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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 1.1862

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Nr. 9 (September 1862)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6483#0037
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ſtellung geben wir hier aus dem
Volksblattes einige Mittheilungen * —
Vor zwei Jahren beſchloß der chriſtliche Kunſtverein, eine Ausſtellung
zu veranſtalten. Dieſe iſt nun am 1. Sept. in Gmünd eröffnet worden.
Zat derſelben iſt, die Kunſtformen des Chriſtenthums ſo, wie ſie ſich zur
»Zeit ihrer ſchönſten Blüthe ausgebildet haben, der jetzigen Generation wie-
der vor Augen zu führen und dadurch neue Impulſe zu geben, das Stu-
dium dieſer herrlichen Gebilde zu betreiben und ſich die Kenntniß des chriſt-

lichen Styles, in dem unſere Munſter und Kirchen gebaut ſind, auch in den

übrigen Theilen der Kirche anzueignen, z. B. beim Bau von Altären, in

den Malereien, Ornaten und Gefäßen. Leider iſt es eine oft gemachte
Wahrnehmung, daß unſere jetzige Generation die altheidniſche Plaſtik leich-

ter zu deuten weiß, als die chriſtliche, und Mancher ſich faſt ſchämt, nicht
alle Götter des Olymp an den Fingern herzählen zu können, wogegen er
ſich aber nichts daraus macht, wenn er in einer Kirche die alten Propheten

mit den Apoſteln verwechſelt, und weder deren Namen zu nennen weiß, noch

aus ihren Emblemen dieſelben zu entziffern vermag. Er iſt in einem Mu-
ſeum, in welchem die Gypsabgüſſe der heidniſchen Welt aufgeſtellt ſind, mehr
zu Hauſe, als in ſeiner Kirche, in welcher er getauft und erzogen worden
iſt. Wir glauben daher, daß es ein guter Gedanke war, eine derartige

Ausſtellung zu veranſtalten; ſie ſoll uns veranlaſſen, das Alte mit dem

Neuen zu vergleichen, damit wir unſere Schwächen kennen lernen. Die
chriſtliche Kunſt kann keinen eigenmächtigen Weg einſchlagen; thut ſie dieſes
ſo entfernt ſie ſich von der Kirche und artet aus.
erhielt die chriſtliche Kunſt eine andere Richtung, und ein Jahrhundert ſpä-
ter war der Zopf⸗ und Perückenſtyl Herr in den Kirchen. Ein neuer Geiſt
beginnt ſich zu regen, er fand in Fr. Schlegel und Boiſſerée ſeine erſten
Wiede n und die chriſtliche Kunſt geht ihrer wahrhaften Renaiſſanee
wieder
in der Diöceſe Rottenburg ein Hauptverdienſt ſchon jetzt zukommt, wer
wird es leugnen? Und dieß gilt namentlich von dem mit ebenſoviel Geiſt
als Sachkenntniß geleiteten Archiv der „Kirchenſchmuck,“ durch welches
ſich die Herren Redaeteure Dr. Schwarz und Pfarrer Laib ein unvergäng-
liches Verdienſt erwerben. Hat doch ſelbſt ein franzöſiſches Journal zuge-
ſtanden, daß der Einfluß des „Kirchenſchmucks“ in der Lyoner Induſtrie
für Kirchenzwecke nicht zu verkennen ſeil! ———

Die Reichhaltigkeit und Schönheit der ausgeſtellten Gegenſtände berech-

tigt uns zu erklären: es ſei nicht zuviel geſagt, wenn wir behaupten, daß

hier dem Beſchauer ein Stück Kirchen⸗ und Kunſtgeſchichte entgegentritt.

