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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Oberdeutsche Kunst der Spaetgotik und Reformationszeit — Augsburg, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.29752#0276

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AUGUST L. MAYER / EIN UNBEKANNTES BILDNIS
IIANS HOLBEINS DES JÜNGEREN

In den letzten Monaten des Jahres 1925 tauchte
in Paris ein männliches Brustbild auf, das aus
polnischem Besitz stammte und von seinemEigen-
tümer als Arheit des jüngeren Holbein angesehen
wurde. Kein Pariser Experte oder Händler wollte
aber das Bild als Holbeinbestätigen oder garlcaufen.
Schließlich fand sich ein Mann, der auf gut Glück
das Gemälde erwarb. Es war nicht nur mit einer
dicken, trüben Firnisschicht überzogen, sondem
auch die Inschrift schien nicht ganz einwandfrei,
der Grund war schwärzlich. Bei der Reinigung,
der ich beiwohnte, lösten sich die Übermalungen
mühelos: es erschien statt der gelblichen Inschrift
die schwarze Holbeinschrift, es verschwand d.ie
Pseudosignatur PB amEnde der späteren Signatur
und der für Holbein so charaktei'istische blaue
Hintergrund kam zumVorschein. Kleine Beschä-
digungen am linken Auge des Porträtierten und
am Bart traten zutage, ebenso leichte Abschürf-
ungen derFarbe an denHänden. Im großen und
ganzen jedoch erwies sich dasWerk als gut er-
halten.

Die Technilc, die Qualität der Malerei, die Kraft
des Ausdrucks, die eigentümliche Größe, Kühle
und Eindringlichkeit der Gestaltung und Men-
schenschilderung ließen keinen Zweifel mehr zu,
daß es sich hier um eine eigenhändige Arbeit
von Hans Holbein dem Jüngeren handelt. Der
berufenste Kenner der Materie, Paul Ganz, hat
inzwischen das Bild gleichfalls geprüft und nicht
gezögert, das Bild alsWerk des jüngeren Holbein
anzusprechen.

Auf Eichenhol z gemalt, 0,4 9ämhochundo,3g5m
breit, weist das Porträt die Inschrift ANNO 1538
AETATIS SUAE 33 auf. Auch wenn es nicht
datiert wäre, würde man es ohne weiteres in die
spätere englische Zeit des Meisters setzen. Das
Wappen, den der SiegelringdesMannes aufzeigt,
ist noch nicht identifiziert. Es ist aber so gut wie
sicher, daß der hier Porträtierte ein Mitglied der
deutschen Hansa in London war; die Herkunft
des Bildes läßt zunächst den Schluß zu, daß der
Dargestellte aus einer der ostdeutschen Hansa-
städte stammte.

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