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Brugsch, Heinrich
Reise nach der grossen Oase El Khargeh in der libyschen Wüste: Beschreibung ihrer Denkmäler — Leipzig, 1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.3991#0022
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16

Urtheil), beträgt seine Länge die Mauerwand entlang von einem Ende bis zum andern
44 Meter, seine Breite dagegen 19 Meter. In der Hauptaxe von Westen nach Osten angelegt,
folgt die Anordnung der einzelnen Säle und Bäume dem altägyptischen Tempelschema. Auf
der Tafel VIII wird dem Leser der genaue Plan des Heiligthums vorgelegt, wie er sich nach
den Messungen und Aufzeichnungen S. K. H. des Erbgrossherzogs von Oldenburg ergeben hat.
Wir folgen iu der Beschreibung der einzelnen Tbeile der Entwicklung des Baues selber, wie er
durch Inschriften und Analogie ähnlicher Tempelanlagen in der gesichertsten Weise verbürgt ist.

Der Bau des Tempels begann mit dem Sanctuarium (E), welches für die Lage und
Grösse der übrigen Bäume den unvermeidlichen Maassstab abzugeben pflegte, da die Axe
des Tempels durch seine Mitte ging. Wie in den Inschriften anderer Tempel im Nilthale, so
wird auch hier in dem Oasentempel dieses Allerheiligste mit dem Namen des set-urt d. i.
„des grossen (d. h. erhabenen) Platzes" beehrt.

Zur rechten Seite des Sanctnariums führt eine Thür (XIII) zu einem Treppenraume, an
dessen der Tbüröffnung gegenüberliegenden Wand man durch eine viereckige ehemals durch eine
Steinvorlage versperrbare Oeffnuug in eine unterirdische inschriftenlose Krypta niedersteigt. Wie in
den Tempeln von Dendera und Edfu diente die letztere zur Abhaltung der geheimnissvollen
Gebräuche zu Ehren des unterirdischen Todtenkönigs Osiris.

Die steinerne Treppe hinaufsteigend gelangte der Besucher nach dem Dache des Tempels (H),
wo zwei besondere Gemächer (s. Taf. XIX. N und 0) dem Kulte desselben Osiris geweiht
waren.

Ein Saal (D), von 4 Säulen gestützt (die Deckenstücke sind hier, wie bei den folgenden
Sälen herabgestürzt und zum Tbeil verschwunden d. h. wohl zu andern Bauten in der späteren
Zeit verwendet worden), liegt unmittelbar vor dem Sanctuarium. Es ist der usey-hir-äb oder
„der Saal der „Mitte", wie er in den Inschriften der oben erwähnten Tempel genannt wird.
Besondere Eingänge (V. bis X.; führen zu je drei Gemächern rechter und linker Hand (N, 0, P
und Q, K, S), welche ehemals zur Aufbewahrung der Kleinodien, der Gewänder, der Opfer und
sonstiger Tempel-Utensilien ihre Verwendung fanden.

Durch ein breites Thor (III), ehemals durch eine Holzthür verschlossen, gelangte mau nach
Osten zu in einen schmalen Saalraum (C), der von vier Säulen, nebeneinander in grader
Linie stehend, getragen ward und den die Inschriften als den use% hotep oder „Opfersaal"
bezeichnen.

Vier Säulen, nebeneinander aufgestellt und durch zwischengeschobene niedrige Wandstücke
mit einander verbunden, mit Ausnahme der Ausgangsöffnuug (II), bilden die architektonische
Scheide zwischen dem eben beschriebeneu Saale C und dem folgenden grössten und aus-
gedehntesten Räume B, dessen Decke zwölf Säulen zu tragen bestimmt waren. Er entspricht
dem Xont oder „Vorsaal" in den übrigen Tempeln Aegyptens. Die Säulen sind mit nicht zu
verkennender Hast oberflächlich und leicht ausgeführt, die Pflanzen-Kapitale sogar nur nach
der Schauseite, dem Osten zu, sorgfältiger bearbeitet, wobei die Details bei einzelnen allein
durch buntfarbige Linien für das Auge angedeutet siud. Die inneren Wände dieses Saales
entbehren jedes Schmuckes der Ornamentik, jeder Abbildung und jeder inschriftlichen Beigabe.
Eine genauere Prüfung der ganzen Construction führt zu der Vermuthung, dass dieser Saal
die späte (römische?) Restauration einer älteren Anlage ist, welche aller Wahrscheinlichkeit
nach durch ein Erdbeben in ihren Grundvesten erschüttert ward und in sich zusammenstürzte.

Eine starke Vormauer mit je einem Gemache rechter und linker Hand, bildet die Vorder-
wand, gleichsam eine Art von Pylonenbau des Tempels und schliesst ihn nach aussen hin ab.

Das grosse Eingangsthor I führt zu einem halb zerstörten Vorraum oder Hofe A., dessen
 
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