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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 3.1864

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https://doi.org/10.11588/diglit.6485#0009
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Chriſtliche

Kunſtblätter

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 26.

Domine dilexi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

Februar 186l4.

J. Katholiſches Geſangbuch. Herausgegeben vom biſchöfl.
Ordinariate des Bisthums St. Gallen. Verlag von A.
J. Köppel. 1863.

von Romanus neben dem Altare der hl. Apoſtel niedergelegt,
und Jahrhunderte lang mit großer Ehrfurcht aufbewahrt:)
Die heiligen Weiſen, welche Romanus hier in ungetrübter
Reinheit zuerſt angeſtimmt hatte, fanden beinahe vier Jahr-
hunderte hindurch einen mächtigen Nachhall, beſonders in den
Herzen jener großen Männer, die als Lehrer an dieſer Schule
wirkten, und begeiſterte ſie zu herrlichen Schöpfungen, die wie
das vielgeſungene,,Media vita'' Notkers einen europäiſchen
Ruf erlangten.
Aber nicht allein der lateiniſche Chorgeſang erhielt in St.
Gallen ſorgfältige Pflege, auch das deutſche Kirchenlied wurde
hier vielleicht zum erſtenmale angeſtimmt. Denn Ratperts
(f um 900) Loblied auf den hl. Gallus, das zwar im Urtexte
nicht mehr vorhanden, aber in einer lateiniſchen Ueberſetzung
uns aufbewahrt iſt, gehört mit dem St. Petrus-Leich unſtreitig
zu den älteſten Volksliedern in deutſcher Sprache. Nach und
nach wurden dann auch lateiniſche Hymnen in's Deutſche über-
ſetzt, und mit ihren Melodieen vom Volke geſungen; ſo daß es
vor der Reformation ſchon Sammlungen ſolcher Lieder gab,
denen ſpäter, durch die eifrigen Bemühungen der Glaubens-
gegner auf dieſem Gebiete hervorgerufen, noch viele katholiſche
Geſangbücher nachfolgten. Auch in St. Gallen erſchien wahr-
ſcheinlich ſchon zu Anfang des 17. Jahrhunderts ein Geſang-
büchlein. Drei ſpätere Auflagen von 1705, 1730 und 1769
ſtanden den Bearbeitern des neuen Geſangbuches zu Gebot.
Nachdem die kirchliche Oberbehörde ſich zur Herausgabe
eines ſolchen entſchloſſen hatte, wurde zunächſt eine Commiſſion
von fünf Mitgliedern ernannt, welche die Grundſätze nach denen
verfahren werden ſollte, feſtſetzte, und die Prüfung der ausge-
wählten Texte und Melodieen übernahm; während die Haupt-
aufgabe Herrn Geiſtl. Rath Oehler zufiel, dem wieder Andere
helfend und rathend zur Seite ſtanden. Welches die Anſchau-
ungen und Grundſätze geweſen, von denen ausgegangen wurde,
ſagt uns Herr Geiſtl. Rath Oehler in ſeiner Vorrede, aus der
wir unſern Leſern die hauptſächlichſten mittheilen wollen.
,,Wem es bei dem Kirchengeſange · um wahre Erbauung
nicht bloß um angenehme Unterhaltung und ſinnliches Wohl-

St. Gallen hat ſich in der Geſchichte der kirchlichen Ton-
kunſt durch ſeine Sängerſchule, welche vom achten bis zum
zwölften Jahrhunderte dort blühte, für immer einen ehren-
werthen Namen geſichert. Das Verdienſt dieſe Schule in's
Leben gerufen zu haben, müſſen wir jenem großen Kaiſer zu-
erkennen, der ſich ſchon bei ſeinem Regierungsantritte vorgenom-
men, die Feier des chriſtlichen Gottesdienſtes zu heben; oder
vielmehr der göttlichen Vorſehung, welche in ganz eigenthüm-
licher Weiſe den Planen dieſes Fürſten eine unverhoffte Wen-
dung gab, zu Gunſten St. Gallens. Es war um Oſtern des
Jahres 774, als Kaiſer Karl der Große bei ſeiner Anweſen-
heit in Rom bemerkte, daß die Art, wie ſeine galliſchen Sänger
den gregorianiſchen Choral vortrugen, in vielen Stücken von
der römiſchen abweiche, und dieſe Wahrnehmung veranlaßte ihn
zu den Worten: ,,Laſſet uns, die wir bisher vom Bache trübes
Waſſer getrunken, zum reinen Tranke der unverſiegbaren erſten
Quelle uns wenden.' Aber trotz der Bemühung zweier Geiſt-
lichen, die er in Rom zurückgelaſſen hatte, um die ächten
Weiſen zu erlernen, und ungeachtet der Papſt Hadrian die
Sänger Theodor und Benedict in das Land der Franken ſandte,
wurde doch das gewünſchte Reſultat nicht erzielt.
Da erbat ſich der Kaiſer im Jahre 790 abermal zwei
Sänger von dem hl. Vater, worauf dieſer den Petrus und
Romanus aus der römiſchen Schule, mit zwei authentiſchen
Abſchriften des Gregorianiſchen Antiphonars verſehen, nach
Metz abſandte. Unterwegs erkrankte Romanus am Fieber, und
während ſein Reiſegefährte nach Metz zog, fand er gaſtliche
Aufnahme und Verpflegung im Kloſter St. Gallen. Der
Kaiſer, von ſeiner Lage unterrichtet, gab ihm ſofort die Wei-
ſung auch nach Wiederherſtellung ſeiner Geſundheit in St.
Gallen zu bleiben, und die Monche im Geſange zu unterrichten.
Und wie das Antiphonar Gregors des Großen im Originale
och damals zu Rom in einem eigenen Schreine neben dem
Altare des hl. Petrus aufbewahrt wnrde, und allen zur Ein-
ſicht offen ſtand, ſo wurde auch die Abſchrift in St. Gallen

) Vergleiche Schubiger, die Sängerſchule St. Gallens. Einſiedeln,
Benziger. 1858.,
 
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