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Brugsch, Heinrich
Reise nach der grossen Oase El Khargeh in der libyschen Wüste: Beschreibung ihrer Denkmäler — Leipzig, 1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.3991#0014
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Gesänge dein jüngsten Beduinen seines Stammes als Vorbild dienen konnte. Seine einfachen
Lieder, mit dem beständigen Refrain: la illah ill' all ah „es giebt keinen Gott ausser Gott",
und allah el akbar „Gott ist sehr gross", sang er in monotoner die Nerven ermüdender
Weise ab. Ein junger Bursche, welcher am Schlüsse des Zuges hinter der Karawane einher-
zog, antwortete ihm mit ähnlichen Worten gleicher Melodie.

Besondere Tagesereignisse giebt es in der grossen weiten Wüste nicht. Die Begegnung
mit andern Karawanen, immer zunächst mit einem gewissen Misstrauen aufgefasst, wird durch
avancirende Vorposten von beiden Seiten eingeleitet, während die Karawanen beiderseits Halt
machen. Die langen Flinten, meist in lebensgefährlichem Zustande, werden schussbereit
gemacht, die Lappen vom Feuerschlosse losgewickelt, und mit beiden Händen hoch über den
Kopf gehalten. Endlich kommt man zum Anruf und Wortwechsel, man erkennt sich, ver-
sichert die friedlichsten Absichten zu hegen und alles scheidet mit den besten Wünschen für
gegenseitiges Wohlergehen auf der Weiterreise. Verdächtiges Gesindel, welches ausserhalb der
Karawanenstrasse die Wüste auf hurtigem Dromedar durchstreift und armes Beduiuenvolk
gelegentlich ausplündert, wird von der stärkeren Gegenpartei angehalten, und weidlich, denn
auch hier entscheidet die Majorität, durchgeprügelt, ohne der Weiterreise desselben im Uebrigen
hinderlich zu sein. Wir selber waren auf unserer Rückreise nach dem Nilthale einem solchen
Gesellen begegnet und die Beduinen hatten nicht verfehlt, ihm nach wüstenüblicher Sitte den
beschriebenen Denkzettel gehörig einzubläuen.

Wie das Leben in der Wüste der vielseitigen Anregung von aussen her entbehrt, daher
zu eingehendster Prüfung des Vorhandenen und Gebotenen unwillkürlich auffordert, haben wir
oben bereits bemerkt. Darf es desshalb Wunder nehmen, wenn selbst das geduldige, mehr als
militärfromme Reit- und Lastthier unter unserem Leibe unsere Aufmerksamkeit in ungewöhn-
lichem Maasse in Anspruch nimmt? Seitdem indess ein geistreicher Schriftsteller in einer
beissenden Kritik den Kameelstudien wandernder Gelehrten den Fehde-Handschuh hingeworfen
hat, scheint es bedenklich dem Schiffe der Wüste eine wohlverdiente Besprechung zu widmen
und wir ziehen stilles Schweigen dem lauten Worte darüber vor. Zum Nutz und Frommen
unserer Nachfolger auf dem Wege nach der Oase sei nur soviel bemerkt, dass das oberägyp-
tische Kameel als Reitthier seinem unterägyptischen Bruder bei weitem vorzuziehen ist. Jenes
ist bedeutend leichter und schlanker gebaut als das letztere, das vielleicht grössere Lasten
trägt, aber durch seinen Mark und Bein erschütternden Schritt den Reiter ungemein ermüdet.
Die Beduinen schreiben den plumpen schweren Bau der Kameele Unterägyptens der Fütterung
mit Bohnen zu, während die Nahruug der oberägyptischen aus Durra besteht, dessen Wirkung
auf den schlanken Körperbau, wie gesagt, nicht ohne Einfluss ist.

Wenn das Wüstenbild, das wir vor den Augen unserer Leser entrollt haben, mehr
Schatten als Licht zeigt und den Reisenden gewöhnlichen Schlages abschrecken dürfte zu
seinem Vergnügen eine Ausfahrt nach der Oase zu unternehmen, es sei denn dass er den Ein-
fluss der reinen ozonhaltigen Luft auf Körper und Stimmung erproben wollte, so fehlt es den-
noch jener wilden öden verlassenen Berglandschaft, jenem durchwühlten, durchlöcherten und
durchfressenen Meeresgrunde eines ehemaligen diluvialen Sahara-Oceaues keinesweges au der
eigenartigsten Poesie. Das Flimmern und Glitzern des von der Sonne durchwärmten Bodens,
auf welchem -die beweglichen Lichtwellen wie horizontale Strömungen übereinander schwingen
und tanzen, erzeugt jene unheimlichen Luftspiegelungen, welche in weiter Ferne vor den
Augen des Wanderers wie magische Bilder entstehen und in neckischem Spotte emportauchen,
um immer wieder in ein leeres Nichts zu zerfliessen. Schimmernde Seen scheinen die Nähe des
Wassers anzudeuten, Berge und Hügelketten in den Lüften zu schweben, Palmenwälder uns
 
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