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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 1.1862

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Nr. 1 (Januar 1862)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6483#0003
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3

daß es vor der romaniſchen Periode eine Blüthenperiode der
chriſtlichen Kunſt ſchon gegeben habe, wußte man gar nicht
oder fand es bequemer, es nicht zu wiſſen. Bei zwei wählba-
ren Stylarten iſt die Vermehrung um eine dritte gewiß eine
Hochanzuſchlagende Bereicherung. Die altchriſtliche Architektur
ſteht unſern Anſchauungen aber keineswegs ferner, als die ro-
maniſche und die gothiſche; im Gegentheil wird uns bei dem
heutigen Stand der Technik, und bei den meiſt kargen Bau-
mitteln die Sparſamkeit an Maſſe mehr entſprechen als
die von der altchriſtlichen Architektur, durch Mangel an
techniſchen Kenntniſſen, vielfach zur plumpen Maſſenhaftigkeit her-
abgeminderte romaniſche Tochter. Auch muß unſerm nüchter-
nen Zeitalter bei vorurtheilfreier Anffaſſung der hier wie bei
der altchriſtlichen Literatur folgerichtig beibehaltene, objectiv
gefällige, mit dem gebildeten Auge eng verwachſene, claſſiſche
Feinformalismus mehr entſprechen, als die überſchwengliche De-
tailanhäufung und vielfach bis zur ſcheinbaren Kühnheit maskirte
Maſſenverſchwendung der gothiſchen Architektur. Zu-
dem hat auch das übermäßige ſtyliſtiſche Fortgliedern nach der
Höhe durch horizontale Aufſchichtung der Maſſenelemente in
letzter Inſtanz durchaus nicht in einer gewiſſen nachzuſehen-
den Ueberſchwenglichkeit oder lobenswerthen Innigkeit der re-
ligiöſen Empfindungen ſeinen erklärenden Grund. ö
„Wir geben uns nun freilich nicht der ſanguiniſchen Hoff-
nung hin, daß das höchſt verdienſtvolle Werk, welches ſich
unſers Dafürhaltens würdig und ebenbürtig an die wirklich
ausgeführten Monumente des genialen Meiſters anreihet, au-
genblicklich die Architektur aus ihrer gegenwärtigen Verwor-
renheit werde herausreißen, und wir dann binnen wenigen
Jahren den Bauſtyl der Gegenwart beſitzen werden; wir glau-
ben vielmehr, daß Viele dieſen Studien mit Intereſſe nur
folgen werden bis an die Folgerungen. Troz dem aber
ſind unſere Hoffnungen keine kleinen. Wir leben unverkennbar
in einer Uebergangszeit, in einer Zeit, die keinen feſten Grund-
ſtpl da. hat, und faſt noch ſchlimmer ſteht unſer Bau-
tyl da. W.. * ö
Aus der häufigern Wiederholung der politiſchen, vielfach
verbrecheriſch herbeigeführten Verwicklungen und deren ſich
ſteigernden Heftigkeit glauben wir ſchließen zu müſſen, daß
wir einer bedeutenden Entſcheidung näher ſtehen, als man
vielleicht gerne glaubt, und daß mit Gottes Hülfe eine Ab-
klärung alt und unhaltbar gewordener politiſcher Geſtaltungen
eintrete, daß ein feſtes Rechtsbewußtſein, vielleicht durch fürch-
terliche Schläge eingeprägt, an die Stelle der herrſchenden Be-
griffsverwirrung und der, blos den wie auch immer erreichten
Erfolgen, geſpendeten Huldigung trete. —Nachwirken müßte,
wenn auch langſam, ſolche politiſche Abklärung auch in der
Kunſt, und daß dieß in der Architektur in erſprießlicher Weiſe,
und nicht erſt nach vielfachen irrigen Anläufen geſchehen könne,
dafür, glauben wir, iſt in Hübſch's altchriftlicher Architektur
ein bis auf feſten Boden ausgegrabenes, ſolid hergeſtelltes
Fundament gelegt. ö
Hübſch's Werk über altchriſtliche Architektur darf nirgends
fehlen, wo über monumentale Architektur gelehrt, oder wo auch
nur ein zeitgemäßes Verſtändniß der Architektur angeſtrebt wird.
Es iſt eine Nothwendigkeit für den Architekten, dem der Bau
kirchlicher Monumente anvertraut wird; es iſt ein Bedürfniß
für jedes biſchöfliche Capitel, für jedes Clerical⸗Seminar oder
theologiſche Facultät, und es ſollte in keinem Decanate fehlen.
Der ältere Herr aus früherer Schule möge es haben zum
gemeinſamen Nutzen und zum Studium für die niederbeſolde-
ten jüngern Geiſtlichen. Wer immer mitzurathen hat bei Kir-
chenbauten möge aus den zahlreichen Beiſpielen und durch die
niedergelegten Nachweiſe ſeine allgemeinen Anſchauungen bil-
den, und er wird erkennen, daß das Einzelne im Formalen

dem zu überlaſſen ſei, deſſen ſpecielleres Studium es bildet.

