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Ruskin
dass die in den Himmel Erhebung „des grössten
Malers der Welt“ (Crown 117) sich nicht ganz mit
seinen Lehren über die allein seligmachende Gotik,
wie über die „verpestende Renaissanceüberschwem-
mung“ (Lamps 121) vereinigen liesse.
Doch gedeiht die Ethik auch bei dem venetiani-
schen Kultus.
In den „Stones of Venice“ findet der Leser die
„gar nicht zu widerlegende Darstellung des tödlichen
Einflusses der Renaissancetheologie auf die Künste
Italiens und auf die Religion der Welt“ (Pr. II 48).
Langatmig aber beredt wird in den „Stones of Venice“,
wie in „St. Marks Rest“ ausgeführt, wie dank seiner
Frömmigkeit Venedig nicht nur gross, reich und
mächtig geworden wäre, sondern auch unsterbliche
Blüten der Architektur und Skulptur hervorgebracht
habe. Als der Glaube verloren ging, trat hoffnungs-
loser Niedergang ein, nur die Malerei erhielt sich und
gedieh. Diese seltsame Ausnahme versucht er später
durch die allerletzte Erweckung zu begründen, welche
ihn vom Puritanismus seiner Jugend erlöste.
Es war im Sommer 1858, er war neununddreissig
Jahre alt und reiste ausnahmsweise allein, ohne Eltern.
(Weit ging seine pietätvolle Abhängigkeit, seine Edin-
burger Vorträge hatten das lebhafteste Aufsehen er-
regt, diese Oeffentlichkeit missfiel jedoch den würdigen
alten Leuten und John verzichtete auf die Fortsetzung.)
Am Sonntag las er dem Schweizer Diener die litur-
gischen und biblischen Abschnitte des Tages vor,
dann ging er in die Wälder und brachte Blumen nach
Hause. Einige dunkelpurpurne Orchideen zeichnete
er „mit dem unklar beängstigenden Bewusstsein, dass
dieses sonntägliche Zeichnen eine neue Existenzphase
bedeute“. Bis dahin hatte er am Sonntag weder ge-
Ruskin
dass die in den Himmel Erhebung „des grössten
Malers der Welt“ (Crown 117) sich nicht ganz mit
seinen Lehren über die allein seligmachende Gotik,
wie über die „verpestende Renaissanceüberschwem-
mung“ (Lamps 121) vereinigen liesse.
Doch gedeiht die Ethik auch bei dem venetiani-
schen Kultus.
In den „Stones of Venice“ findet der Leser die
„gar nicht zu widerlegende Darstellung des tödlichen
Einflusses der Renaissancetheologie auf die Künste
Italiens und auf die Religion der Welt“ (Pr. II 48).
Langatmig aber beredt wird in den „Stones of Venice“,
wie in „St. Marks Rest“ ausgeführt, wie dank seiner
Frömmigkeit Venedig nicht nur gross, reich und
mächtig geworden wäre, sondern auch unsterbliche
Blüten der Architektur und Skulptur hervorgebracht
habe. Als der Glaube verloren ging, trat hoffnungs-
loser Niedergang ein, nur die Malerei erhielt sich und
gedieh. Diese seltsame Ausnahme versucht er später
durch die allerletzte Erweckung zu begründen, welche
ihn vom Puritanismus seiner Jugend erlöste.
Es war im Sommer 1858, er war neununddreissig
Jahre alt und reiste ausnahmsweise allein, ohne Eltern.
(Weit ging seine pietätvolle Abhängigkeit, seine Edin-
burger Vorträge hatten das lebhafteste Aufsehen er-
regt, diese Oeffentlichkeit missfiel jedoch den würdigen
alten Leuten und John verzichtete auf die Fortsetzung.)
Am Sonntag las er dem Schweizer Diener die litur-
gischen und biblischen Abschnitte des Tages vor,
dann ging er in die Wälder und brachte Blumen nach
Hause. Einige dunkelpurpurne Orchideen zeichnete
er „mit dem unklar beängstigenden Bewusstsein, dass
dieses sonntägliche Zeichnen eine neue Existenzphase
bedeute“. Bis dahin hatte er am Sonntag weder ge-