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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 9.1870

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https://doi.org/10.11588/diglit.7146#0018
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— 108 —

wurde, hatte dem Helden Bellerophon ſeine Hülfe geliehen, um
die furchtbare Chimära zu beſiegen. Faßt man dieſe Angabe
in's Auge, ſo ſcheint es wohl nicht zu bezweifeln, daß der
Künſtler mit gutem Vorbedachte dieſe Sternbilder auswählte,
und mittelſt derſelben den Gegenſatz des auf Zerſtörung ſinnen-
den Böſen und des überall ſiegreichen Guten veranſchaulichen,
alſo denſelben Gedanken ausſprechen wollte, den er auch durch
die Kampfſcene des Theſeus und des Minotaur verkündete.
Derſelbe Gegenſatz findet ſich, aber deutlicher und ausführ-
licher, ausgeſprochen in der Gruppe des Seitenbildes, welches
den Zweikampf des David und Goliath zum Gegenſtande hat.
Mit dieſem Bilde iſt das von den anderen, allegoriſch zu deu-
tenden Gruppen vorgelegte Räthſel befriedigend gelöst. Jn dem
von den kirchlichen Autoritäten als der Typus des zukünftigen
Heilandes anerkannten, altteſtamentlichen Helden tritt uns der
Ueberwinder alles Böſen, das die Welt in ſich beſchließt, der
Sieger, dem Himmel und Erde ſich beugen, vor Augen.
Von dem hl. Auguſtin war es bereits ausgeſprochen worden,
daß David ein Typus des Heilandes, Goliath des böſen Feindes
ſei. Chriſtus, ſagt er, ſtellt uns die Demuth dar, welche
den Stolz beſiegt; er öffnet uns den Weg zum Vater, von
welchem uns der Hochmuth entfernt hatte. ') Die Worte des
Kirchenlehrers klingen wieder in den Jnſchriften, welche dem
Bilde von St. Michele beigefügt ſind. Wir werden ebenfalls
an die Behandlung desſelben Gegenſtandes in der Pſychomachie
des Prudentius (v. 285—300) erinnert, welchem Werke die
Bildnerei des Mittelalters überaus zahlreiche Anregungen ver-
dankt. Papſt Gregor J. geht noch weiter in der Allegoriſirung
des Kampfes zwiſchen David und Goliath; ihm zufolge be-
zeichnet der Letztere den Stolz der Häretiker, der von einem
Steine aus der Schleuder der Kirche an ſeinem Kopfe getroffen
zuſammenſinkt. ) Wenn wir nun erwägen, daß hervorragende
kirchliche Schriftſteller des XJJ. Jahrh's., der h. Bernhard von
Clairveaux), der Abt Gerhoh von Reichersperg) ſich den
Jnterpretationen des Papſtes Gregor J. anſchließen, ſo liegt die
Vermuthung nahe, daß dieſelben auch auf die Künſtler von
Pavia und Lukka nicht ohne Einwirkung geblieben ſind, und
daß die Entſtehungszeit der beſprochenen Moſaiken in die erſte
Hälfte des XJJ. Jahrh's. zu ſetzen ſein wird, wo die Siege der
Kirche über ihre Gegner das religiöſe Jntereſſe auf das leb-
hafteſte in Anſpruch nehmen mußten.

