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Brugsch, Heinrich
Reise nach der grossen Oase El Khargeh in der libyschen Wüste: Beschreibung ihrer Denkmäler — Leipzig, 1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.3991#0066
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vorhandenen Bäume stellen eine Halle dar, der Mehrzahl nach überwölbt, oftmals in Verbindung
mit dunkeln Seitengemächern, welche zur Aufnahme von Leichen gedient haben, wenn man
es nicht vorgezogen hatte, dieselben in brunnenartigen Schachten unterhalb der Grabkapellen
zu bestatten. Die inneren Gemächer sind weiss übertüncht gewesen; die Wände zeigen bis-
weilen noch wohl erhaltene Fresken oder Embleme des christlichen Kultus. Sie sind mit
tausenden von Inschriften der christlichen Epoche bedeckt, welche der Mehrzahl nach der kop-
tischen oder griechischen Sprache angehören, alte Erinnerungen an fromme oder neugierige
Besucher dieser Oertlichkeiten. Ein kurzes Studium der Inschriften und der Bauten in ihrer
Gesammtheit führt zu dem Resultat, dass die Nekropolis von Khargeh das Werk der ältesten
christlichen Bewohner der Oase von Khargeh war. Die Verstorbenen wurden nach altägyptischer
Weise einbalsamirt und umwickelt, und dem Boden des Felsens im Innern der Grabkapellen
übergehen. 'Während unseres Aufenthaltes an Ort und Stelle hatten wir selber Gelegenheit,
eine wohl erhaltene Mumie an das Tageslicht gefördert zu seilen. Die Reste von Knochen und
Fetzen von Leichenbinden liegen allenthalben zerstreut auf dem Boden umher. Trotz des
traurigen ersten Eindrucks liegt dennoch für den christlichen Besucher über der ganzen Stätte
eine gewisse Weihe, denn sie barg einst die letzten Beste jener getreuen Kämpfer für ihren
Glauben, welche in der Oase eine sichere, wenn auch einsame Zufluchtsstätte vor den Angriffen
der heidnischen Kaiser gefunden hatten. Das Kehrbild dazu zeigen ihre heutigen Nachkommen
in derselben Oase. Kein einziger davon hat den alten Glauben erhalten, sie sind ohne Aus-
nahme zur Religion des Islam übergetreten.

Wenn wir die kleinen Grabkapellen, welche die Strassen der altchristlichen Todtenstadt von
beiden Seiten begrenzen, als Mausoleen einzelner Familien betrachten dürfen, so zeigen andere
Bauten, wie derjenige, dessen Inneres auf Tafel VII dieses Buches abgebildet ist, einen so aus-
gedehnten Umfang, dass die Vermuthung nahe liegt in ihnen Grabkirchen vorauszusetzen, in
denen zur Erinnerung an die Todten gottesdienstliche Handlungen verrichtet wurden. Es ist
selbst wahrscheinlich, dass in den Seitengemächern die Leichname priesterlicher Personen nie-
dergelegt waren. Jene ausgedehnten Bauwerke, wenn auch stylistisch sehr einfach gedacht und
ausgeführt, stellten somit die Todtenkirchen der Todtenstadt dar.

Dass in den späteren Zeiten der Geschichte, nachdem das Christenthum allmählich anfing
Abschied von der Oase zu nehmen, die Kapellen einer gründlichen Zerstörung durch Nach-
suchungen schätzedurstiger Oasen-Bewohner oder Besucher von ausserhalb unterzogen wurden,
darf in so entlegenen Gegenden, in welchen selbst der lebende Mensch auf seine eigene Faust
zur Abwehr des Stärkeren angewiesen ist, keineswegs in Verwunderung setzen. Die altchrist-
liche Nekropolis hat den Vandalismus überleben müssen und nur die letzten Beste der noch
heute bestehenden Trümmer erinnern an eine für die Geschichte der christlichen Kirche bedeu-
tungsvolle Vergangenheit.

Die Tafel XX. enthält eine Auswahl von Inschriften, welche ich, so weit es die Kürze der
Zeit gestattete, während meines Aufenthaltes in der Nekropolis kopirt habe. Der Mehrzahl
nach rühren dieselben von koptischen Christen her, welche die ehrwürdige Stätte besucht
hatten. Bemerkenswert!] ist die griechische unter Nr. ü abgedruckte Inschrift, welche nach der
Mittheilung meines gelehrten Freundes, des Gymnasial-Directors Dr. H. Stein zn Oldenburg in
folgender Weise zu lesen und zu restituiren ist:

1. Av&Fiw v'ibg Max......[t]ov Mwydßeo)

2. anb xwfi^g ZS'w (?)......ig fiijTQÖtrolig

3. i] BoazQct. svTiywg [tiTi yQ]äipavTi v.al toi ära-

4. yivo)[a]y.ovrai.
 
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