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Chroniken und Weltbeschreibungen 117

ser jeder sampt synem kriecht«.10 Zu diesen »Knechten« zählte - neben einem
Dolmetscher und einem Koch - auch der Maler Erhard Reeuwich.1' Schon die
Tatsache, daß man einen »Bildberichterstatter« mitnahm, der das Merk-Wür-
dige bildlich festhalten sollte, spricht dafür, daß neben religiösen Zielen auch
Erkenntnis- und Wissensdrang ein wesentliches Motiv für diese Reise gewesen
sein mögen.12 Reeuwichs auf Reisen gefertigte Zeichnungen dienten später als
Vorlage für die Illustrationen des Buches. Gerade die 25 Holzschnitte, die nach
seinen Entwürfen gefertigt wurden, haben vermutlich nicht unwesentlich zum
Erfolg von Breydenbachs Werk beigetragen.13 Allein bis zum Jahr 1525 waren
zwölf Auflagen in fünf verschiedenen Sprachen gedruckt worden.14 Besonders
die verschiedenen chorographischen Illustrationen und Städtebilder mögen
schon die Zeitgenossen fasziniert haben, so zum Beispiel die erste topographi-
sche Ansicht: das Bild der Stadt Venedig.15 Sie ist von vier Stöcken gedruckt, 26
Zentimeter hoch, und hat auseinandergefaltet eine Länge von mehr als an-
derthalb Metern. Zwar hat Reeuwich keine chorographische Aufnahme von ab-
soluter topographischer Exaktheit und perspektivischer Richtigkeit geschaffen,
doch ist die Stadt Venedig in ihren wesentlichen Zügen wirklichkeitsgetreu wie-
dergegeben.16 Durch ihre künstlerische Qualität und ihre topographische Ge-
nauigkeit, die in der Buchillustration ihrer Zeit ohnegleichen ist, nehmen die
Illustrationen zu Breidenbachs »Peregrinatio« eine Sonderstellung ein.17

Reeuwichs Holzschnitte waren vorbildlich, auch für die Illustrationen des
berühmten »Liber chronicarum« des Nürnberger Arztes und Humanisten Hart-
mann Schedel (1440-1514).18 Diese sogenannte »Schedeische Weltchronik« war
das wohl größte Buchunternehmen des 15. Jahrhunderts. 1493 war das Werk in
lateinischer Sprache erschienen, kurz darauf auch in einer deutschen Ausgabe.

Der mittelalterlichen Tradition folgend, führte Schedel seinem Leser eine an
der christlichen Heilslehre orientierte Weltgeschichte vor Augen.19 Beginnend
mit der Schöpfungsgeschichte, leitete er von Noah, Abraham, David und der ba-
bylonischen Gefangenschaft der Juden, mit der Beschreibung des sechsten Welt-
alters zum Leben und der Passion Christi bis hin zum Ende des 15. Jahrhun-
derts und schloß mit der Apokalypse. Die entlang der biblischen Geschichte
gegliederten Kapitel sind von mythologischen Themen und weltlichem Ge-
schehen durchdrungen. So gab Schedel nicht nur eine Beschreibung der Ge-
schichte Griechenlands, Roms und der Perser, sondern verfaßte mit dem um-
fangreichsten sechsten Kapitel eine Darstellung von rund 1500 Jahren
Geschichte seit Christi Geburt.

Die Weltchronik war nicht nur das erste Geschichtswerk eines deutschen Hu-
manisten, sondern sie ist zugleich auch das an Bildern reichste Werk aus den
Anfängen der Buchdruckerkunst.20 Hauptanliegen dieses ehrgeizigen Unter-
nehmens war es, einer im damaligen Sinne breiten Öffentlichkeit ein enzyklo-
pädisches Wissen über die Welt und ihre Geschichte zu vermitteln.21 Das Buch
 
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