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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 1.1862

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Nr. 3 (März 1862)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6483#0010
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Daten angegeben werden welche über die Grundſteinlegung

liefert ſind. Unbedenklich darf man vorausſetzen, daß dieſe
prachtvollen, tief durchdachten Compoſitionen nicht etwa, wie
ein ſchmückendes Gewand, über die bereits fertigen Fagaden
hingeworfen worden ſind; daß vielmehr bei dem Entwurf des

das von demſelben eingeſchloſſen werden ſollte.
bau des Freiburger Münſter“ wurde im Jahre 1236 in An-
griff genommen.

Im Jahre 1258 muß der Ausban des Glockenhauſes der

Vollendung nahe geweſen ſein. Zu dieſer Zeit nämlich wurde,

wie die Umſchrift bezeugt, die große Glocke gegoſſen, welche

von der Höhe des Thurmes die Gläubigen zum Gottesdien ſte
einladen ſollte.
Wahrſcheinlichkeit nach auch die Bildwerke ausgeführt worden

ſein, welche die innern Wände des Erdgeſchoſſes des Thurmes,

das als Vorhalle der Kirche dient, verzieren. Zwanzig Jahre
vorher war dem Predigerorden eine Niederlaſſung in Freiburg

gegönnt worden; der Chor der Kloſterkirche ſoll bereits im

Jahre 1252 ausgebaut geweſen ſein. An dem nördlichen
Strebepfeiler der Vorhalle des Münſters erblickt man noch
heute, den Gründern der Kirche beigeſellt, zwei Predigermönche
abgebildet, deren gelehrte Mitwirkung bei dem Bau, in dieſer

Weiſe dankbar gefeiert, vorauszuſetzen eine ganz naheliegende
Unſtatthaft aber wäre es gewiß, wenn man

Vermuthung iſt.
Albert dem Großen, der nach einer chronologiſch unbe-
ſtimmten Angabe ſeines Biographen, Peter Elgas, eine Zeit
lang in Freiburg wirkte, einen Antheil,
tektur oder an dem bildlichen Schmucke des Münſters, beimeſſen
wollte. Die Darſtellungen am Portal ſelbſt erhalten unſeres
Erachtens einige Andeutungen, welche zu der Schlußfolge be-
rechtigen, daß dieſelben ohne Bezugnahme auf die gelehrten Ar-
beiten des großen Mannes zu Stande gebracht worden ſind.
Was der Bildſchmuck der Vorhalle dem Eintretenden zu
verkündigen hat, iſt ſchon durch den ſelbſtverſtändlichen Zweck,
dem dieſe Anlage dienen ſoll, vorgeſchrieben. Innerhalb dieſes
Raumes ſoll der Gläubige ſich ſammeln, ſich vorbereiten zu
dem ernſten Geſchäfte, um deſſentwillen er die Schwelle des
Gotteshauſes überſchreiten will. Bevor er eintritt, muß er

ſeinen Verſtand befähigt haben, die Wahrheiten zu erfaſſen, die
dort ihm offenbart werden; ſein Herz und ſein Leben müſſen

gereinigt ſein, damit er der Gnaden würdig ſei, die dort ihm
geſpendet werden ſollen. Mittels der wechſelvollen, anziehenden

Folge der Darſtellungen, welche an den umlanfenden Wänden

angebracht ſind, werden dem Beſchauer die Bedingungen ge-
ſtellt, denen er ſich unterziehen muß, um aller Segnungen der
göttlichen Heilsanſtalt auf Erden theilhaftig werden zu können.
Dann aber »belehrt ihn die an dem Giebelfelde über der
Kirchenthüre erhöhte Darſtellung') über die unabweisbare Noth-
wendigkeit, auf der Bahn des chriſtlichen Ringens und Stre-
bens aus der Nacht zum Lichte, aus der Trübſal zur Herr-
lIichkeit lortuſchreiten, und keigt ihm d den eer vohn,

29 Vergl. die oni Bellage.

unbeachtet gelaſſen hat.
Rahmens auch die Gliederung des Bildes feſtgeſtellt wurde,
Der Thurm-

Innerhalb dieſes Zeitabſchnittes werden aller

ſei es an der Archi-

der in der Ewigkeit dem chriſtlichen Sieger vorbehalten iſt. —
und die Vollendung der Kirchen, denen ſie angehören, über-

