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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Editor]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 1.1862

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Nr. 10 (Oktober 1862)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6483#0039
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Frauengeſchlechtes. Seit die Frauen nicht mehr thätig ſind auf

dem kirchlichen Kunſtgebiete, iſt das Heiligthum dem ſchnöden
Metier, der gemeinen Käuflichkeit und dem niedrigen Gewerbe
überlaſſen. ——. —1
Zu allen Zeiten und bei allen Völkern, ſelbſt bei den Hei-

den, waren es die Frauen, welche den Kirchenſchmuck be-
ſorgten. Das Teppichwerk um die Stiftshütte verfertigten und
ſtickten die Frauen und Jungfrauen Iſraels. Homers Heldin-

nen weben und ſticken. War es anders bei den deutſchen
Frauen? Die Gattin und die Töchter Carls des Großen verfertig-
ten dem gewaltigen Kaiſer ſelbſt alle ſeine koſtbaren Gewänder.
Weben und Sticken war Fürſtinnenarbeit. Ja, hat nicht die
Königin des Himmels ſelbſt, Maria, die hochgebenedeite Mut-
ter unſers Herrn, mit der gleichen Arbeit ſich beſchäftigt?
Was Wunder alſo, wenn wir Kaiſerinnen, Königinnen, Für-
ſtinnen, Gräfinnen und andere edle Frauen mit kirchlichen
Stickarbeiten beſchäftigt ſehen? Noch heutigen Tags bewundert
man das von der heil. Eliſabeth, Landgräfin von Thüringen,
die um das Jahr 1231 ſtarb, verfertigte Meßgewand.
bei aller Kunſt, welche Solidität! — denn welches moderne
Gewand würde 5—800 Jahre ausdauern, wie die alten?

Bezüglich der Thätigkeit der dem chriſtlichen Kunſtvereine

beitretenden Frauen und Jungfrauen mache ich auf folgende
Gegenſtände aufmerkſam: ö *
1) Auf die prieſterlichen Gewänder. Die Alben, Ca-
ſeln (Meßgewänder), Stolen, Levitenröcke, Velen, Antipendien
und ſonſtiges Seidenwerk, ehemals in Goldfäden, mit den
dazu gehörigen bedeutungsvollen Bildwerken und Symbolen,
ſind von Frauenhänden zu bearbeiten. ö ö ö
2). In allen größern Kirchen ſind Wandteppiche in den
Chören, und vor den Altären Fußteppiche am Platz. Ich
kann nicht umhin, hier einer Meiſterarbeit der Frauen und
Jungfrauen in Cöln Erwähnung zu thun. Im Jahr 1850
faßten nämlich eine anſehnliche Zahl von Frauen und Jung-
frauen in Cöln den Entſchluß, dem Chore des Domes durch
ſelbſtverfertigte Teppiche einen neuen Schmuck zu verleihen.
Zugleich wollten ſie ihrem Oberhirten, Sr. Eminenz dem
hochw. Cardinalerzbiſchof v. Geiſſel, ein Zeichen ihrer Ver-
ehrung geben. Schon am 21. Januar 1851 waren die Frauen

im Stande, ſechs Teppiche in Stramin geſtickt mit bildlichen

Darſtellungen ihrem Oberhirten zu überreichen. Dieſe Arbei-

ten, die ſeitdem durch weitere Teppiche vermehrt wurden, und

die ein Beweis von dem Muth und der Ausdauer dieſer
Frauen liefern, ſind nun eine wahre Zierde des großen Domes.
Möchte dieſes heroiſche und opferwillige Beiſpiel, wenn auch
nur in kleinerem Maßſtab, Nachahmung finden! Bezüglich
der Fußteppiche (Stickerei in Wolle) kann jetzt gleich erwähnt
werden, daß kein hl. Zeichen, alſo kein Kreuz, kein Kelch,
kein Gotteslamm u. dgl. darauf abgebildet werden darf. Die
Kirche hat eine ſolche Ehrfurcht vor dem Heiligen, daß ſie
nicht einmal duldet, daß die Zeichen und Symbole desſelben
mit Füßen getreten werden. Das iſt auch ganz natürlich und
begreiflich. Denn ſchwerlich würde eine gute Tochter das ge-
ſtickte Portrait ihrer Mutter als Fußteppich gebrauchen.
3) Es gibt Kiſſenwerk zum Knieen und Tragen von ver-
ſchiedenen Gegenſtänden, welches ebenfalls in das Feld der
Thätigkeit der Frauen gehört. * —
Die Gewandung des Prieſters, wie wir ſie dermalen
haben, iſt leider zum größten Theile eine verunſtaltete, und
dem Geiſte der Kirche nicht mehr in allweg entſprechende. Es

wird ſich darum der Kunſtverein auch angelegen ſein laſſen,

die Beſeitigung der Mißgeſtalten und die Einführung von

Kirchenſchmuck nach alten, ächten Muſtern anzuſtreben. Man

hat nun bereits da und dort, wo Kunſtvereine ſchon ſeit län-

gerer Zeit thätig ſind, Sammlungen von Zeichnungen guter

Und,

hundert — zu beſichtigen.

berger in Ueberlingen bereits reſtaurirt.

riens“ auf der Rückſeite wieder einzuſetzen.

