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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 3.1864

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https://doi.org/10.11588/diglit.6485#0021
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Chriſtliche

Kunſtblätter

Organ des chriſtlichen Knnſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 29.

Domine dilexi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

Mai 186i.

J. Die kirchlichen Singſchulen
(Aus der ,,Cäeilia, Organ für katholiſche Kirchenmuſik. )
,Um den Choral, wie überhaupt die ächte Kirchenmuſik
überall dem Leben zurückzugeben, müſſen förmliche Pflanz-
ſchulen von Chorſängern gebildet werden, in welchen
ſich wieder Traditionen fixiren können. '*) Dieſer Ausſpruch
einer Kunſtautorität kann nicht genug beherzigt, nicht oft genug
wiederholt und in's Gedächtniß gerufen werden. Soll es mit
der katholiſchen Kirchenmuſik gründlich beſſer werden, ſo gibt
es kein wirkſameres Mittel, als ſo viel wie möglich Jnſtitute
einzurichten, welche von tauglichen Männern gebildet, kirchliche
Sänger erziehen und die Erbſchaft kirchlichen Geſanges von
Generation zu Generation übertragen. Namentlich ſeit der
Säculariſation der Klöſter und kirchlichen Stifter iſt die ur-
alte Tradition des kirchlichen Geſanges gänzlich unterbrochen,
und ſeit dieſer Zeit datirt ſich auch die tiefe Erniedrigung, die
wir an der heutigen Kirchenmuſik beklagen. Was in neuerer
Zeit zur Auͤsbeſſerung geſchehen iſt, das hat ſich auch nur in
kirchlichen Geſanginſtituten vollzogen, und hat in ihnen ſeine
Quelle zu ſuchen. Je mehr Anſtalten dieſer Art emporblühen
werden, deſto ſchneller, gründlicher und nachhaltiger wird auch
die Reſtauration des Kirchengeſanges gedeihen.
Ohne ein Wort über ihren Nutzen oder die Möglichkeit
ihrer Errichtung weiter zu verlieren, — wir verweiſen dabei
auf einſchlägige Artikel im Organ für die kirchliche Kunſt von
Baudri, 1855, Nr. 22, 23. Organ für kirchliche Tonkunſt
von Ortlieb, 1857, Nr. 2; Cäcilia von Oberhoffer, 1863,
Nr. 1; Kothe, die Muſik in der kathol. Kirche, — wenden
wir uns zur Vergangenheit und beſchäftigen uns mit der Ge-
ſchichte der kirchlichen Singanſtalten oder Sing-
ſchulen. Jſt auch die Darſtellung ihrer Entſtehung, Ent-
wicklung und innere Organiſation, welche wir hier zu geben
beabſichtigen, noch lückenhaft, ſo iſt ſie doch im Stande, uns
einen ſichern Beweis von der Wichtigkeit ſolcher Jnſtitute zu
liefern.

Die Muſik galt von jeher als ein vorzügliches Mittel, dem
höchſten Weſen Huldigung darzubringen, die religiöſen Uebun-
gen zu verſchönern und die Gemüther zum Lob und Preis des
höchſten Weſens aufzumuntern; darum nimmt ſie auch bei den
religiöſen Feierlichkeiten aller Völker eine hervorragende Stelle
ein. Es war ihnen aber nicht gleichgültig, wie dieſe religiöſe
Muſik vollführt wurde, und ſie glaubten nicht, durch jedwede
Muſik die Gottheit genügend zu ehren. So ſehen wir auch
bei den Jfraeliten eine 'geordnete Muſik beim Gottesdienſte und
eigens für dieſen Dienſt geſchulte Muſiker. Von einer ſolchen
Sänger- und Muſikerſchule gibt die hl. Schrift J. Chron. 15,
22 Nachricht.
Die chriſtliche Kirche, deren göttlicher Stifter ſchon bei
ſeinem Eintritte in dieſe Welt von jubilirenden Engelſchaaren
gefeiert wurde, bediente ſich des Geſanges bei der gottesdienſt-
lichen Feier vom Anfange an, und wenn auch zuerſt an den
Geſängen ſich die ganze Gemeinde betheiligte und leichter be-
theiligen konnte, ſo hatte neben der Tradition unter den Laien
gewiß noch eine gründlichere Einſchulung der kirchlichen Geſänge
für die Kleriker ſtatt, welchen doch immer noch ein Theil des
Geſanges allein verblieb; ja es war, wenigſtens in-der orien-
taliſchen Kirche, ein eigener Ordo psaltum eingeſetzt. Geord-
nete Singſchulen beſtanden in den drei erſten Jahrhunderten
wohl noch nicht; es drängte ſich auch das Bedürfniß derſelben
nicht ſo ſehr auf wie ſpäter, da der Kirchengeſang ſich größ-
tentheils auf das Abſingen von Pſalmen beſchränkte, deren ein-
fache Melodien, aus dem Judenthume herübergenommen, nach
und nach vom chriſtlichen Geiſte umgeſtaltet wurden. Der
Altargeſang des Prieſters war gleichfalls höchſt einfach, mehr
recitirend, wie auch die nachfolgenden Jahrhunderte ihm eine
große, aber würdevolle Einfachheit bewahrt haben. Die kirch-
lichen Schriftſteller berichten aus den erſten Jahrhunderten gar
nichts von ſolchen Jnſtituten; zudem laſſen die nur kurze Zeit
unterbrochenen Verfolgungen der Chriſten ſolche organiſch ein-
gerichteten Schulen nicht erwarten; ſie würden dieſelben nach
einigen Jahren Beſtand wieder vernichtet haben.
Erſt im 4. Jahrhunderte entſtehen ordentliche Pflanzſchulen

) Fingerzeige auf dem Gebiete der kirchlichen Kunſt. Von Aug. Rei-
chenſperger. Leipzig 1855. S. 78.
 
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