Wir glauben aber auch hervorheben zu dürfen, daß hinſichtlich
der für die Ausſchmückung der Vorhalle zu wählenden Gegen-
ſtände eine ſpezielle Andeutung von einer gelehrten Schrift ge-
geben iſt, welche der Kirchenbau des Mittelalters zu keiner Zeit
Wir meinen die Abhandlung Beda's
des Ehrwürdigen über die Stiftshütte, in welcher die altteſta-
mentlichen Einrichtungen, die als myſtiſche Vorbilder der kirch-
lichen Anlagen des neuen Bundes aufgefaßt werden, in allego-
riſcher Weiſe erklärt find. In dem 13. Kapitel des 2. Bu-
ches ⸗heißt es: „Wie das Allerheiligſte denjenigen Theil der hl.

Kirche, die da im Himmel iſt, bezeichnet, und wie die vordere

Stiftshütte das vollkommene Leben der Gläubigen, die noch in
dieſer Zeitlichkeit verweilen, bildlich andeutet: ſo zeigt die Vor-
halle der Stiftshütte, die nach Außen lag, die erſten Beleh-
rungen der Anfänger, — weil in Betreff der Anfänger die
erſte Sorgfalt darauf zu richten iſt, daß ſie die Lockungen des
Fleiſches zügeln, nach jenem Worte des Apoſtels, welches er von.
den Söhnen der Verheißung redend beifügt: „„da wir nun
ſolche Verheißungen haben, Geliebteſte, ſo laſſet uns
von jeder Befleckung des Fleiſches und Geiſtes uns
reinigen.“ (I. Korinth, 7, 1.)
Betrachten wir nun zuvörderſt die Statuenreihe, welche an
den Vorder⸗ und Seitenwänden der Vorhalle umherläuft, und
fortgeſetzt wird von den Standbildern, die zu beiden Seiten des
Eingangs und an dem Mittelpfeiler zwiſchen den Flügeln der
Kirchenthüre aufgeſtellt find. Die erſte Reihe beſteht aus 4
mal 7 Figuren. Zwei an den Enden der öſtlichen Wand be-
findliche Statuen verbinden dieſe mit der aus ſieben weiteren
Figuren beſtehenden Gruppirung, die, näher zuſammengehörend,
die eigentliche Verzierung des Portals bilden. Zur linken Seite
des Beſchauers, dem Eingang in die Kirche zunächſt, erblicken
wir die fünf klugen Jungfrauen der evangeliſchen Parabel
(Matth. Kap. XXV.) Ihnen gegenüber an der ſüdlichen Wand
die fünf thörichten. Bei den letztern nehmen wir unverkenn-
bar wahr, daß der Künſtler nicht bloß, an dem Wortlaute des
Evangeliums feſthaltend, fünf der Selbſtvergeſſenheit des Schlafs-

hingegebenen Jungfrauen hat darſtellen wollen, ſondern daß er, wie

es auch bei den entſprechenden Statuen an dem Portale des Straß-
burger Münſters der Fall iſt, jede derſelben zur Perſonifikation
eines der Hauptlaſter gewählt hat, welche die Seele dem To-
desſchlaf der Sünde überantworten. Auf den erſten Blick er-
kennt man an dreien derſelben die Trägheit, den Neid, und
die Hoffahrt deutlich gekennzeichnet. Bei den übrigen Sta-
tuen zeigt ſich jedoch keine ebenſo augenfällige Hindeutung auf
irgend ein ſpezielles Laſter. Freilich war es dem Künſtler er-
ſchwert, die ihm vorſchwebende Abſicht in ganz unzweideutiger
Weiſe durchzuführen, da die brennenden und umgeſtürzten Lam-
pen, die in den Händen der klugen und thörichten Jungfrauen

nicht fehlen durften, ihn behinderten, andre Attribute von ihnen

emporhalten zu laſſen. Der Künſtler ſchloß ſich der gewöhn-
licheren Auffaſſung der chriſtlichen Vorzeit an, welche die Zahl
der Hauptlaſter auf ſieben feſtſetzte, und deßhalb hat er den
fünf thörichten Jungfrauen die allegoriſche Darſtellung zweier
ſpecieller Laſter beigefügt. (Fortf, folgt.)
 
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