nähere Erwägung, weil ſie in der unwiderſprechlichſten Weiſe
lehren, durch welch eine unausfüllbare Kluft die Art und
Weiſe, wie ſie ihre chriſtlichen Ueberzeugungen durch Symbole
und hiſtoriſche Compoſitionen kundzugeben pflegen, von der-
jenigen geſchieden iſt, welche für dieſelben Bedürfniſſe, mit
einem zu hoffenden Erfolge, in unſeren Tagen zur Anwendung
gebracht werden kann. Was wir durch das Studium der
Kunſterzeugniſſe jener Zeit lernen können, lernen ſollen, das
iſt die Bedeutung der ſie belebenden geiſtigen Kraft, welche, mit
ſo beſchränkten Mitteln, ſo Großes, ſo Mannigfaltiges in's
Leben zu rufen wußte. Dieſe frühen Werke ſolleu zu unferm
praktiſchen Nutzen und Frommen die Jnnigkeit des Gefühls,
den ſtrengen, ſittlichen Ernſt des Lebens, die Macht, den Frei-
muth des Glaubens anerkennen lehren, welche vor keinem Hin-
derniſſe zurücktrat, welche das Höchſte an das Höchſte ſetzte,
Erhabenes und Bizarres, wie es auf der damaligen Bildungs-
ſtufe neben einander ſich geltend machte, zu einer, die vorhan-
denen Bedürfniſſe befriedigenden Einheit abzuſchließen wußte.
Aus der Tiefe des Gemüthes, aus einer nachhaltigen geiſtigen
Erhebung gingen die Bauten, wie ihre Verzierungen hervor.
Was das Mittelalter leiſtete, ſollen auch wir uns zum Vor-
wurfe machen; das Wie es geſchah, kann nicht maßgebend ſein.
Die Kundgebung der heiligſten Ueberzeugungen durch die wei-
land zur Anwendung gebrachten allegoriſchen und ſymboliſchen
Mittel ſteht unſerm äſthetiſchen Gefühl, unſeren wiſſenſchaft-
lichen Anſchauungen in zahlreichen Fällen durchaus fern. Der
unzerſtörbare chriſtliche Geiſt, der alle Stürme überlebt, muß
erhalten, geweckt, belebt werden, wenn, trotz unſerer Rath-
loſigkeit, eine neue Aera der religiöſen Kunſt, an der wir nicht
verzweifeln dürfen, ſich begründen, ſich entwickeln ſoll. Muſik
und Malerei, Skulptur und Architektur ſtehen unter einander
in dem innigſten Verbande; jede der Schweſterkünſte blüht und
verſinkt mit der andern; jedwede Form, die in der einen oder
andern Kunſtſphäre abgeſtorben iſt, kann durch äußerliche Wieder-
holung nicht wieder in das Leben eingeführt werden; die ſervile
Nachahmung wird, wie der verewigte Meiſter Hübſch ſich aus-
drückte, zur ,,kühlen Spielerei.'' Um, wie wir es für wahrhaft
nützlich erachten, dieſe Ueberzeugungen, die auf jede unwieder-
bringlich dahingegangene Epoche gleichmäßig ihre Anwendung
finden, wirkſam zu machen, werden die chriſtlichen Kunſtblätter,
ſo lang es ihnen vergönnt ſein mag, es ſich angelegen ſein
laſſen, auch intereſſante Schöpfungen der älteren chriſtlichen
Kunſt, nach ihren Licht- und Schattenſeiten, zu gründlichem
Verſtändniß zu bringen.

Mancher Leſer wird vielleicht es tadelnd aufnehmen, daß
in unſeren Kunſtblättern ein ſo abſtruſes, wenig anziehendes
Erzeugniß des frühern Mittelalters eine ſo weitläufige — un-
zeitgemäße, ſagt wohl der Eine oder Andere Beſprechung
erhalten hat. Zur Nachahmung hat ſelbſtverſtändlich weder
dieſes, noch ein anderes Werk derſelben Art empfohlen werden
ſollen. Denkmale dieſer Gattung verdienen aber, abgeſehen
von ihrer kunſtgeſchichtlichen Bedentung, auch deßhalb eine

Eine in derſelben ſpielenden Weiſe wie die in der Reparatus-
Baſilike abgefaßte Jnſchrift lieſt man noch auf dem Vorſetz-
blatte der Colbertiniſchen Bibliothek; die Kaiſerin Eudokia,
Gattin des Kaiſers Konſtantin Dukas (1059—1067) wird
darin als die Eigenthümerin des Buches genannt: Mont-
faucon, Palaegr. graee. P. 297.

Eingegangene Geiträge für den chriſtlichen Kunſtverein

) Enarrat. in Psalm. XXXJJJ.n. 4. — Sexm. XXXJJ. in Psalm.
GXLVIII. De Golia et David. — Die Ausdeutungen des hl. Auauſtin
ſind gleichlautend in den exegetiſchen Schriften des Mittelalters wieder-
holt. M. ſ. Pseudo-Beher. Comment. in Lib. Reg. J. S. Jsidor.
Hispal. Qnaest. in vet. Tast. Jn Regum J. J. O1aud. Turin.
Quaestiones XXX. super ibr. Reg. aakr. Str. Glossa ord. Rupert.
abb. Tuit. De Trinitate et oporibus ejus. Lib. JJ. In lidros Regum.
eap. V
) Moral. Lib. XVJJJ. cap. XXXVJJ. B. ob. — Lib. XXIV. In
cap. XLI. B. ob.
) Epist. CLXXXJV. — Sero de David et Golia. (Dominiea IV
post. Pentecost.)
) Comment. in Psalm. CXJJJ. Vgl. Cowment. in Psalm
oXVJ.

Kapitel aibstadt: Decan Schmidt in Dielheim 1 fl. 15 kr.;
Dofuitor Gehring in Richen l fl. 15 Xr.; Definitor Rochols in Sinsheim
1 l. 15 kr.; Kammerer Biehler in Spechbach 1 f. 15 kr.; Pfarror
Mosbacher in assmersheim 1 fl. 15 kr.; Pfarrer Eimer in ilsbach
11. 15 r.; Pfr Viesse in Steinsfurth 1fl. 15 r.; Pfr. Hauns in Zuzen-
hansen 1 f. 15 Er.; Pfarrer Steinhart in Mauer 1 . 15 r. Pfarrer
Gumbel in Vaibstadt 1 fl. 15 kr. Pfarrer Morgonstern in Obergimpern
1. 15 r., Summa 13 fl. 16 Rr.

Verantwortliche Redaetion: Dr. Stephan Braun — Druck und Verlag von J. Dilger in Freiburg
 
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