Cornelianern nebensächlich, dem breiteren Publikum
dagegen, mit seinem wachsenden Interesse für Natur
und Genre, iieb und wert ist. Dies alles ist in reiner
Sprache knapp und klar dargestellt, von höherer Warte
gut gesichtet und gewertet. Es ist mit vollem Recht
der Maler der Soldatenbilder und Schlachtenzyklen —
die einst auf der Berliner Jahrhundertausstellung Auf-
sehen erregten — als der Aleister einer neuen Kunst
erwiesen, die, mehr der Landschaft als dem Kostüm
oder der Kriegsgeschichte verpflichtet, dem Geiste ro-
mantischerNaturanschauungverwandt erscheint. Viel-
leicht wäre es gut gewesen, dem Kunstwesen und der
Technik ein eigenes Kapitel einzuräumen. Es wäre dies
der Genealogie dieser Landschaftskunst nur zugute ge-
kommen. Der Verfasser hai die Zusammenhänge wohl
erkannt, doch hätte man dann noch klarer ersehen,
daß die Anfänge dieser Landschaftsmalerei in Willes
Pariser Zeichenschule zu suchen sind — ich denke an
die ungewöhnlichen Zeichenausflüge in die Natur, an
denen auch Vater Ferdinand oftmals teilnebmen durfte.
Von Paris aus wirken die neuen Anregungen nach der
Schweiz (Bern) wie in die Kurpfalz (Mannheim), und
es ist gewiß kein Zufall, daß zwischen den bekannten
Prospekten der Schweizer (Aberli und seine Nachfoiger)
formal und technisch enge Zusammenhänge mit den
badischen Blättern und zumal mit Kobells Aquarellen
und Graphikenbestehen. Die bunte zartellluminierung
dieser Radierungen — sie sind eigentlich graphischer
Ersatz für die Originalblätter, bedingt durch die starke
Nachfrage der Reisenden; man vergleiche die Aberli-
Manieren! — die auffallende Vergrauung aller Farben
zugunsten einer neuen Helligkeit, die an dänische
Kunst erinnert, kurzum, diese altkluge Farbidealität,
die dem )ungen Formnaturalismus immer noch jenen
klassizistischen Stilcharakter gibt, wird in dieser Meta-
morphose nur so verständlich. Doch soll neben dem
ästhetischen auch der psychologische Gew'inn betont
werden. Durch die sachlich eindringliche Forschung
I.essings, der alles Monologische zuiückwies, wird uns
nun Kobells vornehme Persönlichkeit der beste Dol-
metscher zu seinem Werk. Wir verstehen, wie der be-
haglichegepflegteLandedelmanndie vertrautebayrische
Natur, Landleute, adlige Reiter und Jäger, ohne jene
städtische Sentimentalität der Folgezeit, in Raum und
Weite klar und scharf erfaßt, wie der Freund des Frei-
lichts — der eigentlich kein Bildnismaler ist — aus
gelassener Ruhe mit einem durch Goethes Lehren ge-
schärften Blick neue Farb- und Linienwerte der Um-
welt entdeckt, die er mit spitzem Stift und spitzer Nadel
in der Kurzschrift seiner köstlichen Graphik umschreibt.
Seine sorgliche gepflegte Malkultur, die sich nur in
kühnen Aquarellstudien kursive Handschrift erlaubt,
die Nettigkeit und Brillianz seiner P'arbe, die kindliche
Wesentlichkeit und Seelenkunde seines Alterstiles, dies
alles erwächst organisch aus dem Gesetz, wronach er
angetreten. W'ir verstehen, was Goethe, der schon den
Vater verehrt hatte, in seiner Kunst schätzen mußte,
und daß diese Ehrfurcht vor der Natur doch mebr als
eine Kunstanschauung ist, die dem Gesetz der Zeit ge-
horcht. Lessings Buch, das durch Zucht und Ernst,
Fleiß und Geduld, Bescheidenheit und Gelassenheit,
einen eigenen und jenerneubelebtenKunst ebenbürtigen
W^ert besitzt, ist uns eine seltene, vielversprechende
Freude und sei deshalb gern und nachdrücklich emp-
Fritz Herbert Lehr. Die Bliitezeit roman tischer
Bildkunst. / F r a n z P f o r r, d e r M e i s t e r d e s
Lukasbundes. Verlagdes kunsthistorischenSemi-
nars der Universität Marburg an derLahn, 1924.
Ober- und Untertitel dieses Buchesmüßten umgestellt
werden, denn der Untertitel „Franz Pforr, der Meister
des Lukasbundes“ gibt den eigentlichen Inhalt der um-
fangreichen Arbeit Lehrs an, während im Obertitel nur
das Ziel angedeutetist, dem derVerfasser zustrebt: näm-
lich durch gründliche Behandlung des Einzelfalles zu
aligemeinen Erkenntnissen über den Stil der romanti-
schen Bildkunst zu gelangen. Es mag befremden, daß
über einen mit 24 Jahren verstorbenen Künstler, von
dem außer freilich zahlreichen Zeichnungen nur vier
Bilder bekannt sind, eine Biographie von über 300 Seiten
geschrieben werden konnte, aberFritz HerbeitLehr ver-
mochtedurchBeschaffungdes reichen handschriftlichen
Quellenmaterials von und über Pforr die dürftigeLebens-
beschreibung wirklich zu einem wertvollen Dokument
zur Geschichte der romantischen Kunst zu erweitern.
