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Brugsch, Heinrich
Reise nach der grossen Oase El Khargeh in der libyschen Wüste: Beschreibung ihrer Denkmäler — Leipzig, 1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.3991#0095
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Mit dieser Inschrift beschliesse ich die Besprechung der Oasen auf Grund der Angaben der
altägyptischen Denkmäler, von denen die Mehrzahl dem eigentlichen Aegypten angehört. Die
Monumente, welche sich noch heutigen Tages als letzte Eeste einer längst vergangenen Vorzeit
in den Oasen selber erhalten haben, insoweit sie uns selber zugänglich geworden sind, beschränken
sich auf die sehr geringe Zahl, welche wir in der Lage waren einer genaueren Betrachtung
zu unterziehen. Es steht zu erwarten, dass die Ausbeute, welche die von uns nicht gekannten
Denkmäler für die Geschichte, die Geographie und die Mythologie der Oasen im Alterthum
im Voraus versprechen, eine umfangreiche sein muss. Um so mehr ist es zu beklagen, dass
die Rohlfs'sche Expedition, welche sämmtliche Oasen der libyschen "Wüste besucht und mit
unermüdlichem Eifer durchforscht hat, verabsäumte in die Zahl ihrer Mitglieder einen
Aegyptologen von Fach aufzunehmen, der im Stande gewesen wäre an Ort und Stelle die
wichtigsten Denkmäler zu studiren und die werthvollsten Inschriften zu copiren. Welche
Ausbeute und welchen Gewinn für die Wissenschaft würden nicht allein die Tempelreste
der Oase von Siwah trotz ihres verfallenen Zustandes geliefert haben! Wo der Laie trotz
aller Sorgfalt nur zerstörte Texte und scheinbar bedeutungslose Zeichen sieht, entdeckt das
Auge des Forschers oftmals die werthvollsten Spuren historischer Ueberlieferungen. Nachdem
die so günstige Gelegenheit einer Erforschung der Oasen nach der archäologischen Seite hin
in Folge der Abwesenheit eines Aegyptologen bei der gedachten Expedition zum grossen Nach-
theil der Wissenschaft verloren gegangen ist, denn die heimgebrachten photographischen Abbil-
dungen der Oasen-Tempel können bei aller Vortrefrlichkeit in der Ausführung nur einen sehr
schwachen Ersatz bieten — da sie mehr anreizen als befriedigen —, bleibt uns nur übrig
den Wunsch auszusprechen, dass irgend eine erleuchtete Regierung oder ein reicher Privat-
mann sich gedrungen fühlen möchte, die Kosten für eine wissenschaftliche Expedition nach den
Oasen zur Erforschung der Denkmäler des Alterthumes einem Gelehrten von Fach zur Verfügung
zu stellen, um für die Wissenschaft zu retten was vielleicht bald für ewige Zeiten verloren
gehen wird. Der Erfolg muss und wird ein ausserordentlicher sein und reichlich die Kosten
und Mühen lohnen, welche von einer Ausfahrt in die todte Wüste der libyschen Erde unzer-
trennlich sind. Von vorn herein glaube ich versichern zu können, dass die Kenntniss derselben
auch für die Geschichte der ältesten Bewohner Libyens ihre reichen Früchte tragen und Licht
verbreiten würde auf einem Gebiete, welches nach den vereinzelten Angaben der ägyptischen
Denkmäler darüber zu den lehrreichsten und merkwürdigsten Abschnitten der ältereu Ge-
schichte Afrika's gehört. Möchte meine schwache Stimme desshalb nicht ungehört verhallen,
sondern Veranlassung werden durch grossmüthige Unterstützung Seitens derer, die es ver-
mögen, die gestellte Aufgabe zu lösen — so lange es noch Zeit ist. Mau opfert zur Erforschung
des afrikanischen Coutinentes der Gegenwart so gewaltige Summen und begeisterte Reisende
unterziehen sich ohne Rücksicht auf Leben und Gesundheit den grossen Schwierigkeiten, welche
mit der Aufsuchung unbekannter Gegenden und ihrer Bewohner verbunden sind; warum sollte
man nicht die Mittel bewilligen für eine Entdeckungsreise in eine Vergangenheit Afrika's,
welche die Beweise liefern wird, dass selbst bis in die Wüste hinein der Mensch es einst
verstanden hat. die schlummernden Keime der Natur zu vollem segensreichen Leben zu er-
wecken und üppige baumreiche Ansiedelungen zu schaffen, Städte und Tempel zu bauen, Ko-
lonien zu gründen da, wo heute Armuth und Verwüstung, Oede und Leere dem Wanderer auf
den verlassenen Gebieten eines vielbewegten Völkerlebens des Alterthumes wie Hohn und
Spott auf sein gesunkenes Geschlecht entgegenstarren?

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