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Buchner, Ernst; Jantzen, Hans [Gefeierte Pers.]
Das deutsche Bildnis der Spätgotik und der frühen Dürerzeit: [Hans Jantzen zum 70. Geburtstag] — Berlin, 1953

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https://doi.org/10.11588/diglit.31127#0062
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gene Brauen, mürrisch geschlossener Mund, auf dessen Oberlippe B'ärtstoppeln nisten, Schrägfalten
stoßen von den Nasenflügeln abwärts, die Querfalte über dem Kinn vervollständigt das Falten-Drei-
eck, eine Warze haust in der Mitte der rechten Wange. Geschmeichelt hat dieser unerbittliche Konter-
fetter wahrlich nicht.

Die straffe, konzentrierte Bildfügung hat zunächst an ein wesentlich späteres Entstehungsdatum den-
ken lassen. Jedoch zeigt ein Blick auf den um oder noch vor 1460 entstandenen Löwenstein des Flans
Pleydenwurff (Abb. 138), daß vergleichsweise frühe Bildnisse erstaunlich reif wirken und mit zu den
stärksten Lösungen spätgotischer Porträtmalerei gehören können.

48. OBERSCFfWÄBISCHER MEISTER unter niederländischem Einfluß, Bildnis des Johann Gams-
pirsch.

Schwer einzuordnen ist das ernste, charaktervolle Bildnis eines energischen Mannes in mittleren Jahren
(Heidelberg, Kurpfälzisches Museum) (Abb. 51), der in den Händen einen Brief mit einer heute sehr ver-
wischten Inschrift hält. Er vertritt den innerhalb der altdeutschen Porträtkunst seltenen Bildnistypus mit
Vorhang und-seitlichen Landschaffsausblicken. Das tiefe Violettbraun der weiten, an den Ärmeln sich bau-
schenden Schaube, das Schwarz von Kappe, Schultertuch, Säulen und das warme Olivgrün des Vor-
hangs bilden den ernsten, farbigen Grundklang. Gelbliches mattrosa Inkarnat, von stumpfbraunen Lok-
ken gerahmt. Die mit mageren „kralligen“ Fingern das weiße Blatt haltenden Hände lockern die Basis
der dunklen Gestalt auf, während an den Seiten die schmalen, steilen Landschaftsschlitze (mit kühl-
blauer Vegetation) Luft schaffen. Die Schräge, die durch die Helligkeiten der Handpartie und des Ant-
litzes gegeben ist, wird durch den Kontur des rechten Ärmels und den Schwung des sich einbuchtenden
Vorhangsaumes verstärkt, doch sorgen die Senkrechten von Säulen, Gewänd und Vorhangfalten und
die durchgehende Waagrechte des Horizonts für die Festigung des Bildbaues. Das männlich herbe Änt-
litz wird durch die vorspringende breite Hakennase und das große Kinn beherrscht. Die graublauen
Augen blicken am Beschauer vorbei. Die Oberlippe überlagert die schmale, knappe Unterlippe. Das
schwarze Geschnür des vorlugenden Wamskragens markiert den Hals. Mit spröder Schärfe sind die
faltenreiche Augenpartie und die hartgriffigen Hände durchgeformt. Auf dem Brief, dessen Schrift
durch eine zu scharfe „Reinigung“ bis zur Unkenntlichkeit verunklärt worden ist, ist nach älterer An-
gabe „Johan Gamspirsch (?)... suo agenti a Ravespurg“. geständen. Der rassige Charakterkopf würde
nicht übel zu einem oberschwäbischen Kaufherrn aus der alten Handelsstadt Ravensburg passen. Aber der
starke niederländische Einschlag der Malerei (Form der Säulen, Landschaftsstilisierung), der Farbträger
(Eichenholz) und der kielbogenförmige obere Abschluß, wofür es in Köln Analoga (Sebastiansmarter und
Kreuzabnahme von einem Schüler des Marienleben-Meisters, Bonn) gibt, sprechen entschieden für nie-
derrheinische oder niederländische Schulung. Wo die Werkstatt zu suchen ist, dafür fehlen zur Zeit noch
brauchbare Anhaltspunkte. Die scharf und trocken gezeichneten Hände scheinen mir auf einen ober-
schwäbischen Meister zu weisen, der möglicherweise in Ravensburg saß. Die Hohlkehle des Rahmens
ist mit geschnitzten Rosetten geschmückt, während auf dem roten Wasserschlag der fromme Spruch „be-
nedictus deus in doms meis — 1484“ („Herr sei gegrüßt in meinem Haus") steht.

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