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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 4.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.7150#0021
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163 —

artigſter Weiſe neu erbauten, 1380 der Vollendung nahen (1384
wurde nach Hartknoch, Altes und Neues Preußen, S. 377,
erſt der Wehrgang unter dem Dache angelegt) Domes ausge-
führt worden iſt. Die beiden genannten einflußreichen Perſön-
lichkeiten haben alſo ohne Zweifel den Künſtler des prager Bil-
des oder einen ſeiner Freunde veranlaßt, nach Marienwerder
zu kommen, um hier das Bild auszuführen, welches bis auf
geringe Verletzungen (leider namentlich auch an der Jnſchrift)
wohl erhalten über dem Portal auf der Südſeite des Domes
ſich noch heute befindet (R. Bergau im ,,Organ für chriſtliche
Kunſt'' 1864, Seite 105). Die ſehr fragmentirte Jnſchrift
am unteren Rande kann nach freundlicher Mittheilung des
Dr. E. Strehlke nur in folgender Weiſe geleſen und ergänzt
werden: ,, ohannes episcopus fecit fieri hoc opus anno
domini 1380,'' wobei der Moſaiciſt, weil der Raum nicht
ausreichte, an die römiſche Zahl M000 in naiver Weiſe die
arabiſche 80 anſchloß. Dieſes Bild, wie das prager ebenfalls
auf Goldgrund, ſtellt die Marter St. Johannes des Evange-
liſten dar, des Schutzpatrones dieſer Kirche. — Der Heilige
ſteht betend in einem Gefäße mit Oel, unter welchem das
Feuer brennt. Links knieet betend ein Biſchof, der Stifter des
Bildes, alſo Johannes J., Mönch (1376 bis 1409). Rechts
ſieht man ein Thor, als Andeutung der Stadt Rom, wo die-
ſes Martyrium der Legende nach Statt hatte. Die Zeichnung
des Bildes iſt nicht beſonders. Jn ſeinem Geſammt-Charak-
ter erinnert es lebhaft an die ſpäteren Moſaiken in den Tri-
bunen der alt-chriſtlichen Baſiliken Roms.
Gleichzeitig mit dieſem Bilde entſtand dann auch ohne
Zweifel, wie das ſchon P. v. Quaſt (Preußiſche Provincial-
blätter 1851, XV, S. 69 und 171) angenommen, die koloſ-
ſale, 25 Fuß hohe Marienſtatue (wohl die größte Statue des
ganzen Mittelalters) ), welche eine Niſche im Aeuſſeren des
polhgonen Chorſchlußes der Schloßkirche St. Marien zu Marien-
burg einnimmt. Der öſtliche Theil der Schloßkirche wurde vom
Hochmeiſter Dietrich von Altenburg (1335 bis 1341) erbaut.
Wir können wohl annehmen, daß dieſer Hochmeiſter, der für
eine größere Pracht am Ordens-Haupthauſe Marienburg ſorgte,
auch zugleich dieſe Statue der Maria mit dem Kinde durch
Krone und Scepter als Himmels-Königin bezeichnet (Witt,
Marienburg, Königsberg 1854, Seite 111), die Schutzheilige
des Ordens und dieſer Kirche insbeſondere habe ausführen laſ-
ſen. Sie iſt, wie das genanere Unterſuchungen bei der Re-
ſtauration gezeigt haben, von Stuck und war urſprünglich be-
malt. Da dieſes Material, namentlich die Farbe, aber in dem
Klima Preußens unſolide, lag es nahe, daß der xuhmreiche
Hochmeiſter Winrich von Kniprode (1351 bis 1380),
der Erbauer des herrlichen großen Remters, während ſeiner
dreißigjährigen Glanz-Regierung, da der deutſche Orden auf
der höchſten Stufe ſeiner Kraft ſtand, durch denſelben Künſt-
ler, welcher in dem nur fünf Meilen entfernten Marienwerder
arbeitete, die Statue mit Moſaik überziehen und, dadurch in
Form und Farbe haltbar machen ließ. Moſaicirte Statuen
ſind ſonſt ganz unbekannt. Jn dieſem ſpeciellen Falle iſt dieſe
Technik aber durchaus praktiſch und veranlaßt eine überaus
großartige Wirkung, wie ſie auf anderem Wege gar nicht zu
erzielen war.
Das Material der Moſaik, hier ſowohl, als in Marien-
werder, beſteht aus undurchſichtigen Glaspaſten von kubiſcher
Form von etwa Zoll und mehr Seite. Bei den goldenen
Paſten iſt die Maße roth, von einer Seite mit Gold überzogen,
worüber dann noch zur Conſervation des Goldes, eine dünne

