Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 1.1862

DOI Heft:
Nr. 4 (April 1862)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6483#0017
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Flächenraum des Giebelfeldes von dem Thürgeſimſe bis

zum Scheitelpunkte der Spitzbogengurte, welche daſſelbe einrahmt,
wird durch zwei horizontal daſſelbe durchziehende Bogenfrieſe
in drei Felder von faſt gleicher Höhe zerlegt. Die Bildwerke,
welche daſſelbe füllen und dem Beſchauer die Erlöſung des
Menſchengeſchlechtes, die Auferſtehung der Todten, das Welt-
gericht und die Verherrlichung des Heilandes in der Ewigkeit
vor Augen ſtellen, werden mittels dieſer Anordnung in drei
Abtheilungen gebracht, von welchen die erſte die hier berück-
ſichtigten Vorgänge begreift, welche in der Zeitlichkeit, in dem er-
ſchaffenen Raume ſtattgefunden haben und noch ſtattfinden ſollen.
Die zweite Abtheilung faßt den Moment des Uebergangs aus
der Zeit in die Ewigkeit, die Stunde des Weltgerichts auf;
die dritte zeigt den Beginn der ewigen Herrſchaft des Heilan-
des nach dem Ende der Tage. In vertikaler Richtung ſind
die einzelnen Abſchnitte jedesmal in zwei, mit einander con-
traſtirende Gruppen geſondert. Die untere Abtheilung zeigt
auf der einen Seite die Geburt, auf der andern die Leidens-
geſchichte des Heilandes, und ſtellt das Erwachen der Gerech-
ten aus dem Todesſchlafe dem der Sünder gegenüber. In
der zweiten Abtheilung erblickt man auf der einen Seite zur
Rechten des gekreuzigten Heilandes Maria und Johannes, zur
Linken die Kriegsknechte. Den erſtern Figuren angereiht ſind

die Schaaren der Seligen, den andern die ihrem Schickſal zu-

geführten Verdammten. Die oberhalb derſelben zu Gericht
ſitzenden Apoſtel zerfallen ebenfalls in zwei Gruppen. In dem
oberſten Felde thront Chriſtus, inmitten von acht ihn umge-
benden, in paralleler Weiſe geordneten Heiligen⸗ und Engelge-
ſtalten. ́——————
Bei den Statuenreihen, welche die Seitenwände der Vor-
halle ausſchmücken, erſcheint Maria als das Centrum der

ſtreitenden Kirche, von welchem Troſt, Belehrung, Kräfti-
gung für die Heilsbedürftigen ausgehen ſollen; bei den Dar-

ſtellungen des Giebelfeldes dagegen iſt der leidende und verherr-
lichte Heiland der geheiligte Brennpunkt, von welchem aus
Erlöſung und Beſeligung ſich durch Zeit und Ewigkeit ver-
breiten. Ueber Zeitlichkeit und Tod ragt das Kreuz in den
Himmel hinein, das Zeichen des Menſchenſohnes, das am
jüngſten Tag dort erſcheinen wird (Matth. XXIV). Manchem
mag es auffallend und ungehörig erſcheinen, daß den Perſonen,
welche das Kreuz umſtehen, die Schaaren der Seligen und
Verdammten ſich beinahe in fortlaufender Reihe anſchließen.
Dieſer Uebelſtand verſchwindet jedoch, wenn man beachtet, daß
die Geſammtheit der Compoſition in zwei pyramidal ſich ſchich-
tende Ordnungen zerfällt. Die erſte faßt, wie geſagt, die vor-
zuführenden Vorgänge, welche der Zeitlichkeit angehören, zu-

ſammen und culminirt mit dem Kreuzestode des Herrn. Die

andern Gruppirungen verbinden die nach dem Untergange der
Welt ſich verwirklichenden Thatſachen. Dieſe beginnen mit
dem Weltgerichte, von welchem der Blick aufwärts geleitet
wird zu dem Thron des verklärten Heilandes, welcher die
Spitze eines zweiten, den untern einſchließenden Triangels ein-
chließt. — I

es bei der mittelalterlichen Plaſtik und Mulerei nicht ſelten
vorkommt — der Urheber des Portals, indem er mehrere
Figuren ſeiner Compoſition in ganz verſchiedenen Dimenſionen
gebildet hat. Mitten im Gewühl der zahlreichen kleinen Ge-
ſtalten, die in den beiden untern Feldern zuſammengedrängt
ſind, iſt der am Kreuze ſterbende Helland nach einem weit-
digerorden, Seite 206) angibt, in ſeinem vorgerückten Alter in den Orden
der Predigermönche trat, verſchied hier zu Freiburg am 30. Januar 1²87⁷.

zeichneten Figuren Rückſicht genommen.

