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Buchner, Ernst; Jantzen, Hans [Gefeierte Pers.]
Das deutsche Bildnis der Spätgotik und der frühen Dürerzeit: [Hans Jantzen zum 70. Geburtstag] — Berlin, 1953

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https://doi.org/10.11588/diglit.31127#0106
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zusammengeschobenen Untergesicht, dem feisten Bäuchlein und der emporgereckten großen Zehe ein
fast zu allgäuischer Typus, — angelegentlich zu ihm um, obwohl es sonst gewohnt ist, die Paternoster-
schnur dem heiligen Dominicus, dem Inaugurator der Rosenkranzverehrung, zu überreichen. Andert-
halb Jahrhunderte oder noch mehr mußte es ins Leere blicken, jetzt ist der Stifler wieder da. Möge
die Stiftertafel bald dort auftauchen, wohin sie sinngemäß gehört!

Es hat sich noch ein annähernd gleichgroßer Flügel eines zweiten, nicht unwesentlich früher gemalten
Bildnisdiptychons Bernhard Strigels in deutschem Privatbesitz erhalten, eine Maria mit Kind im tep-
pichgeschmückten Steingemach (Textabb. 25), das sich links zu einem reizvollen Landschaftsblick auf
eine flußumspülte Stadt öffnet. Es wäre nun freilich für unser Korpus schicklicher gewesen, wenn sich an-
statt der Madonna der Stifter erhalten hätte. Aber auch der linke Flügel war ja mit einem Bildnisauf-
trag verbunden — und vielleicht zieht er gar durch seine Veröffentlichung den verlorengegangenen Stif-
ter an.

Die Zugehörigkeit zu einem Bildnisdiptychon erweist die nach rechts tendierende Geste des Kindleins,
das sich mit leicht erhobener Rechten für die große, auf der Brüstung liegende Nelke zu bedanken scheint.
Die Gesamtanlage und auch einzelne Züge (Beine des Kindes) gehen auf Schongauers frühe Mutter Got-
tes mit dem Papagei (B. 29) zurück, doch bleibt der junge Strigel keineswegs am Vorbild hängen und
variiert es mit Geschick und Laune. Früh, spätgotisch herb der hochstirnige Frauentypus und die grotes-
ken Spinnenfinger Mariä.

105. BERNHARD STRIGEL, Bildnis eines jungen Mannes als Bräutigam.

Die naive Freude am festlichen Kleid verkündet das lichtfarbige Bildnis eines stattlichen Bräutigams, das
Strigel 1502 gemalt hat (Abb. 106). An der Autorschaft Strigels, die zuerst Max J. Friedländer erkannt hat,
kann kein Zweifel bestehen. Nicht nur die milde, temperierte Form und die reife, schönfarbige Malerei,
auch signifikante Einzelheiten, wie die von leichten Schnörkeln umspielten Ziffern der Jahreszahl, die
in zwingender Verwandtschaft auf dem burlesken Helldunkelblatt („Der 'Wbllustteufel reitet ein unglei-
ches Paar“), das Strigel im gleichen Jahr gezeichnet hat (Berlin, Kupferstichkabinett), sprechen entschie-
den für den Memminger Konterfetter. Auf dem flachen Barett mit der weißen, mit Goldknöpfchen gar-
nierten Federpracht sitzt der Bräutigamsreif mit den weißen und roten Nelken und dem Verlobungs-
ring. Die Linke mit dem Siegelring, der uns vielleicht einmal als Schlüssel für die Feststellung des Darge-
stellten dienen kann, begnügt sich nicht, wie sonst üblich, mit einer Blume, sondern sie hält ein schön ge-
bundenes Sträußchen, bei dem auch das Grünzeug nicht vergessen ist. Das höchst effektvolle Festgewand,
der mit breiten und schmalen, schwarzen Streifen besetzte, gelbe Kragen, ist um die gewichtigen Schul-
tern geworfen. In das plissierte Hemd ist ein flügelbreitender Adler eingesteppt. Vor dem lichtroten
Grund das blondgelockte, blühende Gesicht mit der energischen Nase. Man spürt, daß die Jahrhundert-
marke überschritten ist. Der Bildbau ist fest und gedrungen. Ein urgesundes, glückhaftes Verlobtenbild.
Schade, daß das antwortende Bildnis der Verlobten fehlt.

106. BERNHARD STRIGEL, Bildnis des Hieronymus Haller 1503.

In der Absicht, den Dargestellten würdevolle Feierlichkeit zu verleihen, verfällt Strigel gelegentlich in
ein gewisses monotones Phlegma. So auf dem milden Bildnis des Nürnberger Kaufmanns Hieronymus
Haller (München, Alte Pinakothek, Abb. 105), das auf dem alten Rahmen 1503 datiert war. Vor dem
Steingrau die sonoren, schwarzen und dunkelbraunen Töne der vornehmen Gewandung, aus denen das

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