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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Editor]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 1.1862

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Nr. 8 (August 1862)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6483#0033
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Braut von ſich ſagt: „Nigra sum sed formosa, ſchwarz
bin ich aber ſchön“ ) einen plaſtiſchen Ausdruck geben, wie denn
auch dieſer Text als Antiphon in dem Marianiſchen Officium
verwendet iſt. Bekanntlich rührt das Muttergottesbild in Ein-
ſiedeln von Hildegarde, Carls des Großen Urenkelin, des

Frauenmünſters zu Zürich Stifterin und erſter Abtiſſin her,

welche dem hl. Meinrad im finſtern Wald eine hölzerne Ka-

pelle baute und das Bild der hl. Jungfrau ſchenkte. Demnach

würde ſich die Sitte, Madonnenbilder ſchwarzbraun zu bema-
len, ſchon in den Anfang des neunten Jahrhunderts zurück-
datiren, denn der hl. Meinrad iſt im Jahre 861 zu todt ge-
ſchlagen worden. —— —....

III. Bur Kunſtweberei und Sticherei des Alterthums.

Der Verfaſſer der Jahrbücher der Stadt Colmar erzählt,

daß Papſt Leo IX., als er am 18. November 1049 die Kirche
und den Kirchhof der Abtei Woffenheim (Elſaß) weihte, er
eine rothſeidene Caſel mit eingewobenen Verſen getra-
gen habe. Die Worte des Chroniſten ſind: „Casula serica
rufa, carmine hexametro texta, in qua beatus Leo coe-

meterium monasterii sanctae crucis et ecclesiam conse-

cravit.“ Leo ließ dieſes Meßgewand als Andenken im Kloſter
zurück. Die Caſeln und überhaupt die hl. Gewänder mit bib-
liſchen Texten oder andern kirchlichen Sprüchen, namentlich
an den Enden, zu verſehen, war früher allgemein ge-
bräuchlich. In den Stoff ſelbſt waren ſymboliſche Figuren
wie z. B. der Löwe von Juda, der Hirſch als Repräſentant
des Pfalmderſes sicut cervus ad fontes aquarum, ita de-

siderat anima mea ad te Deum, eingewoben. Die Para-

mentenſtoffe von Caſaretto in Crefeld haben ebenfalls in
glücklicher Nachahmung des Alten dieſe und ähnliche Figuren
in ihrem Deſſin. Wenn man die noch auf uns gekommenen
alten Meßgewänder anſchaut, ſo überzeugt man ſich, wie hoch
in früheren Jahrhunderten die Webekunſt ſtand. Unſere ge-
genwärtige Induſtrie hat in Bezug auf Technik und Mechanik
ungeheuere Fortſchritte und Vervollkommnungen erfahren, im
Uebrigen aber hat ſie, was Kirchenſtoffe anlangt, noch nicht
viel geliefert, was der alten Kunſtweberei an die Seite ge-
ſtellt werden könnte. •·
„Die alten Kirchengewänder waren auch mit ſchönen Sticke-
reien geziert.
befaßten. Herr Geh. Hofrath Zell bemerkt in ſeiner Lioba
S. 232: „Es wurden in den angelſächſiſchen Klöſtern viele
und ſchöne Stickereien gefertigt, und ſie zeichneten ſich darin
am früheſten aus. Dieß kann man daher ſchließen, weil in
jenen Jahrhunderten Stickereien überhaupt mit dem Namen
„Engliſche Arbeit“ (opus anglicum). bezeichnet wurden. So
wird unter anderem angeführt, daß die hl. Etheldryde, Abtiſſin

des Kloſters Ely, eine koſtbare Stola für den hl. Cuthbert

ſtickte; deßgleichen, daß in fränkiſchen Klöſtern die Abtiſſinen
Herlinde und Renilda, Zeitgenoſſinen des hl. Bonifacius, Kir-
chengewänder mit Gold und Perlen kunſtreich ſtickten! — Wer
ſich mehr über dieſen intereſſanten Zweig der kirchlichen Kunſt
orientiren will, der leſe Bock's Geſchichte der liturgiſchen Ge-
wänder. Auch: Mabill. acta ord. Bened. Saec. II. ad
an. 748. Boll. act. Ss. 12. Mart. p. 3883.

* **

IV. Miscellen
„8S. Aus Hohenzollern. Auch im hohenzollerſchen Un-
terlande macht die würdige Herſtellung und Ausſchmückung der,
Kirchen erfreuliche Fortſchritte. So wurde unter Andern in

C. I. V. I. u. 5.

würdigeres Ausſehen gibt.