Von dem Verfahren der neueren Kunſt entfernt ſich — wie

re erassam et pudendam neglitzentiam

Verantwortliche Redaction: Stephan Braun — Druck und Verlag von J. Dilger in Freiburg.

ſegnenden Weltrichters, das mit mächtiger Wirkung die Blicke
der Beſchauenden zu ſich heranzieht.

größern Maßſtab ausgeführt. In noch größeren Verhältniſ-
ſen erſcheint ſammt den umſtehenden Figuren das Bild des

Hiebei iſt nun einestheils

auf die vorzüglichere Bedeutung der auf dieſe Weiſe ausge-
.
meiſter bei dem Maßwerl, das die Seitenflächen des Thurm-
helmes ausfüllt, die Größe der einzelnen Abtheilungen nach
obenhin geſteigert hat, ſo hat auch unſer Künſtler die Ueber-

Anordnung erleichtern wollen.

Allein, wie der Bau-

ſicht ſeiner Darſtellungen durch eine gleiche perſpektiviſche
Dadurch, daß das geiſtige

Verſtändniß mittels dieſer äußeren Beihülfe gefördert wird, er-

weniger ſtörend, und der Totaleindruck wird zu einem befriedi-
genden und harmoniſchen. Mit dem ganzen Character des go-
thiſchen himmelanſtrebenden Bauwerks ſtimmt es zuſammen,

daß auch bei einem einzelnen Theile der ſuchende, von Stufe

ſcheint das Mißverhältniß der einzelnen Figuren zu einander

zu Stufe fortgeleitete Blick erſt bei der äußerſten Spitze einen

Ruhepunkt findet.“) (Schluß folgt.)

II. Miscellen.

Glätten der Corporalien. Die in neueſter Zeit wie-

der auftauchenden geglätteten Corporalien wurden von Manchen

mit Mißtrauen, von Andern als eine Neuerung betrachtet.

Zur Steuer der Wahrheit muß geſagt werden, daß der Ge-

brauch desſelben ebenſowenig verboten wie neu, vielmehr gebo-

ceſe Conſtanz vom J. 1609 nachdrücklichſt vorgeſchrieben
worden iſt.“) Auch beſtimmt das autoritative Buch „Kirchen-
ſchmuck durch Jacob Müller, päpſtl. Vicarius des ho-
hen Stiftes Regensburg anno 15914: nachdem die Corporalien

nicht zu unbiegſam, hart und unbrüchig werden, ſondern ver-
bleiben, daß, wenn man ſie ausbreitet, ſie ohne Widerſtreben
ſich auf den Altar legen, mit „Kraftmehl“ geſtärkt werden.
Und die Rückſichten auf die zarteſte Behandlung des allerhei-
ligſten Sacramentes empfehlen dieſen Gebrauch ohne weiteres.
Eine Anweiſung zur ſorgfältigen und ſchönen Bereitung
ſolcher geglätteter Corporalien findet ſich in dem mit oben ge-
nanntem Werke nicht zu verwechſelnden Kirchenſchmucke von
Laib und Schwarz V. Jahrg. v. 1861 Bd. X. S. 77—79.
Rom. Wir berichteten in Nro. 3 dieſer Blätter (S. 12)

über einen ſchönen Erweis der Frömmigkeit und Ergebenheit

gegen den heil. Stuhl von Seite des Hauſes Oeſterreich. Es
freut uns hier etwas Gleiches aus Bayern berichten zu kön-
nen. Auch König Max hat dem heil. Vater durch ein groß-
artiges Geſchenk ſeine Huldigung dargebracht, indem er durch
den rühmlichſt bekannten Künſtler Ainmüller gemalte Glas-

fenſter anfertigen ließ, welche eine neue Zierde des Vaticans

ſein werden, und gleiche Bewunderung finden wie der Ornat
des Kaiſers Ferdinand, der einen Koſtenaufwand von 80,000 fl.
erfordert haben ſoll. *

*) Ueber die entſprechende Dispoſition vieler mittelalterlichen Glasge-
mälde verdienen die Bemerkungen nachgeleſen zu werden. welche Merimô
(notes d'un voyage dans Touest de Ia Erance), wo er die Kirche des
hl. Julian zu Le Mans beſpricht, geäußert hat.
*) In der betreffenden Verordnung heißt es: Corporalis fiant ex
tela candida et tenui simplicia nou duplicata, post lotionem emylo
roborentur, ac summa semper munditia niteant. Quorundam hac in
pecunia et carcere, emni excu-
Pallas ex eadem tela sint, ex

sationè seclusa. severe vindicahimus.
ub ique contegant (ti-

ua corporalia ejusque matznitudinis, ut ealicem
tul. Xx. de rehus sacris et sanetis nr · 00.

ten und ſchon durch die Synodal⸗Conſtitutionen der Diö-

gewaſchen ſind, ſollen ſie ein wenig, nicht allzu ſehr, damit ſie
 
Annotationen