Vom 8. Jahrh. bis in die neueſte Zeit finden wir alle Stylarten vor uns.
„ Um nur das bedeutendſte hervorzuheben, verweiſen wir zunächſt auf
das merkwürdige Gefäß „aus Sigmaringen.“ ein Ciborium in Geſtalt,
einer Taube, welches im 8. Jahrhundert als Speiſegefäß noch benutzt
worden iſt. Vom griechiſchen Worte Peristera d. h. Taube, nannte man
dieſe Gefäße Periſterien, und ſind ihrer nur noch wenige aus der Zer-
ſtörung der Zeiten gerettet worden. Ferner ein byzantiniſches Vortragkreuz

aus-der Pfarrkirche von Wangen, emalllivt, und jedenfalls vor der Bilder-

Berichte des „Deutſchen ö

Unter den Medicäern

entgegen. Daß der Wirkſamkeit des chriſtlichen Kunſtvereins

ſtürmerei nach dem Abendland gebracht; denn ein anderes, Herrn Kauf-

mann Maier in Gmünd gehörend, iſt mit ſeinem eingravirten Chriſtusbilde
byzantiniſch, während der ſpätere in erhabener Arbeit daran befeſtigte Erlö-
ſer romaniſchen Urſprungs iſt, was vermuthen läßt, daß das Kreuz nach
der Bilderſtürmerzeit wieder vervollſtändigt worden iſt.
gen“ ſind noch einige Pyxes, ein Biſchofsſtab, ſämmtlich von Kupfer, email-
lirt und vergoldet, ein deßgleichen Schiffchen in beſonders ſchöner Form
ausgeſtellt. Eine Anzahl romaniſcher Altarleuchter aus Sigmaringen,

„Aus Sigmarin-

Komburg und anderen Orten ſind in den edelſten Formen, in Bronee ge-

goſſen, zu ſehen. Der „Kirchenſchmuck“ brachte ſchon früher einige Abbil-
dungen davon. Es ſcheint uns, daß in jener Zeit, in welcher ſich die Kir-
chen noch nicht zu Domen entwickelt hatten, auch die heiligen Gefäße in
beſcheidenen Dimenfionen angefertigt worden ſind; mit der Größe der Kir-
chen wuchs auch die Form der Gefäße; aber alles Maß überſchritten haben
die Gefäße aus dem vergangenen Jahrhundert. Wie fein in der Form
und praktiſch ſind nicht dieſe romaniſchen Altarleuchter; ſie dienten offenbar
nicht allein dem Altar zur Zierde, ſondern auch dem Prieſter in den dun-
keln Kirchen beim Leſen der hl. Meſſe. Wohl ſind einige neue ausgeſtellt,

nach Zeichnungen des „Kirchenſchmucks“, aber mit Verrückung aller Ver-

hältniſſe, ſo daß man die urſprüngliche Form in ihnen kaum noch zu er-

kennen vermag; daſſelbe gilt auch von den Rauchfäſſern, deren einige eben-
falls nach alten Formen angefertigt zu ſehen ſind, aber nur, um im ver-
größerten Maßſtab ans Licht zu treten. Große Leuchter mögen am Platze
ſein vor den Altären, aber auf denſelben ſind ſie nicht immer oder nur

ſelten im richtigen Verhältniß zum Tabernakel, den Figuren u. ſ. w. Aus
„den Eintritts⸗ und Jahres⸗Beitrag mit 2

der älteſten Zeit der Gothik ſind namentlich die Ciborien ſehr zahlreich ver-
treten, darunter auch einige ſehr alte Monſtranzen. Bei dieſer Gelegenheit
ſei auch darzuf aufmerkſam gemacht, daß die alten Ciborien mit einem be-

ſondern Behälter für die Aufbewahrung der hl. Hoſtie verſehen ſind, welche

den neuen meiſtens mit Ausnahme eines einzigen fehlt, oder auch, wos

nicht ſtatthaft iſt, das Ciborium in ſeinem untern Theile als Oelbehälter

zugleich dient, was verſchiedene Nachtheile mit ſich bringt, die aber hier zu
erörtern nicht am Platze ſidd. 2„ *
Bis zum 13. Jahrhundert, in welchem das Frohnleichnamsfeſt einge-

führt worden iſt, mögen die Gefäſſe wenig Abänderung erfahren haben.

von den früheren geehrten Mitgliedern in

in den hochw.
jener in der Diöceſe Rottenburg ſeine Aufgabe löſen kann.

