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EINLEITUNG.

Als in den zw anziger Jahren unseres Jahrhunderts Champolliou dei' Jüngere mit jenem
kühnen Griffe, welcher nur dem Genie eigen ist, den dunklen Schleier gelüftet hatte, der
langer als ein Jahrtausend mit einem undurchdringlichen Nebel die Schrift der zahlreichen auf
uns gekommenen Denkmäler des alten Aegyptens verhüllt hatte, als nun, wie von einem
kräftigen Zauberschlage berührt, eine neue alte Welt mit dem ganzen Reichthum ihrer Ge-
danken und ihrer Erinnerungen der Vergessenheit entrissen, an das Tageslicht der modernen
Welt trat: da machte von den philologischenDisciplinen zuerst die geschichtliche Forschung
ihr Anrecht auf die Eroberung geltend. Sowohl Champollion als seine nächsten Nachfolger
fingen damit an, die Uebereinstiinmung der aus den Entzifferungen gewonnenen Königsnainen
mit den griechischen Ueberlieferungen darzuthun. Diese historischen Untersuchungen an der
leitenden Hand der Monumente, so einfach in ihrem Entstehen, haben heut zu Tage einen
gewissen Abschluss, eine Grenze erreicht, von der aus das bearbeitete Feld freier übersehen
werden kann; denn die fruchtreichen Forschungen, deren glänzende Ergebnisse zum Theil
bereits allgemeines Eigenthum der Wissenschaft geworden sind, zum Theil mit Begierde
erwartet werden, bilden die erste Periode der geschichtlich-monumentalen Untersuchung, deren
Aufgabe es war, die ägyptischen Königsnamen sorgfältig zu sammeln, ihre Folge, der Gruppen
und der einzelnen, zu beschreiben, sie mit den übrigen Quellen und Nachrichten des Alter-
thums über Aegypten zu vergleichen. Der erste grosse Sieg, welchen die Entzifferung des
französischen Oedip zur Folge gehabt hat, verschaffte dem ausgezeichneten Namen des Mannes
die Bewunderung, Dankbarkeit und Achtung aller derer, welche mit klarem Blick und red-
licher Gesinnung die Forschungen seines Geistes zu prüfen und die Ergebnisse derselben in
ihrer ganzen und vollen weltgeschichtlichen Bedeutung zu würdigen sich berufen fühlten.

Neben der Geschichte war es die Mythologie, welche von dem Begründer der altägypti-
schen Studien und von den späteren Gelehrten desselben Faches in das Reich der vergleichenden
Betrachtung gezogen ward. Ich meine nicht ihren speculativen Theil, in welchem so gut wie
nichts geleistet ist, sondern den historischen, welcher sich wiederum an die Denkmäler auf der
einen Seite und die griechische und römische Tradition auf der andern Seite anleimt. Auch
hier ist durch besonnene Vorarbeiten Befriedigendes zu Tage gefördert worden, und für die
spätere mythologische Forschung eine Unterlage gewonnen. Der grösste Theil der ägypti-
schen Göttcrnainen ist auf und nach den Denkmälern wiedererkannt und ganze Göttergruppen
in ihrem theogonischen Verhältniss zu einander näher bestimmt worden.

Wenn in dem vorliegenden Buche, welches die Geographie des alten Aegyptens und der
anliegenden Länder nach den Nachrichten der Denkmäler enthält, der Versuch gewagt wird,
einer neuen Disciplin, der Geographie, Bahn zu brechen, so geschiebt das nicht etwa aus
einer zufälligen Vorliebe für den Gegenstand, sondern aus der vollen, auf Erfahrung begründeten

Mimosen, Geographie de« »ltcn Aegypten*. I. I
 
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