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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 1.1862

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Nr. 3 (März 1862)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6483#0011
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— 1 —.

II. Anregungen für die chriſtlichen Kunſtvereine.
Wie auf früheren Generalverſammlungen der katholiſchen
Vereine Deutſchlande ward auch auf der letzten im verfloſſenen
Jahre 1861 zu München eine Abtheilung für chriſtliche Kunſt
niedergeſetzt, die unter dem Vorſitze des Herrn Ritter von
Miller, Inſpector der königlichen Erzgießerei, in mehreren
Specialverhandlungen lebhafte, intereſſante Debatten hervorrief,
und insbeſondere folgende ſehr zeitgemäße Anregungen machte,
die hoffentlich nicht unbeachtet bleiben werden.
Herr Prof. Dr. Sepp ſtellte den förmlichen Antrag, die

Kunſt des Erzguſſes zur Errichtung eherner Pforten an

den Kathedralkirchen zu verwenden, wie ſolches in allen

Perioden des chriſtlichen Kirchenbaues geſchehen iſt, und unter-

ſtützte dieſen Antrag durch Aufzählung einer Menge von Bei-
ſpielen eherner Thüren, durch welche bernerrazerde Wirenge-
bäude geſchloſſen und verziert waren:

Ihr Borbild ſei die ſchöne Pforte a am Tempel zu ge-

ruſalem (Apoſtelgeſch. 3, 2.), und das goldene Thor, durch
welches Jeſus ſeinen Einzug in den Tempel hielt. Es iſt das
Trinmphthor, und an jenem Tage erfüllte ſich das prophetiſche
Wort (Pſalm 23, 7.): „Thut euch auf ihr ewigen Pfor-
ten, der König der Herrlichkeit zieht ein.“ ö
Auch ſchon im älteſten Tempel zu Babylon führten nach
Herodot eherne Thore in den Vorhof. Bei den Deurſchen
mochten vieſe Erzthüren an die goldhellen Thüren Wallhallas
erinnern. Noch vorhanden ſind die eherne, mit Reliefdarſtel-

lungen geſchmückte und vergoldete Bronzethüre des Augsbur-

ger Doms, die ſchöne Thüre genannt, die Erzthüren am
Mainzer Dom und an der Markuskirche zu Venedig, an der-

Sophienkirche zu Nowogrod, am Dome zu Hildesheim durch

Biſchof Bernward (+ 10229)..
Die älteſte Baſilika zu Tyrus und die Johanniskirche zu
Damaskus hatten mit Erzplatten beſchlagene Thore. Die
Sophienkirche zu Konſtantinopel ſchmückten Erzthore. Papſt
Gregor VII. ließ die Hauptpforten der Paulskirche außerhalb
der Stadt Rom in Konſtantinopel gießen, die bei dem Brande
von 1823 zu Grunde gegangen ſind.
der in Jeruſalem das lateiniſche Hoſpital gründete, ſoll ſie

gegoſſen haben, ſein Bild war in betender Stellung: vor Chri-

ſtus zu den Füßen der Apoſtel angebracht. An, den Gußthü-
ren von St. Johann im Lateran waren heilige Darſtellungen

mit Silber⸗ und Goldfäden und ein künſtliches Schmelzwerk

angebracht. Doch alle ähnlichen zu Amalfi, Salerno, Bene-

vent, Monte Caſſino, St. Zeno in Verona und am Dome zu
Piſa übertreffen die kunſtvollen Pforten des Baptiſterium in
Florenz, von Andrea Piſano und Ghiberti, welche Michel An-
gelo für würdig erklärte, die Thore des Paradieſes zu ſein.
Karl der Große ließ für ſein Aachener Münſter cherne Pfor-

ten durch den Mönch Airard gießen.

