBURGER FRESKEN
Tiepolo ist für die Wand geboren wie wenige, er ist
darin ganz Italiener, und man meint die immer neue
Lust zu spüren, mit der er an Decken und Wänden malte.
Das kann man gerade in Würzburg beobachten durch den
Gegensatz der mehr kunstgewerblich-dinglichen „kläu-
belnden“ deutschen Art. Die Fresken Zicks im Garten-
saal haben, mit denen Tiepolos verglichen, etwas von der
Kleinteiligkeit und Gedrängtheit eines kleinmeisterlichen
Kupferstiches, einer Illustration oder Vignette. Tiepolos
Fresken wirken, wie jedermann weiß, wunderbar hell
und klar; aber, so sehr sie auch nach gutem Licht verlan-
gen, nach dem Lichte eines Julitages in Venedig, so wird
man sie doch nicht in sich selbst sonnig nennen können.
Es fehlt der warme Glanz, eine gewisse Kühle herrscht.
Das liegt, wie wir meinen, eben an jenem leichten, schat-
tenhaften, an scharf und zart abgestuften Halbtönen rei-
chen Gestalten unseres Malers. Er geht zwar vom Hell-
sten bis zum Dunkelsten, aber nie in überraschendem,
blendendem Effekt. Niemals wird eine Form oder Grenze
überstrahlt, immer steht, wenn auch noch so fein abge-
stuft, Ton neben Ton in abgezirkelter Silhouette ...
In der Weite Tiepoloscher Fresken hat der Raum viel
zu bedeuten. Es ist der Raum Venedigs, den Tiepolo bil-
det, der ungegliederte Raum des Meeres und des freien
Horizontes, gegen den jede Figur und jede Bewegung
sich groß abhebt. Es ist venezianischer Glanz, veneziani-
sche Weichheit und venezianisches Wolkenspiel. Und die
Putten und Engel gleichen den Möwen, wie sie jäh und
wechselnd durch die Räume stürzen ...
Geht man Haltung und Bewegung Tiepoloscher Figu-
ren durch, so wird man, wie erwähnt, immer bemerken,
daß ihre Lebhaftigkeit, ihr Pathos sich ganz der gegen-
wärtigen Situation hingibt, dahinein verströmt. Zugleich
aber soll dieses Aufgehen in der Handlung als schönes
Bild wahrgenommen werden. Aktivität und Pose ver-
einigen sich zum Zuversichtlichen, ja Siegesgewissen des
Auftretens, jede Figur spielt ihre Rolle ausgezeichnet,

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