Er wird darüber ſich Gewißheit verſchaffen, daß die Wahl
des Styles durchaus nicht etwas Willkürliches iſt, ſondern
daß die Verpflichtung vorliege, im Style dem Geſammtaus-
drucke und der Geſammtanſchauung der Zeit nahe zu bleiben,
und ſo der Architektur wieder ihre kulturhiſtoriſche Stellung
einzuräumen. *
üützt N⁵99

Rundſchreiben des Erzbiſchofes von
Coulouſe. ö
„Es iſt zu wünſchen, daß der kirchliche Geſang immer all-
gemeiner und populärer werde, und daß alle Stimmen, ſtatt
nur vereinzelt und im Stillen zu beten, ſich in einer einfachen
und ergreifenden Melodie vereinigen. Wir ſtehen nicht an zu
ſagen, wo dieſes Reſultat in einer Pfarrei erlangt wird, wird
es auch zur Quelle der tiefſten religiöſen Bewegung werden
und den Gottesdienſt heben und Glanz verleihen; die derartig
ausgeführten liturgiſchen Geſäuge werden gleichſam ein großes
Concert bilden, an dem das ganze Volk ſich betheiligt, indem
es ſich an ſeinem Glauben und ſeinem Eifer begeiſtert.“
„In den meiſten Kirchen kann kaum etwas Anderes als
der Choralgeſang zur Ausführung kommen, und das können wir
nicht ſehr bedauern. Wenn der Choral, der wahrhaft die muſi-
kaliſche Stimme der Kirche iſt, in unſerer Zeit in Mißeredit

III. Aus einem

gerathen iſt, ſo muß man dies hauptſächlich auf Rechnung der

Aermlichkeit der Mittel ſetzen, welche bei ſeiner Ausführung an-
gewandt werden. Gegenwärtig zwar bedarf es faſt des Muthes,
ſeine Vertheidigung vor einem gebildeten Publicum zu über-
nehmen. Dagegen hat eine hierin gewiß nicht verdächtige
Stimme im 18. Jahrhundert Jean Jaques Rouſſeau
erklärt: „„weit entfernt, daß man unſere Muſik in den Choral-
geſang tragen darf, bin ich überzeugt, daß man gewinnen würde,
wenn man den Choralgeſang in unſere Muſik trüge.“
„Ja daß der Choralgeſang dieſer weichlichen und theatra-
liſchen, plumpen und platten Muſik bei weitem vorzuziehen
ſei, bekennt auch ganz offen ein berühmter Tondichter unſerer
Tage, Herr Halevy: »ywie können die katholiſchen Prieſter,
ſagt er, die in dem gregorianiſchen Kirchengeſange die ſchönſte
religiöſe Melodie-beſitzen, welche auf der Erde beſteht, in ih ren
Kirchen die Armuth unſerer modernen Muſik zulaſſen
„Wir verdammen übrigens nicht die Einführung religiöſer Muſik
in ven Kirchen; wir haben ſie ſelbſt gerne, aber unter der
Bedingung, daß dieſe Muſik wirklich religibs ſei, und durch
ihren ernſten getragenen Charakter bei den Zuhörern Gefühle
der Andacht hervorrufen könne.“

VIV. Kiterariſche Mittheilungen.
Die Künſte des Mittelalters. (Initialen, Gewän-
der, Schwerter, Wappen, Biſchofsſtäbe, Rauchfäſſer, Monſtran-
zen, Kelche, Leuchter, überhaupt Gefäße aller Art, Chorſtühle,
Kanzeln, Beichtſtühle, Altäre, Taufſteine, Weihbecken, Grab-
mäler, Portale, Frieſe, Reliquienſchreine, Thür⸗ und Bücher-
beſchläge, Siegel ꝛc. enthaltend) Berlin bei Ed. Regmann,
2 Bände gr. Folio 1857—1861, gebunden 17 Thlr.; auch
in 12 Lieferungen à 1½ Thl.
Vorſtehendes Werk enthält 75 in prachtvollem Ton und
Farbendruck ausgeführte Blätter in großem Format, jede Liefe-
rung deren 6 —7. Einzelne Lieferungen, ſoweit ſolche vorhanden,
werden zu 1½ Thlr. abgegeben, einzelne Blätter zu 10 Sgr.
(35 Kr.) —. Ein erläuternder Text mit Inhaltsverzeichniß
 
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