Waren bisher die Ciborien klein und von thurmartiger Form, ſo begegnen
wir jetzt den Prachtgebilden der Goldſchmiede, wie ſie die vorgeſchrittene
Kunſt aufs Reichſte bei den Umzügen zu entfalten wußte. Da der hl. Leib
des Herrn unverhüllt gezeigt werden ſollte, ſo genügten die verſchloſſenen
Ciborien nicht mehr und neue Formen mußten erdacht werden. Die aus-
geſtellten Monſtranzen ſind Zeugen davon. Sie ſind noch zum Theil, wie

die Weilerſtädter und Horber, thurmähnlich aufgebaut und dürften unſeres

Erachtens älter ſein als jene, welche Altären gleich conſtruirt ſind. Mit
der Erbauung des Tabernakels, Sakramentshäuschens fiel die Thurmform
der Monſtranzen wahrſcheinlich weg und die altarähnlichen blieben die
maßgebenden. Welcher unter den ſechs prachtvollen alten gothiſchen Mon-
ſtranzen der erſte Preis gebührt, iſt ſchwer zu ſagen, Weil die Stadt,
Gmünd, Ochſenhauſen, Mergentheim, Horb und Wangen ſind im glücklichen
Beſitze dieſer Meiſterwerke altdeutſcher Kunſt. Aus derſelben Zeit, vielleicht
auch älter, ſind 3 Kreuzoſtenſorien aus Gmünd, Weil der Stadt, und Horb.
Alle 3 zeichnen ſich durch charaktervolle ſchöne Arbeit aus, namentlich iſt
das aus Weil der Stadt von unvergleichlicher Meiſterſchaft. Mit welch
liebendem Fleiße ſind nicht die Figuren, Blumen und Laubgewinde modellirt,
gebogen, eiſelirt und mit Perlen geſchmückt. Wie kümmerlich ſieht die Neu-
zeit mit ihren Schöpfungen dagegen da! *
Fragen wir ſchließlich nach den Urſachen des Gelingens der geſchil-
derten Ausſtellung, ſo dürfen wir die Anſtrengung nicht unerwähnt laſſen,
welche ein für die heidniſchelaſſiſche, wie für die muſtergiltige mittelalter-
liche Kunſt begeiſterter König und die von ihm theils geſchaffenen, theils an-
geregten Schulen gemacht haben. Wenn dieſer Umſtand allein entſcheidend

wäre, ſo müßte auch die alte heidniſche Kunſt in gleicher Ausdehnung bis

in die unterſten Schichten der Geſellſchaft hinabgeſtiegen ſein; wir aber fra-
gen: warum hat in der eben geſchloſſenen Ausſtellung das Volk mit wah-
rer Herzensluſt geſchwelgt? Warum iſt es tauſendweiſe herbeigeſtrömt?
Warum hat es ungeſtüm die Verlängerung der Ausſtellung verlangt? Weil
man mit ihr ſo gerade die Saite im Herzen des Volkes getroffen hat,
welche, wenn ſie auch einige Zeit verſtummt war, jetzt nur um ſo lauter