So zieht ſich von dem älteſten Welttempel, von vem Tem-

pel Gottes auf Moria, zu den altchriſtlichen Baſiliken und bis
zu den byzantiniſchen und romantiſchen Domen die Tradition
der Ehrenpforten fort, welche gewöhnlich nur an hohen Feſten
oder zur Zeit der Jubiläen ſich öffneten“ Auch der gothiſchen
Architektur ſind ſie nicht fremd; die Erzpforten am Straßbur-

Pantaleon von Amalfi, ö

ger Dom wurden in der franzöſiſchen Revolution zerſtͤört. So

erſcheint es angemeſſen, daß auch jetzt noch an den großen
Kathedralen die Gußthüren mit entſprechenden, auf die Schö-

pfung, die Erlöſung und das Gericht bezüglichen Darſtellungen.
angebracht werden.

Der Ausſchuß, dem natürlich die Macht nicht zuſteht, die-
ſen frommen Wunſch in Erfüllung zu bringen, konnte jedoch
nicht unterlaſſen demſelben beizutreten, und die Herſtellung von

Bronzethüren, namentlich für romaniſche Kirchen zu empfehlen.

Zwei brennende Fragen von der größten Wichtigkeit für
die Gegenwart wurden von Profeſſor Dr. Sighart angeregt.
Die erſte lautet:
Iſt die Farbenfaßung der Stulpturen für aircherſchuuk
der wahren Schönheit derſelben ſchädlichhhh
Man kennt hinlänglich die Uebelſtände, welche bei dieſem
kunſtverwandten Gegenſtande beklagt werden. Da aber die
Anſichten über die Abhülfe verſchieden ſind, ja bis zu Extre-
men auseinander gehen, ſo werden wir eine eigene Veranlaſ-
ſung nehmen, auf die Sache zurückzukommen. —
Bei der Ausſchußverſammlung kamen die richtigen Grund-
ſätze zur Geltung. Herr Inſpektor v. Miller, der als Pla-
ſtiker gewiß der Plaſtik nicht zu nahe treten läßt, anerkannte,
daß nur die ſchlechte Bemalung der Holzſculpturen ſchade, und
wünſchte, es möchte für Beſſerung der Faßmalerei Sorge ge-
tragen werden. Herr Domvikar Jakob von Regensburg er-

innerte an die guten alten Muſter von gefaßten Holzfiguren,

wie ſie in Köln, Freiſing, Regensburg u. a. O. noch vorhan-
den ſind. Auch Schwaben beſitzt deren noch verhältnißmäßig
viele.
Der Ausſchuß dereinigt ſich zu der Erklärung, daß die
Bemalung der Skulpturen, und der Holzſkulpturen insbeſon-
dere, der Schönheit derſelben nicht entgegenſtehe, ſondern ſogar
wünſchenswerth ſei, und empfahl den Vorſtänden chriſtlicher
Kunſtvereine, auf die Hebung dieſes bisher vernacläßigten
Kunſtzweiges hinzuwirken.
Eine zweite Frage von Dr. Sighart lautet: ö
Wie iſt es mit der Bemalung der Kirchen zu haltenꝰ
Der Ausſchuß legt den chriſtlichen Kunſtvereinen die Sache
ans Herz. Denjenigen, welche verſelben eine Aufmerkſamkeit
zuwenden wollen, wäre auch die Leſung des Büchleins „Bei-
träge zur Wiederdetebang der monumentalen Malerei⸗ zu em-
pfehlen. ö
Profeſſor Kreuf er von Köln, der Verfaſſer des „Kirchen-
bau⸗ ſtellte die Frage:
Iſt es rathſam, daß bei neuen Kirchenbauten die Anfer⸗ ö
tigung des Planes einem Architekten überlaſſen werde,
der in der Symbolik nicht bewandert iſt? Oder hat ſich
die Architektur. auch bei Anfertigung des Planes nach der
Geiſtigkeit der Symbolik zu richten? ö
Der kühne Symboliker verbirgt ſein Lieblingsfach nicht in
dieſer Frage, deren Wichtigkeit auch von der Kommiſſion an-
erkannt wurde. Man könnte beifügen, daß dem Kirchenbau-
meiſter außer ver Tüchtigkeit im Stil und in der Technik vor
Allem die nothdürftigſte Kenntniß der Liturgie und ihrer an
den Bau geſtellten Forderungen zu wünſchen ſei; denn ohne
 
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