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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Oberdeutsche Kunst der Spaetgotik und Reformationszeit — Augsburg, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.29752#0153

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HEINRICH FEURSTEIN /ZUR DEUTUNG DES BILDGEHALTES

BEI GRÜNEWALD

Das ausbündige Wesen dieses großen Malers,
von dem uns Joachim Sandrart berichtet,
äußert sich nicht nur in der Ausdruckswelt von
Form und Farbe, sondern auch im Gehalte seiner
Bilder. Leiderist der Schlüsselzur Deutungseiner
Werke, der z. B. bei Dürer in einer lückenlosen,
von großer Hochschätzung getragenen Überlie-
ferunggegebenist,bei Grünewaldverloren.Schon
Sandrart beklagt es um 1675, „daß dieser ausbün-
clige Maler dermaßen mit seinen Werken in Yer-
gessenheit geraten, daß er nicht einen Menschen
mehr bei Leben weiß, der von seinem Tun nur
eine geringe schriftliche oder mündliche Nach-
richt geben könnte“.1

Daß der Name des Meisters schon Ende des 16.
Jahrhunderts für weite Kreise verschollen war,
ergibt sich aus einer bisher unbeachteten Notiz
in den Mitteilungen des Fürstlichen Archivs zu
Donaueschingen,2 worin der Oberststallmeister
Kaiser Rudolf II., Graf Albrecht zu Fürstenberg,
am 9.Februar x 598 von Prag aus seine Oberamt-
leute im Kinzigtal auffordert, „mitWehinger zu-
sammen bei dem Maler in Freiburg, der in Donau-
eschingen wiederholt gebraucht worden sei, nach-
zufragen, wie der Maler geheißen habe, der die
Altartafeln zu Isenheimb gemalt habe“. Die An-
frage erklärt sich aus den bekannten Ankaufsab-

1) Bei SclimidH. A., die Gemälde und Zeicknung-en von Mathias
Grünewald. Straßburg 1911. Textband S. 501.

2)11. Band Tübingen 1902 No. 964. Der Maler, der hier gefragt
werden soll, ist ohne Zweifel Bartel Bruyn ,,Contrafeder aus
Köin. ehedem in Diensten des Kardinals von Lothringen“,
der u. a. auf Schloß Heiligenbergmalt, und für den sich Graf
Friedrich zu Fürstenberg einsetzt, als er wegen Kaufhandels
von der Stadt Freiburg gerichtlich verfolgt wurde. Aus den
Freiburger Ratsprotokollen und Missivbüchern ergibt sich,
daß dieser Bruyn Beziehungen zur vorderösterreichischen
Regierung in Ensisheim bei Isenheim und zum Amtmann
von Erstein im Elsaß hatte. (Letztere Mitteilung verdanke
ich Herrn Stadtarchivar Dr. Hefele.)

sichten desKaisers. Leider ist die Antwort weder
im Donaueschinger Archiv, noch in den Wiener
Archiven enthalten. Sie hätte rnit einem Schlage
die neuerdings von Zülch3 und Rolfs4 ernsthaft
gestellte Frage nach den Personalien des Meisters
zu lösen vermocht.

I. Die Forschung hat sich nun früh dem eigen-
artigen Stoffgehalt der Grünewaldschen Bilder
zugewendet, und zwar setzten die Deutungsver-
suche begreiflicherweise bei dem Hauptwerk des
Meisters, dem Isenheimer Altar, ein. Vor allem
hat clie das übliche Schema verlasseu.de Haupt-
darstellung mit der Madonna in der Landschaft,
dem Engelkonzert und der mystischen weibli-
chen Figur, die sich anbetend der Bildmitte zuzu-
wenden scheint, die Beachtung auf sich gezogen.
Diese geheimnisvolle Gestalt unter dem Poi'tal-
bogen ist es vor allem. gewesen, die zu den wil-
desten Deutungen Anlaß gegeben hat. Wenn. wir
von der unmöglichen Bestimmung Woltmanns
absehen, cler in der Figur den Erzengel Gabriel
sah,5 so hat Franz Xaver Kraus in Anlehnung an
eine an Ort und Stelle noch im 18. Jahrhundert
lebendige Überlieferung als erster eine Bestim-

3) Zülch, Repertorium f. Kunstwiss. 1917 S. 120 ff. und 1921
S. 16 ff. — Inzwischen ist Matliis Gothardt als ,,des Kur-
fürsten von Mainz Maler“ durch einen glücklichen Archiv-
fund von Frl. Thiemann, die den Spuren Zlilchs folgte, nach-
gewiesen. Siehe darüber Ziilch im Kunstwanderer 1924.

4) Rolfs, die Grünewaldlegende. Kritische Beiträge zur Grüne-
waldforschung. Leipzig, 1922. Der Verfasser zieht aus dem
von Zülch geschöpften Material die u. Er. richtige Folge-
rung, daß der Maler niemals Grünewald hieß, sondern mit
Mathias Neithart oder Gothart vonWürzburg gleichzusetzen
ist, der 1528 vor Sept. 1. im Dienste der Stadt Halle a. d. S.
stirbt. Dagegen ist der stilvergleichende zweite Teil des
Buches, der Grünewald mit dem Ulmer Holzschnitt und der
Ulmer Glasmalerschule des Hans Wild in Verbindung bringt
und die Ulmer und Würzburger Familien Neithart zusam-
menwirft, unbedingt abzulehnen.

5) Woltmann, Gesch. der deutschen Kunst im Elsaß, Leipz. 1876.
 
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