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Chroniken und Weltbeschreibungen

ist mit 1809 Holzschnitten ausgestattet, die von 645 Stöcken gedruckt sind. Dar-
unter sind auch 68 Städtebilder, von denen allerdings nur etwa die Hälfte Züge
topographischer Richtigkeit aufweist.22 Daß Babylon, Ninive oder Memphis
nach der Phantasie gebildet sind, wofür teilweise sogar nordalpine mittelalter-
liche Städte mit christlichen Kirchen stehen, mag verständlich scheinen. Doch
auch Städte, deren Abbilder leichter verfügbar gewesen wären, wie Magdeburg,
Mainz, Paris oder Trier, sind durch Idealbilder vertreten. Es versteht sich, daß
neben die typisierte Stadt auch die ideale Landschaft tritt. So fand derselbe
Druckstock Verwendung, wenn es zum Beispiel galt, »von den Turcken« zu be-
richten oder das »Hessenland« ins Bild zu setzen (Abb. 32).23 Sowohl durch die
Gliederung in sieben Weltalter als auch durch die Bildverwendung erscheint die
Schedeische Weltchronik als ein Musterbeispiel frühneuzeitlichen Denkens. Ge-
rade in diesem Werk, mit seiner Mischung von echten und phantastischen Städ-
te- und Menschenbildern, wird der fließende Übergang der alten typischen Bild-
funktion zu einem neuen Bedürfnis nach wirklicher Anschauung offenbar.24 Es
sollte jedoch noch lange dauern, bis die für Weltbeschreibungen und Reisebe-
richte charakteristischen Städtebilder und chorographische Ansichten ihre ty-
pischen Züge verloren und als bildhafte Erläuterung der Erdbeschreibung ganz
im Dienste der Wissenschaft standen.

Sebastian Münster und Sebastian Franck

Den langsamen Fortschritt der wissenschaftlichen Illustration erweisen nicht zu-
letzt die zahlreichen Bücher zur Erd- und Länderkunde, die im 16. Jahrhundert
gedruckt wurden. Wenn über diese Werke gesprochen wird, so bedarf vor allem
ein bedeutendes Werk aus der Mitte des Jahrhunderts der besonderen Beach-
tung, das zu den begehrtesten Büchern der Epoche zählte:25 Die »Cosmographia«
des Sebastian Münster (1489-1552), die nach ihrem ersten Erscheinen im Jahre
1533 insgesamt 46 Ausgaben in sechs verschiedenen Sprachen erlebte.26

Im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger war Münster darum bemüht, seine
»Cosmographia« mit möglichst realistischen Bildern zu illustrieren. Dieses
Bemühen kommt auch in einem Brief zum Ausdruck, den er am 20. August
1545 an Georg Norman, den Sekretär des schwedischen Königs, sandte. Eigens
betont Münster in diesem Schreiben, daß er die dritte Ausgabe seines Werkes
mit Darstellungen von Städten »in ihrem natürlichen Bild« ausstatten wolle -
»urbes nativa sua effigie«.27

Mit der Bitte um geeignete Abbildungen wandte Münster sich nicht nur nach
Schweden: Um die in seinem Buch enthaltenen Städtebilder zu erlangen, rich-
tete er Gesuche an die Landesfürsten und Behörden der bedeutendsten Städte
 
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