Vergoldung die Einförmigkeit des Colorits unterbricht.
Es waren namentlich die Klöſter, die ſich damit

— 32 —

letzter Zeit die aus dem Mittelalter ſtammende Unterſtadtkirche
in Haigerloch, mit vielem Geſchmack und Geſchick reſtaurirt.
Das Maßwerk der Chorfenſter iſt ſtylgerecht reconſtruirt, vie

viereckigen Fenſter des Schiffes haben einen neuen Abſchluß

durch gothiſche Spitzbogen erhalten und das Thürmchen iſt

erhöht worden, was Alles nun der Kirche ein ganz anderes
Freilich wäre noch zu wünſchen
geweſen, daß die geweißte Gypsdecke des Schiffes durch ein
polychromirtes Stabwerk im Style der Kirche erſetzt, und die im

Renaiſſance⸗Style gehaltene Orgelempore gleichfalls erneuert
worden wäre.

Die Mittel ſcheinen jedoch hiezu nicht ausge-
reicht zu haben.
„Beſondere Erwähnung verdient aber der neue, von dem

Bildhauer Marmon aufgeſtellte Hochaltar, der ſich nicht nur

an die Seite der frühern Arbeiten des rühmlichſt bekannten
Künſtlers anreiht, ſondern dieſelben noch übertrifft. Dieſer
Altar, ein gothiſcher Flügelaltar mit ſechs Statuen und reicher
Verzierung, macht ſchon bei Jedermann auf den erſten Blick

einen ſehr günſtigen Eindruck. Beſonders hervorzuheben iſt die

gut ſtylifirte Menſa, deren richtig proportionirte Verhältniſſe

eine angenehme Abwechslung von Licht und Schatten erzeugen,

wodurch die drückende Einförmigkeit großer Flächen vermieden,
Mannigfaltigkeit und Zierlichkeit erzeugt wird. Sodann hat
der Künſtler es hier zum erſten Mal verſucht, an der Stelle
des Tabernakels, das mittelalterliche Sakramenthäuschen mit
dem Altare zu verbinden, was als eine eben ſo glückliche als
fruchtbare Idee ſich erweiſen dürfte, und am eheſten zur Be-

ſeitigung der kaſtenähnlichen Tabernakel, ſowie zur Styliſirung

derſelben dienen möchte. Das reiche Schnitzwerk, beſonders aber
die Statuen ſind ſehr fleißig gearbeitet. Der ungewöhnlich
billige Preis des Altares iſt vielleicht dadurch erklärlich, daß
der Künſtler ſeine Vaterſtadt hierin berückſichtigte, vielleicht aber
wollte er damit zugleich den Beweis liefern, daß auch bei geringern
Mitteln ſich dennoch geſchmackvolle Arbeiten ausführen laſſen.
Das weißliche Milchglas der Seitenfenſter des Chors erſetzt in
weit würdigerer Weiſe, als die unſoliden, gemalten Vorhänge
dies thun, die Glasgemälde; und die dunkelgrüne Verglaſung
des Mittelfenſters ſtimmt ſehr gut zu dem dunkelbraunen Tone
des Eichholzes, das durch reiche, aber dennoch nicht überladene
Mit
Recht verdient daher der Künſtler durch die glückliche Concep-
tion und künſtleriſche Ausführung des Altars eine Empfehlung

in weitern Kreiſen. ö

Der durch ſeine Forſchungen im Gebiete der mittelalterli-
chen Kunſt rühmlichſt bekannte Prof. aus'm Werth in Bonn
hat kürzlich die Erlaubniß erhalten, den Schrein des heil.
Anno in Sieg burg eröffnen und überhaupt die in der dor-
tigen Kirche befindlichen Reliquienkaſten einer nähern archäolo-
giſchen Unterſuchnng unterwerfen zu dürfen. Seine Forſchungen
haben unter Anderm einen für die Kunſtgeſchichte des Mittel-
alters äußerſt wichtigen Umſtand an's Lichte geſtellt, nämlich
den, daß Siegburg einen der reichſten Schätz deutſcher Email-
Arbeiten beſitzt, was bisher faſt ganz unbekannt war, und
daß alle Zeichen dahin deuten, wie gerade Siegburg eine der
älteſten Städte iſt, wo überhaupt die Kunſt des dentſchen Email
nicht allein geübt, ſondern zu einer ſtaunenswerthen Vollendung
gebracht worden iſt. Die Pflanzſchule dieſer Kunſt war das
dortige Benedictiner⸗Kloſter, und von hier aus nahm
die Kunſt des deutſchen Email ihren Weg weiter in's Abend-
land. Es darf eine Reihe der interreſſanteſten Eröffnungen
über die gemachten Forſchungen und Beobachtungen aus der

Feder des genannten Gelehrten erwartet werden.

* — ᷣ Verantwortliche Redaction: Stephan Braun.— Druck und Verlag von J. Dilger in Freiburg.
 
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