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Brugsch, Heinrich
Reise nach der grossen Oase El Khargeh in der libyschen Wüste: Beschreibung ihrer Denkmäler — Leipzig, 1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.3991#0008
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und die erhaltenen Denkmäler der Vorzeit an seinen Ufern in Augenschein zu nehmen. Nach
den letzten, von Kairo eingetroffenen Briefen durften zehn bis zwölf Tage bis dahin vorüber-
gehen. Es galt also die reichlich gebotene Zeit in einer Weise auszufüllen, die uns gestattete
von Ossiut nicht bloss mit dem Eindruck genossener Langweil zu scheiden. Leicht war es
mir den Prinzen zu überzeugen, dass ein Wüstenritt nach der grossen Oase von El-Khargeh
eine ebenso dankenswerthe als belohnende Aufgabe sei, welche ausserdem der altägyptischen
Wissenschaft möglicherweise zum grossen Nutzen gereichen könne. Dem geweckten, stets
regen Sinne des Erbgrossherzogs gewährte es die höchste Freude der geschichtlichen Forschung
der Oasenwelt einen besonderen Dienst zu leisten. Wenn irgend etwas dazu beitragen konnte
seine Absicht durchzuführen, so war es sicherlich meine vielleicht unvorsichtige Bemerkung,
dass wir den Anblick der von Europäern nur selten besuchten Landschaften im Westen vor-
aussichtlich mit mancher Entbehrung und unvermeidlichen Mühseligkeiten zu bezahlen haben
würden. Somit war die Reise eine beschlossene Sache und es handelte sich nur darum, die
nöthigen Massregeln zu treffen, um ohne Verzug und Zeitverlust die Wüstenreise auf das
schleunigste vorzubereiten.

Zunächst war es unsere Aufgabe genaue Erkundigungen über die beste Reisegelegenheit
nach der Oase einzuziehen, da wie gesagt Ossiut den nördlichen Endpunkt der grossen
Karawanenstrasse bildet, welche, durch das Gebiet der Oasen führend, ihr Ziel in der südlich
gelegenen Landschaft des Dar Für findet. Gewöhnlich stellen die Beduinen vom Stamme der
Beni-Adi, welcher die benachbarte Wüste im Westen von Ossiut bewohnt, die uöthige Zahl
von Kameelen und Mannschaften zu den grossen Wüstenfahrten. Zwei Tage würden indess
darüber hingegangen sein, die Söhne der Wildniss zusammenzurufen, um sie und ihre Thiere
für die Karawane zu verpflichten. Ausserdem sollten es von Ossiut bis zu dem Hauptorte
der grossen Oase, der gleichnamigen Stadt El-Kha'rgeh, fünf lange Reisetage sein, die bei
kürzerer Marschzeit sich auf etwa eine Woche ausdehnen würden. Bei der uns knapp
zugemessenen Zeit erschien uns dieser wenn gleich am häufigsten eingeschlagene Weg wenig
zusagend für die Wahl des Aufbruchsortes. Nach kurzer Berathung wurde einer anderen vor-
geschlagenen Strasse der Vorzug gegeben, welche von der Mudirieh Girgeh aus, in südwest-
licher Richtung, dasselbe Reiseziel in drei oder vier Tagemärschen erreichen Hess.

Nach eintägigem Aufenthalte in Ossiut wurde die Reise zu Wasser stromaufwärts fort-
gesetzt und bereits am Abend des 21. Januar landeten wir Angesichts der Stadt Sohag, in
welcher der Mudir oder Gouverneur der ganzen Provinz Girgeh seinen Sitz aufgeschlagen hat.
Der Mudir war bereits telegraphisch von der bevorstehenden Oasen-Reise unterrichtet worden
und mit dankenswerthem Eifer hatte er die nöthigen Vorbereitungen zu dem beabsichtigten
Ausfluge getroffen. Bei unserer Ankunft leuchteten uns mehrere Soldatenzelte vom hohen
Ufer entgegen und ein reges Leben in ihrer Nähe deutete auf besondere Vorbereitungen zu
einem ungewöhnlichen Ereigniss hin.

Meine Unterhandlungen mit dem Mudir, unterstützt und erleichtert durch die zufällige
Anwesenheit des damaligen ägyptischen Ministers der Auswärtigen Angelegenheiten, des fein
gebildeten Nubar Pascha, führten zu einem ebenso schnellen als günstigen Abschluss.
Gegen Abend trafen bereits etwa dreissig Beduinen vom Stamme der Beni-Wassel mit
einem langen Zuge leicht gebauter schlanker Kameeistuten (u a k a) ein. Sie hatten die wüsten
Felsenthäler ihrer Heimath, auf dem jenseitigen Ufer des Niles, gegenüber von Sohag, recht-
zeitig verlassen, um am nächsten Morgen sich und ihre Thiere zur Verfügung zu stellen.
Zwei ihrer Scheich's, Ali und sein Vetter Abdullah, sollten das Commando über die
Karawane übernehmen, während der Führer (habir) und Wegzeiger aus dem vor uns liegenden
 
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