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Sebastian Münster und Sebastian Franck 119

Europas, von denen er sich möglichst genaue Ansichten von Städten und Ort-
schaften erbat.28 Wie später auch im Falle Guicciardinis, war diesem Bemühen
nicht selten Erfolg beschieden, da viele »ihren Ort in einem Buch verherrlicht
sehen wollten«.29 An Stanislaus von Laski (1500-1549), den Woiwoden von Sie-
radz, schrieb er am 6. April des Jahres 1548: »Von überallher schicken die Für-
sten, Bischöfe und Städte Beiträge, die nach ihrer Meinung zum Ruhme ihres
Volkes, ihres Herrschaftsgebietes oder ihrer Stadt dienen.«30

Anders als später Christoph Plantin wurde Sebastian Münster nicht aus je-
der Stadt eine pekuniäre Unterstützung in der gewünschten Höhe zuteil.31 So
erwies sich ausgerechnet der Magistrat seiner Heimatstadt als besonders knau-
serig: »der Rat war so geizig, daß er nicht einen Heller Unterstützung geben
wollte.«32 Dennoch fand das Bild der Stadt - da es doch schon geschnitten war
- Aufnahme in das Buch, in dessen Vorspruch Münster zu erklären suchte, war-
um die Abbildungen etlicher Städte fehlten: »Von manchem ort ist mir auff mein
anlangen kein antwort worden. Es hat sich auch manch ort beklagt, das er mir
nit hat mögen zu willen werden, eines geschickten Malers halben, wie dan[n]
ich auch bey etlichen grossen Stätten erfahren hab, daß nicht ein jeder Maler ei-
ne Statt in grundt legen kan.«33

Will man Münster Glauben schenken, so stand nicht nur mangelndes Inter-
esse mancher Städte seinem Streben nach Vollständigkeit im Weg, sondern auch
die Tatsache, daß es um die Mitte des 16. Jahrhunderts noch kein künstlerisches
Allgemeingut geworden war, eine topographisch korrekte chorographische An-
sicht zu zeichnen. Allen Widrigkeiten zum Trotz nahm Sebastian Münster nicht
von dem ehrgeizigen Vorhaben Abstand, sein Buch möglichst vollständig zu il-
lustrieren und alle behandelten Gegenstände im Bild wiederzugeben. Ausführ-
lich hatte er dem Woiwoden von Sieradz seine Pläne dargelegt: »Den Völkern
gehen besondere kosmographische Beschreibungen voraus, und den Städten
werden Abbildungen beigegeben, soweit sie zur Verfügung stehen. Auch einige
Altertümer werden durch Bild und Schrift erläutert, ja sogar auch einige Tiere,
die bestimmten Gegenden eigen sind, abgebildet. Von den ausländischen Kö-
nigreichen erbitte ich Abbildungen der Hauptstädte nach der Natur gezeichnet.
Aus Deutschland kamen mir von überallher die Abbildungen der meisten Städ-
te und Ortschaften mit einer Ehrengabe, die für den Schnitt nötig ist. Die Ab-
bildungen werden in Blattgröße angefertigt. Denn so können die Mauern der
Städte, die Tore, Türme und wichtigsten Gebäude kenntlich gemacht werden.«34

In allen Briefen, in denen er um Vorlagen für die Illustrationen seiner »Cos-
mographia« nachsuchte, betonte Münster stets, daß die Bilder »ad vivum depic-
tas« - nach dem Leben - gezeichnet sein sollten.35 Diese immer wieder ausge-
sprochene Forderung nach Genauigkeit in der Wiedergabe der sichtbaren
Wirklichkeit darf aber auch nicht überbewertet werden. So sind bei weitem nicht
alle Illustrationen der »Cosmographia« nach der Natur entstanden. Tatsächlich
 
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