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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 3.1864

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https://doi.org/10.11588/diglit.6485#0017
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Chr iſtliche

Kunſtblätter

Organ des chriſtlichen Knnſvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 28.

Domine dlexi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

April 1861.

J. * Vas Chriſtusbild von Edeſſa.

Eine der ſchönſten, aber anch ſchwierigſten Aufgaben des
chriſtlichen Künſtlers iſt die Darſtellung eines Chriſtusbildes,
in welchem die mit der Gottheit zu einer Perſon vereinigte
Menfchheit Jeſu Chriſti, einen — ſo weit menſchlicher Kunſt
möglich — würdigen und angemeſſenen Ausdruck findet. Man
wird nicht häufig ein in dieſem Sinne gelungenes Chriſtusbild
finden. Unſere Küuſtler, die auf den Academieen ſich eben
nach der Antike gebildet haben, und in ihren religiöſen Con-
ceptionen ſich an die Meiſter aus den Zeiten des Realismus
und Naturalismus halten, verſtehen ſehr wohl einen nach Ana-
tomie und äußerer Form tadelfreien, vielleicht vollendeten Kör-
perbau darzuſtellen, allein der rechte Geiſt und Jnhalt wird
häufig vermißt. Die alten Meiſter ſcheinen nach einem beſtimm-
ten traditionellen Thypus ihre Chriſtusbilder entworfen zu haben,
daher es kommen mag, daß man trotz aller Vernachläſſigung
der äußern Form in den alten Chriſtusbildern immer denſelben
Geiſt wiederfindet. Nach 3Ojähriger mühvoller, ſorgvoller Er-
forſchung aller jener Traditionen, zumal über das wunderbar
entſtandene Portrait Chriſti in der ſyriſchen Stadt Edeſſa
machte der Archäolog Dr. Legis Glückſelig den Verſuch
ein Edessenum redvivum d. h. ein dem Edeſſeniſchen ganz
ähnliches, neues Chriſtusbild anzufertigen. Er ſandte dasſelbe
an Seine Heiligkeit den P. Pius JX., welcher es mit vielem
Wohlgefallen aufnahm, weil es in der That von erhabener
Schönheit und Würde iſt. Copieen dieſes ſ. g. Edeſſeniſchen
Chriſtusantlitzes in Farbendruck ſind neben einem ausführlichen
Werke darüber) kürzlich in der Nikolaus Lehmann'ſchen Buch-
und Kunſthandlung in Prag erſchienen, und zwar in doppeltem
Format, als Volksausgabe zu 10 Neugroſchen und als Votiv-
Gemälde in Oelfarbendruck auf Leinwand zu 3 Thlr. 20 Ngr.
mit 1N'' Höhe und 14'' Breite über Blindrahme geſpannt.
Wir können dies ein ſehr willkommenes Unternehmen heißen.
Denn es muß zugeſtanden werden, daß dieſes Antlitz dem älteſten

geheiligten Typus des Antlitzes Chriſti ſicherlich am nächſten
kommt. Durch die Vervielfältigung kann dasſelbe jetzt in die
Hände der Künſtler und des Volkes gelangen, und auf dieſe
Weiſe kann ſich wieder eine allgemeine Norm für den Chriſtus-
kopf bilden. Aus dem Bilde ſchaut uns ein hl. Chriſtus an.
Es iſt jedenfalls ein Bild, das wir allen andern vorziehen,
indem es wirklich einen Gottmenſchen, Erlöſer und Richter dar-
ſtellt. Es wird ſich Jeder ſagen, der es anſchaut: ſo mag
unſer Heiland ausgeſehen haben. Wir haben ein Antlitz von
hoher Würde, edler Erhabenheit, voll hl. Ernſtes mit liebevoller
Freundlichkeit wunderbar gemiſcht vor uns, ein Bild, welches
den Zweck der Erbauung fördern hilft. Lübke, der ein com-
petentes Urtheil beſitzt, gibt der Kunſthandlung Lehmann fol-
gendes Zeugniß: ,, Jhr Edessenum redivivum, deſſen meiſter-
liche chromoxylogiſche Herſtellung öffentliche Anerkennung ver-
dient, hat mich gleich beim erſten Anblick überraſcht.'' Das
Bild wird vorläufig auf Subſcription ausgegeben. Es wäre
aber zu wünſchen, daß es allgemein in den Buch- und Kunſt-
handel käme. Der wohlfeile Preis der Volksausgabe macht es
allgemein zugänglich. Was die Geſchichte des Edeſſeniſchen
Chriſtusbildes anlangt, fügen wir noch einige Notizen bei.
Wenn nach dem Vorſtehenden auch wir den Verſuch des
Herrn Glückſelig, ein Chriſtusantlitz nach den älteſten Typen
zu repriſtiniren, für einen wohl gelungenen halten, ſo ſind wir
doch außer Stande, ſeinen Argumenten in der oben bezeichneten
-Abhandlung beizuſtimmen, wie denn auch Herr Prof. Hefele
im erſten Hefte der Tüb. theol. Quartalſchrift von 1864 ſehr
begründete Bedenken in nachſtehender Weiſe erhoben hat.
Er reſumirt die Argumentation des Dr. Glückſelig alſo:
Es gab in der That ſchon im Anfange der Kirche ein wun-
derbar entſtandenes Portrait Chriſti (Chriſtus drückte ſein Ant-
litz auf ein Tuch ab) und dieſes ſei bis zum Jahr 944 in der
ſyriſchen Stadt Edeſſa aufbewahrt. Als aber die Griechen in
jenem Jahre das unterdeſſen mohammedaniſch gewordene Edeſſa
eroberten, verlangten ſie als Löſegeld für die gefangenen Mo-
hammedaner das beſagte Bild und die dazu gehörigen Briefe
(des Abgar Uchomo von Edeſſa an Chriſtus und Chriſti Ant-
wortſchreiben an ihn). So kam ietzt das Edeſſenum nach
Conſtantinopel und wurde hier in der Sophienkirche auf-

hriſtusarchäologie. Studien über Jeſus Chriſtus und ſein
wahres Bild von Dr. Legis Glückſelig. Mit einem Farbendruck — des
im Beſitze Sr. päpſtl. Heiligkeit befindlichen Edeſſeniſchen Chriſtus-Antlitzes
und 6 ylographirten Chriſtusbildern des Mittelalters. Prag 1863.
 
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