älterer Muſter angelegt, um durch Anſchauung und Nach-

ahmung derſelben wieder einen kirchlichen Geſchmack anzu-
bahnen. Die Schönheit und Kunſt des alten Kirchenſchmuckes
iſt wahrhaft bezaubernd für das Auge. Welch ein reiches
Feld edler frommer Thätigkeit öffnet ſich hier nicht für die
Frauen? ö
Ich bitte, nur einmal einen Blick hineinzuwerfen in das Werk
von Hrn. Conſervator Dr. Bock in Köln: „Geſchichte der litur-
giſchen Gewänder des Mittelalters, durch 110 Abbildungen
in Farbendruck erläutert, und verſehen mit einem Vorworte
von Dr. Georg Müller, Biſchof in Münſter.“ Und in das

vom württembergiſchen Kunſtverein herausgegebene nach Art
der Modejournale eingerichtete Blatt, „»Kirchenſchmuck“ betitelt,
von welchem alljährlich 12 Hefte erſcheinen, und welches mit-

telſt Muſtertafeln, Farbendrücken, Belehrungen und Anweiſun-
gen die Frauen in den Stand ſetzt, ſogleich eine Arbeit zu be-
ginnen. * ö
Mögen ſich demnach recht bald eine große Anzahl von
Frauen und Jungfrauen, und zwar zuerſt in Freiburg, zuſam-
menfinden, und ſich an den chriſtlichen Kunſtverein anſchließen,
um ihm hülfreich zur Seite zu ſtehen und das ſo reiche Ge-
biet des Kirchenſchmuckes eifrig im Geiſte der Kirche bebauen
zu helfen. Der Frauen und Jungfrauen Regſamkeit wird die
Zwecke des Vereins weſentlich fördern. Darum herbei ihr-
Frauen und Jungfrauen zum frommen Werke!

II. * Die Spitalcapelle in Pfullendorf.
Ich machte dieſen Sommer vom Bodenſee aus einen Ab-
ſtecher nach Pfullendorf, um die dortige Spitalkapelle — ein
ſchöner Ueberreſt chriſtlicher Baukunſt aus dem 15. Jahr-
Die leicht geſchwungenen Gewölbe-
gurten ziehen ſich bis zur Hälfte der Seitenwände herab und
verjüngen ſich zu dünnen Spitzen, die ohne Conſoln leicht an
die Wand ſich anlegen. Ueberhaupt gewährt die ganze Con-

ſtruktion der Kapelle einen freundlichen und angenehmen An-

blick. ö ö
Das ſchöne Flügelaltärchen, deſſen Schrank bisher ver-
kehrt auf der Predella ſtand, ſo daß die bemalte Hinterſeite
als Altarbild diente, ſoll ſeiner Reſtauration entgegen gehen.
Alle Beſtandtheile deſſelben ſind noch vorhanden und die Ge-
mälde gut erhalten. Die Flügelbilder und das Bild der Rück-
wand den „Tod Mariens“ darſtellend, ſind von Maler Ham-
Vornen an der Pre-
della befinden ſich, wenn ich nicht irre, vier Kirchenväter und
auf der Rückſeite derſelben zwei Engel mit dem Schweißtuch
Chriſti. Wie ich vernahm ſoll ein neuer Schrank angefertigt
und derſelbe um einen hohen Aufſatz bereichert werden. Auch
ſcheint man nicht mehr im Sinne zu haben, den „Tod Ma-
Dieſe Abände-
rungen und Neuerungen, wenn ſie wirklich vorgenommen wer-
den ſollten, wären ſehr zu bedauern. Man ſollte doch immer
und überall an dem erſten Grundſatz der Reſtauration feſthal-
ten, der darin beſteht, daß man einen Altar wieder in den Zu-

ſtand verſetzt, in welchem er aus der Hand des urſprünglichen

Künſtlers hervorgegangen. Das iſt die Kunſt des Reſtaurirens,
und wenn man bei den Altären nicht ſo verfährt, dann iſt
mir der alte deſolate Zuſtand hundert Mal lieber. Alle wei-

teren Zugaben oder Hinweglaſſungen bei Herſtellung alter Al-

täre, deren Beſtandtheile noch ganz vorhanden find, müſſen
als willkürliche, verkehrte Neuerungen bezeichnet werden, und
ein ſolches Verfahren verdient eher den Namen Deſtruktion
als Reſtauratioon.
um nicht dem Vorwurf zu verfallen, daß tadeln leich-
ter ſei als beſſer machen, will ich nun auch angeben,
 
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