Es gehört zum Wesen des Romantischen, daß es weder
im Erlebnis noch im Begriff je erfaßt werden kann, so
daß jeder Beitrag, jede neue Nuance der Beurteilung er-
wünscht ist, auch wenn dasTotale der Romantik damit
nieerschöpfend umschrieben w'erden kann. Nur das Rlas-
sische ist ein feststehender Begriff, über den sich nicht
mehr streiten läßt.
Franz Pforr wurde am 5. April 1788 alsSohn einesMalers
in Frankfurt geboren. Mit 12 Jahren schonWaise, wutrde
er von seinen Gönnern undVormündern Passavant und
Sarasin zu seinem Onkel, Galerieinspektor J.Tischbein
zur Ausbildung der ererbten künstlerischen Begabung
nach Kassel gebracht (1801). Im Jahre 1806 begab er
sich an die unter der Leitung Fügers stehende W'iener-
Akademie, wo er sich an den Lübecker Joh. Friedrich
Overbeck anschloß und bald mit einigen andern Freun-
den zum Protest gegen den akademischen Schlendrian
und zur Pflege einer strengen Zeichnungskunst den
Lukasbund gründete. In den Wiener Jahren entstanden
die Bilder „Einzug des Kaisers Rudolf von Habsburg in
Basel“, „Der Graf vonHabsburg und der Priester“, „Der
Hl. Georg“ und „Sulamith undMaria“, dem Inhaltnach
allemittelaIterlich-ritterlich-romantisch,derFormnach
akademisch-klassizistisch-flächig im Sinne der Pariser
Schule Davids, dessen Art in Wien verdünnt und ver-
süßt erschien und von den jugendlich abstraktenKöpfen
total mißverstanden und in ein Linears}rstem verhärtet
und verkrustet wurde, einVorgang, den Lehr merkwür-
digerweise die Erfüllung des romantischen Stil-Ideals
nennt. Der Lukasbund entfloh mit gesundem Instinkt
den unerquicklichen Wiener Verhältnissen und zog in
313
dagegen, mit seinem wachsenden Interesse für Natur
und Genre, iieb und wert ist. Dies alles ist in reiner
Sprache knapp und klar dargestellt, von höherer Warte
gut gesichtet und gewertet. Es ist mit vollem Recht
der Maler der Soldatenbilder und Schlachtenzyklen —
die einst auf der Berliner Jahrhundertausstellung Auf-
sehen erregten — als der Aleister einer neuen Kunst
erwiesen, die, mehr der Landschaft als dem Kostüm
oder der Kriegsgeschichte verpflichtet, dem Geiste ro-
mantischerNaturanschauungverwandt erscheint. Viel-
leicht wäre es gut gewesen, dem Kunstwesen und der
Technik ein eigenes Kapitel einzuräumen. Es wäre dies
der Genealogie dieser Landschaftskunst nur zugute ge-
kommen. Der Verfasser hai die Zusammenhänge wohl
erkannt, doch hätte man dann noch klarer ersehen,
daß die Anfänge dieser Landschaftsmalerei in Willes
Pariser Zeichenschule zu suchen sind — ich denke an
die ungewöhnlichen Zeichenausflüge in die Natur, an
denen auch Vater Ferdinand oftmals teilnebmen durfte.
Von Paris aus wirken die neuen Anregungen nach der
Schweiz (Bern) wie in die Kurpfalz (Mannheim), und
es ist gewiß kein Zufall, daß zwischen den bekannten
Prospekten der Schweizer (Aberli und seine Nachfoiger)
formal und technisch enge Zusammenhänge mit den
badischen Blättern und zumal mit Kobells Aquarellen
und Graphikenbestehen. Die bunte zartellluminierung
dieser Radierungen — sie sind eigentlich graphischer
Ersatz für die Originalblätter, bedingt durch die starke
Nachfrage der Reisenden; man vergleiche die Aberli-
Manieren! — die auffallende Vergrauung aller Farben
zugunsten einer neuen Helligkeit, die an dänische
Kunst erinnert, kurzum, diese altkluge Farbidealität,
die dem )ungen Formnaturalismus immer noch jenen
klassizistischen Stilcharakter gibt, wird in dieser Meta-
morphose nur so verständlich. Doch soll neben dem
ästhetischen auch der psychologische Gew'inn betont
werden. Durch die sachlich eindringliche Forschung
I.essings, der alles Monologische zuiückwies, wird uns
nun Kobells vornehme Persönlichkeit der beste Dol-
metscher zu seinem Werk. Wir verstehen, wie der be-
haglichegepflegteLandedelmanndie vertrautebayrische
Natur, Landleute, adlige Reiter und Jäger, ohne jene
städtische Sentimentalität der Folgezeit, in Raum und
Weite klar und scharf erfaßt, wie der Freund des Frei-
lichts — der eigentlich kein Bildnismaler ist — aus
gelassener Ruhe mit einem durch Goethes Lehren ge-
schärften Blick neue Farb- und Linienwerte der Um-
welt entdeckt, die er mit spitzem Stift und spitzer Nadel
in der Kurzschrift seiner köstlichen Graphik umschreibt.