Marienſtatue an der Schloßkirche zu Marienburg und die bei-
den Bilder auf Goldgrund an den Kathedralen zu Prag und
Marienwerder.
Das große Bild an der Südſeite des Domes St. Veit zu
Prag, das Weltgericht darſtellend, nebſt den ſechs Schutzheili-
gen Böhmens und dem Stifter Kaiſer Karl JV. nebſt Gemahlin
(Paſſavant in v. Quaſt und Otte Zeitſchrift für chriſtliche
Archäologie I, 210, und Waagen's Handbuch J, 56) iſt, wie
das ſchon Fiorillo (Geſchichte der zeichnenden Künſte J, 126)
nachgewieſen hat, 1369 bis 1371 wahrſcheinlich von italieni-
ſchen Künſtlern gefertigt worden. Beneſſius de Weitmil
nämlich, ein ,,operarum praefectus'' bei dem Baue der Kirche
St. Veit, erzählt in ſeinem Chronicon (Dobner a St. Catha-
rina in Monumenta historica Bohemiae T. IV) ad an. 1371:
,Eodem anno perfecta est pictura solempnius, quam do-
minus imperator fecit fieri in porticu ecclesiae Pragensi
de opere moysaico more Graecorum, quae quanto plus
per pluviam abluitur, tanto mundior et clarior efficitur.''
Nun ſtand aber der deutſche Ritterorden, der damals ſehr
ausgedehnte Beſitzungen in Böhmen hatte, in mannigfacher
Beziehung zum Könige von Böhmen, ſo wie auch die preußi-
ſchen Biſchöfe zu dem Erzbiſchofe von Prag. Seitdem durch
Karl JV. im Jahre 1348 in Prag eine Univerſität gegründet
worden war, welche ſtatutenmäßig die Vorzüge der beiden da-
mals hoch berühmten Univerſitäten Paris und Bologna in ſich
vereinigen ſollte, und auch ſehr bald zu großer Blüthe gelangt
war, giug eine außerordentlich große Anzahl ſtrebſamer junger
Leute auch aus dem damals in hoher Blüthe ſtehenden Or-
denslande Preußen nach Prag, um gründliches und umfaſſen-
des Wiſſen zu erlangen, die Schlüſſel zu den höchſten Würden
in Staat und Kirche (Hipler in der Zeitſchrift für Geſchichte
Ermlands JJ. 172 ff.). Unter den vielen preußiſchen Stu-
denten, die ihre Bildung in Prag ſuchten, befand ſich, wie das
E. Strehlke zuerſt aus Band J der Monumenta hiſtorica
univerſitatis Pragenſis (Prag, 1830) nachgewieſen (Seript.
Rer. Prussie. , 803), auch der als Beichtvater der heiligen
Dorothea bekannte Meiſter Johannes Marienwerder.
(Vergl. über ihn die treffliche Arbeit Hipler's im Bande JJ
der Zeitſchrift für Geſchichte Ermlands.) Derſelbe ſtudirte
dort ſeit 1365, wurde 1367 zum Baccalaureus, 1369 zum
Magiſter promovirt, hielt dann Vorleſungen an der Univerſität
und iſt ſeit 1384 ſogar ,,sacrae theologiae professor.'
Johannes Marienwerder ſah alſo das Moſaik an der Dom-
kirche, etwas ganz Nenes in Deutſchland, entſtehen. Derſelbe
wird ſchon in einer Urkunde von 1374 als Presbyter der
Diöceſe Pomeſanien bezeichnet (Hipler, 182), ein Beweis, daß
er trotz ſeines Aufenthaltes in Prag ſtets in näherer Beziehung
zu ſeiner Heimath geſtanden. Jn Folge eines 1384 zwiſchen
Böhmen und Deutſchen an der Univerſität ausgebrochenen
Conflictes, der 138N zu Gunſten der Böhmen entſchieden wurde,
der freilich auch den Verfall der prager Hochſchule zur Folge
hatte, ging auch Johannes Marienwerder in ſeine Heimath
zurück, und um ſo lieber, als ſich ihm hier bei der beabſichtig-
ten Gründung der Univerſität Culm (J. Voigt Geſchichte Preuſ-
ſens V. 491 ff.) die Ausficht auf eine ähnliche Lehrthätigkeit
zu eröffnen ſchien. Jn einer Urkunde vom Auguſt 1387 wird
Johann Marienwerder ſchon als im biſchöflichen Schloſſe zu
Marienweder anweſend genannt. Aber auch der gelehrte
Johannes Ryman von Chriſtburg (ſpäter Biſchof von
Pomeſanien) war 1380 bis 1387 in Prag geweſen, hatte dort
innige Freundſchaft mit Johannes Marienwerder geſchloſſen.
(Hipler, S. 208.)
Bei ſo vielfachen Verbindungen zwiſchen Prag und Marien-
werder kann es nicht auffallen, wenn auch in Marienwerder
ein ähnliches Moſaikbild zum Schmucke des daſelbſt in groß-

*) Eine ähnliche Marienſtatue ſoll ſich der Tradition gemäß am Weſt-
giebel des Domes zu Frauenburg befunden haben. P. v. Quaſt hat eine
ſolche in ſeiner Abbildung ,, Denkmal der Baukunſt in Preußen'', Tafel XV
und Seite 28 reſtaurirt.
 
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