wieder tönt, nachdem es volkskundige Männer verſtanden haben, dieſe

Saite auf die rechte Weiſe wieder anzuſchlagen. Die Geſammtmaſſe deſſen,
was man im Gegenſatz zur gebildeten Welt das Volk nennt, wird entwe-
der nie für eine Kunſt überhaupt begeiſtert und gewonnen, und für ihr
Verſtändniß auch nur halb herangebildet, oder für die chriſtliche Kunſt al-
lein und nur für ſie. Faſſen wir dieſe Ausſtellung in ihrem Verhältniß
zum Volke, ſo hat ſie gerade darum ſo maſſenhafte Beſuche herbeigeführt,
nur von Seite des Volkes einen Beifall geerntet, der in eulturhiſtoriſcher
Beziehung ein Fingerzeig iſt. Blicken wir auf die andere Seite, ſo finden
wir von alledem nichts. Unter dem Füllhorn der Staatsbeiträge nur fürſt-
licher Mäcene macht die Plaſtik vergebliche Anſtrengungen, die Ideen und
Goitheiten einer untergegangenen Welt auf's Neue darzuſtellen; die Male-
rei iſt genöthigt, zur Landſchaft und dem oft obſeönen Genrebild, zum

Thier⸗ und Stillleben herabzuſteigen, um den Maſſen ſowohl der Gebilde-

ten, als auch des Volkes verſtändlich zu bleiben. Die Hiſtorienmalerei ge-
deiht nur mehr unter der Aegide der Oberhofeaſſen. Mit einem Wort,
dieſe Kunſt hat keine Zukunft, weil ſie größtentheils in der unnatürlichen

Wiederbelebung einer mit ihren Ideen für immer todten Welt wurzelt, und

abgelöst vom Chriſtenthum keinen Einfluß auf das Volk ausübt, und ſich
zuletzt glücklich füblt, in den Antichambres großer Herren ein Plätzchen zu
finden, während das chriſtliche Volk ſeinem Künſtler den Ehrenplatz im Hauſe
anweist. Die gebildete Welt aber, die von chriſtlichen Ideen geleitet iſt,
fängt offenbar zu erkennen an, daß die ſelbſtſtändige Nachbildung der
unabhängig vom Claſſicismus entſtandenen chriſtlichen Kunſt der beſte und
ſicherſte Weg iſt; ſie vergißt nicht, daß nachdem die alte heidniſche Kunſt
mit dem verdorbenen Volke durch ſich ſelbſt zu Grunde ging, das Germa-

nenthum es war, welches die Kunſt in ſeiner edelſten Bedeutung wieder

ſchuf und verbreitete.

I.II. Correſpondenz.
Für 1862 ſandten Jahresbeiträge für den chriſtlichen Kunſt-
verein: das Capitel Warbſtadt 20 fl.; das Capitel Mos ba ch 8 fl.
45 kr.; die Frau Rath Schloſſer auf Stift Neuburg für ſich und drei
andere Mitglieder; 24 fl. 30 kr.; Abbé Jung in Bruchfal 1 fl. 15 kr.
Den Eintrittsbeitrag von 1 fl. leiſteten Gräfin Sop hie
v. Henn in, Fräulein Maria Jaquot, die Herren Dompräbendar Bou-
langer, Repetitor Schmide in Freiburg; Hr. Pfov. Geßler in Gurt-
weil, Pfr. u. Du O il ler in Klah I Feberle i Lörnach gahlt
in enburg; Hr. Architekt Fe örrach za
Din intrits⸗ und Mhreg.Beieng mit fl. 15 kr. zuſ. 64 fl. 45 kr.
Indem wir damit die Anzeige verbinden, daß noch in dieſem Monate
Freiburg der Jahresbeitrag
für 1862 eingeſammelt werden ſoll, erſuchen wir die auswärtigen Theil-
nehmer, denſelben recht bald an den Seeretair Hrn. Repetitor Braun zu
ſenden. Wir verbinden damit die Bitte um recht zahlreichen neuen Beitritt
Decanaten, damit der Verein in der Erzdiszceſe Freiburg wie
Am Ende des
Jahres wird ihrer Bei⸗ ö

dann ein Verzeichniß ſämmtlicher Mitglieder und
träge geliefert werden.

Verantwortliche Redaction: Stephan Braun — Druck und Verlag von J. Dilger in Freiburg.
 
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