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Brugsch, Heinrich
Reise nach der grossen Oase El Khargeh in der libyschen Wüste: Beschreibung ihrer Denkmäler — Leipzig, 1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.3991#0012
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standen wäre. Denn der Boden der Wüste ist Kalk und Kreide, und der Sand zeigt sich als
reinster Quarz. Er wird aus weiter Ferne im Süden nordwärts durch den Wind getragen und
fortgefegt, um sich niederzulegen und zu dichten Massen aufzuhäufen, wo ein natürliches
Hinderniss seinem Weiterfluge eine Deckung gewährt. Derselbe Sand ist es, welcher (nach
der Auffassung Prof. Zittels) dem Gestein auf dem Boden jene wunderbare Politur verleiht, deren
schillernder Glanz der Wüste einen so eigenthümlichen Charakter verleiht und den Nummuliten-
kalk durch Verkieselung in jene Feuersteinknollen verwandelt hat, welche zu Millionen den
Boden der Wüste bedecken.

Wir haben die Hälfte unseres Weges erreicht, denn zwei Tagereisen liegen bereits hinter
uns. Neue Beobachtungen gaben den anziehenden Stoff zu neuen, nicht weniger fesselnden
Betrachtungen. Rechts und links von der Karawanenstrasse erheben sich wie riesige Blumen-
sträusse einzelne Felsmassen aus dem Boden. Sie glitzern und flimmern im Lichte der
strahlenden Sonne, als deckte ihre Oberfläche funkelndes Geschmeide. Das sind die Kalkspath-
Krystalle der Wüste, welche in unglaublicher Menge aus dem Boden zum Tageslichte
emporschiessen und den europäischen Wanderer zur Rast und zur Ernte einladen. Die Aus-
wahl wird schwer, denn der Reichthum ist unerschöpflich und eine Krystallform erscheint
schöner und vollständiger als die andere. La fällt das Auge auf andere Gebilde des
unorganischen Lebens und wiederum sind es andere Ueberraschungen, welche des empfänglichen
und wissbegierigen Reisenden warten. Die redenden Zeugen eines vorweltlichen Daseins treten
deutlich und unverkennbar den Blicken entgegen. Die Spuren der niedrigsten Stufen der
Pflanzen- und Thierwelt längst vergangener Epochen bedecken in unzählbarer Menge den
Boden. Abdrücke von Farrenkräutern auf plattenförmig gestaltetem Kalkstein und ein Heer
von Kouchylien, im getreusten Kalkabdruck, beweist durch seine Anwesenheit die Thatsache
einer gewaltigen Katastrophe des Erdballes.

Wie die endlose Wüste und die vollendetste Einsamkeit mit unwiderstehlicher Macht auf
beschauliches Nachdenken einwirkt und die Sinne für jedes Zeichen von Leben ausserhalb des
Wüstendaseins in kaum glaublicher Weise schärft, so ist das winzige Vöglein, welches mit
zwitscherndem Laute durch die Lüfte dahinfliegt, oder der nach Beute spähende Sperber,
welcher seine kühneu Kreise mit leichten Schwingen schlägt, so ist der unscheinbare schwarze
Käfer, der im heissen Sande langsam dahinkriecht, ja selbst die Fussspur des libyschen Fuchses
oder der Hyäne ein Ereigniss, das die Aufmerksamkeit des Reisenden lebendig erregt. Denn
sie sind Boten der Welt des Lebens, an deren Rändern die Sandwellen der todten Wüste
schlagen, sie kündigen uns die Nähe alles dessen, was uns Bedürfniss und Gewohnheit mit
Liebe und Sehnsucht als Bedingung unseres Daseins umfassen und begehren lässt.

Vier lange Tage des einsamen Wüstenrittes sind dahin geflossen in das Meer der Zeit und
noch immer nicht zeigt sich dem suchenden Auge das ersehnte Reiseziel. Neue Hügel, neue
Bergzüge erheben sich in scheinbarer Riesengrösse (denn in der unermesslichen Wüste scheint
jeder Massstab zu verschwinden) am fernen Horizonte im Westen und wieder geht hinter pur-
purroth strahlendem Wolkenschleier die Sonne vor unseren geblendeten Augen unter. Wie
dunkle Silhouetten malen sich die zackigen Kämme der Hügelketten am Abendhimmel ab und
lange Schatten werfen Reiter und Kameel auf den Boden der Wüste, den so eben der Fuss
des Thieres in langsamem Schritte durchmessen hat. Der passende, gegen den Wind
geschützte Ort zum Nachtlager ist gefunden, die Kameele knieen mit gurgelndem Gekoller zur
Erde nieder, wir gleiten noch einmal langsam und mit steifem Rücken auf den Boden nieder,
nehmen unsere Gewehre vom Sattelknopfe ab, das leichte und schwere Gepäck wird abgeladen
und nach kurzem Zeiträume stehen die Zelte aufgepflanzt von der kundigen Hand der gut-
 
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