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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 3.1864

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https://doi.org/10.11588/diglit.6485#0037
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Chriſtliche

Kunſtblätter

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe reiburg.

(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 38.

Domine diloxi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

September 186u.

war noch in den letzten Jahrzehnten in der Severinskirche zu
Köln zu ſehen. Es bildete ſich nun die Gewohnheit, aus An-
dacht und in Betrachtung des Leidens Jeſu dieſe Schlangen-
linien durchzuwandeln und man hatte dann den frommen Glau-
ben, ſo den Leidensweg Jeſu in Jeruſalem nachzugehen und am
Ende das gleiche Verdienſt zu haben, als ob man in Jeruſalem
ſelbſt den Paſſionsweg durchgepilgert hätte. Später aber ka-
men auch Abbildungen auf. Man wollte die heiligen Scenen
welche am Leidensweg ſich ereignet, auch ſinnlich vor ſich ſchauen
zur Mehrung der Andacht. Man brachte frühe ſchon Triptychen
aus dem Oriente mit, auf welchen die Leidensſcenen des Herrn
geſchildert waren. Jn Jeruſalem ſelbſt waren beſonders ſeit
den Kreuzzügen über all dieſen heiligen Stätten Heiligthümer
und Kirchen entſtanden, welche auch Abbildungen der Paſſions-
momente enthielten. *) Man bildete ſie ab nnd maß auch die
Heiligthümer in Jeruſalem und ahmte ſie in der Heimath genau
nach. So hat ein Bürger von Speyer genan das Modell der
heiligen Grabkirche in Jeruſalem beim Bau der Heiliggrabkirche
(zerſtört!) in Speyer zu Grunde gelegt.
Auch von einzelnen Sculpturen und Gemälden, die in Je-
ruſalem aufgeſtellt waren, brachte man Bilder oder ahmte ſie
aus dem Gedächtniſſe nach. So ſind die großen Oelbergbilder,
Bilder der Kreuzigung (Kalvarien) und Geißelung u. ſ. f. auch
bei uns im Jnnern und an den Außenſeiten der Kirchen ent-
ſtanden.
Endlich ahmte man den ganzen Leidensweg nach, wie man
ihn in Jeruſalem geſehen. Man wollte alle die heiligen Stät-
ten haben, die dort ausgezeichnet ſind zur Erinnerung an die
einzelnen Momente des Leidensganges Jeſn. Die Zahl dieſer
Momente oder Stationen war aber zu verſchiedenen Zeiten eine
verſchiedene. Früher hatte man weniger, ſpäter aber fügte die
Frömmigkeit oder die Sage immer mehr einzelne Momente bei.
Man unterſchied ſieben, acht Stationen, ſpäter zehn (16. Jahrh.)

J. Die Stationen des Kreuzwegs.
Von Dr. J. S.
Zu den beliebteſten und beſuchteſten Volksandachten in Jtalien
Frankreich und Deutſchland gehört die Kreuzwegandacht. Selbſt
in Rom, wo täglich in einer Kirche der Kreuzweg öffentlich
gebetet wird, findet ſich hiebei immer eine große Menge glän-
bigen Volkes ein, während die großen, durch mehrere Stunden
ſich hindurchziehenden Aemter und Veſpern faſt nur mehr für
den Klerus und für die Fremden da zu ſein ſcheinen. Auch in
Deutſchland wird es bald keine katholiſche Kirche geben,') wo
nicht die Stationen des Kreuzwegs angebracht wären, gemalt
oder plaſtiſch, und wo nicht wenigſtens in der Faſtenzeit der
Kreuzweg auch öffentlich gebetet würde. Es iſt darum wohl
nicht ohne Jntereſſe, einen Blick auf die Geſchichte dieſer volks-
thümlichen und rührenden Andacht zu werfen und die Darſtel-
lungen dieſes Gegenſtandes durch die Kunſt zu betrachten.
Die Andacht des Kreuzwegs iſt ohne Zweifel entſtanden
aus den Wallfahrten nach Jeruſalem. Dieſe ſind aber bekannt-
lich faſt ſo alt als die Kirche. Jmmer zog die heilige Sehn-
ſucht die chriſtlichen Herzen hin nach dem Morgenlande, nach
den heiligen Stätten, wo das Heil der Welt vollbracht worden.
Einzelne (St. Helena, Hieronymus, St. Willibald und tauſend
Andere) und ganze Schaaren (die Schoſſen, Kreuzzüge) wall-
ten hin, um jene heiligen Orte zu ſehen, dieſen Boden zu küſ-
ſen, wo der Heiland der Welt gewandelt und geblutet hat.
Wenn ſie dann zurückkehrten in die Heimath, brachten ſie Schil-
derungen, Bilder und Reliquien der heiligen Orte mit und er-
weckten in den Herzen der Zurückgebliebenen heiligen Neid über
ihr Glück, Trauer, daß ihnen dieſe Seligkeit nicht vergönnt
geweſen. Man ſuchte abzuhelfen, ſo weit es möglich war. Die
Pilger hatten abgemeſſen, wie viele Schritte der Weg umfaßt,
er in Jeruſalem zur Beſichtigung der Leidensſtätten des Herrn
uhrt. Und einen Weg von gleicher Länge legte man nun mit
ſarbigen Steinen in vielen Cathedralen an, indem viele Kreiſe
n einander ausgeführt wurden. Man nannte dieſe Anlagen
wegen der verſchlungenen Linien auch Labyrinthe.'*) Ein ſolches

*) Beda vonerabilis ſchildert die heilige Grabkirche alſo: De monnmento
domini ferunt, qui nostra aetate de erusolymis Britanniam venerunt,
quod domus fuerit rotnnda de subjacente rupe caecisa, tantae altitndinis,
t intra consistens homo vix manu extenta culmen possit attingere,
qnae habet introitum ab oriente septem habens pedes longitudinis. So
ſind die alten Bilder der Grabkirche auch beſchaffen!

) Jn der erſten Kirche der katholiſchen Welt, in St. Peter in Rom,
iſt dagegen noch kein Kreuzweg.
**) Vgl. Kreuſer: irchenbau J, 145. Dort findet man eine Abbildung.
 
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