Seine sorgliche gepflegte Malkultur, die sich nur in
kühnen Aquarellstudien kursive Handschrift erlaubt,
die Nettigkeit und Brillianz seiner P'arbe, die kindliche
Wesentlichkeit und Seelenkunde seines Alterstiles, dies
alles erwächst organisch aus dem Gesetz, wronach er
angetreten. W'ir verstehen, was Goethe, der schon den
Vater verehrt hatte, in seiner Kunst schätzen mußte,
und daß diese Ehrfurcht vor der Natur doch mebr als
eine Kunstanschauung ist, die dem Gesetz der Zeit ge-
horcht. Lessings Buch, das durch Zucht und Ernst,
Fleiß und Geduld, Bescheidenheit und Gelassenheit,
einen eigenen und jenerneubelebtenKunst ebenbürtigen
W^ert besitzt, ist uns eine seltene, vielversprechende
Freude und sei deshalb gern und nachdrücklich emp-
Fritz Herbert Lehr. Die Bliitezeit roman tischer
Bildkunst. / F r a n z P f o r r, d e r M e i s t e r d e s
Lukasbundes. Verlagdes kunsthistorischenSemi-
nars der Universität Marburg an derLahn, 1924.
Ober- und Untertitel dieses Buchesmüßten umgestellt
werden, denn der Untertitel „Franz Pforr, der Meister
des Lukasbundes“ gibt den eigentlichen Inhalt der um-
fangreichen Arbeit Lehrs an, während im Obertitel nur
das Ziel angedeutetist, dem derVerfasser zustrebt: näm-
lich durch gründliche Behandlung des Einzelfalles zu
aligemeinen Erkenntnissen über den Stil der romanti-
schen Bildkunst zu gelangen. Es mag befremden, daß
über einen mit 24 Jahren verstorbenen Künstler, von
dem außer freilich zahlreichen Zeichnungen nur vier
Bilder bekannt sind, eine Biographie von über 300 Seiten
geschrieben werden konnte, aberFritz HerbeitLehr ver-
mochtedurchBeschaffungdes reichen handschriftlichen
Quellenmaterials von und über Pforr die dürftigeLebens-
beschreibung wirklich zu einem wertvollen Dokument
zur Geschichte der romantischen Kunst zu erweitern.
Es gehört zum Wesen des Romantischen, daß es weder
im Erlebnis noch im Begriff je erfaßt werden kann, so
daß jeder Beitrag, jede neue Nuance der Beurteilung er-
wünscht ist, auch wenn dasTotale der Romantik damit
nieerschöpfend umschrieben w'erden kann. Nur das Rlas-
sische ist ein feststehender Begriff, über den sich nicht
mehr streiten läßt.
Franz Pforr wurde am 5. April 1788 alsSohn einesMalers
in Frankfurt geboren. Mit 12 Jahren schonWaise, wutrde
er von seinen Gönnern undVormündern Passavant und
Sarasin zu seinem Onkel, Galerieinspektor J.Tischbein
zur Ausbildung der ererbten künstlerischen Begabung
nach Kassel gebracht (1801). Im Jahre 1806 begab er
sich an die unter der Leitung Fügers stehende W'iener-
Akademie, wo er sich an den Lübecker Joh. Friedrich
Overbeck anschloß und bald mit einigen andern Freun-
den zum Protest gegen den akademischen Schlendrian
und zur Pflege einer strengen Zeichnungskunst den
Lukasbund gründete. In den Wiener Jahren entstanden
die Bilder „Einzug des Kaisers Rudolf von Habsburg in
Basel“, „Der Graf vonHabsburg und der Priester“, „Der
Hl. Georg“ und „Sulamith undMaria“, dem Inhaltnach
allemittelaIterlich-ritterlich-romantisch,derFormnach
akademisch-klassizistisch-flächig im Sinne der Pariser
Schule Davids, dessen Art in Wien verdünnt und ver-
süßt erschien und von den jugendlich abstraktenKöpfen
total mißverstanden und in ein Linears}rstem verhärtet
und verkrustet wurde, einVorgang, den Lehr merkwür-
digerweise die Erfüllung des romantischen Stil-Ideals
nennt. Der Lukasbund entfloh mit gesundem Instinkt
den unerquicklichen Wiener Verhältnissen und zog in
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