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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 9.1870

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https://doi.org/10.11588/diglit.7146#0011
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Chriſtliche

ſiunſtblätter

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg.
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 99.

Domine diloxi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

März 1870.

Der Hochaltar im Münſter zu reiſach.

ſo verſuche ich es, nachdem ich ihn, nach vielfältiger früherer
Betrachtung, in den letzten Herbſtferien neuerdings zum Gegen-
ſtande einer näheren Unterſuchung gemacht habe, hier in Kürze
eine zu liefern.
Es nimmt der Hochaltar, am Ende des Chores ſtehend,
der hier, wenn auch um vieles niederer, doch wohl ebenſo
breit iſt, als der eigentliche Chor, ohne den Chorumgang,
im Freiburger Münſter, die ganze Breite und Höhe desſelben
ein. Mit Ausnahme von zwei kſeineren Oelgemälden auf Holz,
von denen weiter unten ebenfalls die Rede ſein wird, ganz
aus ungefaßtem Schnitzwerk beſtehend, enthält der Altar vier
oder, wenn man will, fünf Theile: das mittlere große Haupt-
bild; zwei Flügel; unter jenem, gerade hinter der Altarplatte,
eine Figurengruppe; endlich ober dem Hauptbilde thurmähn-
liche Aufſätze mit durchbrochenen Niſchen, in denen ſich Figuren
befinden.

Sieben und dreißig Jahre ſind verfloſſen, ſeit der verewigte
Herr Prof. Grießhaber, deſſen Andenken in hoher Ehre
bei ſeinen dankbaren Schülern und Mitbürgern fortlebt, in
dem von Hrn. Dr. L. Schorn redigirten Kunſtblatte (Jahr-
gang XJV. Nro. 9. S. 33 ff.) eine eingehende Beſchreibung
des Hochaltars im Münſter zu Breiſach veröffentlichte. Vielen
einer jüngeren Generation angehörigen Männern, welche an den
Leiſtungen der mittelalterlichen Holzbildnerei einen näheren Antheil
nehmen, wird die Arbeit des Hrn. Prof. Grieshaber unbekannt ge-
blieben ſein, weil die periodiſche Schrift, in welcher er dieſelbe dem
Publikum vorlegte, meiſt nur noch auf größeren Bibliotheken
zu finden iſt. Wir glauben deßhalb auf die beifällige Zu-
ſtimmung vieler Freunde und Gönner der bildenden Künſte
rechnen zu dürfen, wenn wir den hauptſächlichen Jnhalt der
betreffenden Abhandlung wiederum zum Drucke befördern, und
eine weitere Beurtheilung des Breifacher Altars beifügen, welche
uns aus der Feder des kompetenteſten, in unſerer Mitte leben-
den Sachverſtändigen mitgetheilt worden iſt.
,,Das Münſter zu Breiſach, der einzige, aus den Stürmen
der Zeit nur ſeiner Unverwüſtlichkeit wegen noch übrig gebliebene
Zeuge von der ehemaligen Größe dieſes von welthiſtoriſcher Be-
rihmtheit zum Looſe eines armen Landſtädtchens herabgeſunkenen
Ortes, ſchließt ein ſo viel als gar nicht gekanntes, aber der
Beachtung höchſt würdiges Kunſtwerk in ſich: es iſt dies ſein
Hochaltar, ein Werk der Holzbildnerei aus dem Anfange des
16ten Jahrhunderts.) Größer als der Altar der, in Hinſicht
auf Gegenſtände mittelalterlicher Kunſt, ſo merkwürdigen Kirche
zu Lauterbach bei Oberkirch, dürfte er überhaupt an Umfang,
Schönheit und guter Erhaltung, bis jetzt wenigſtens, in Deutſch-
land wenige ſeines gleichen haben. Da nun bisher meines
Wiſſens noch nirgends eine Beſchreibung) davon erſchienen iſt,

Das Hauptbild, wie es bei dergleichen älteren Altar-
bildern gewöhnlich iſt, in einem hier durch drei Bögen ſym-
metriſch gewölbten Kaſten befindlich, ſtellt in coloſſaler Größe
die Krönung der Jungfrau Maria dar, und hat in
Erfindung und Behandlung mit Baldung Grün's Gemälde im
Freiburger Münſter eine ſo auffallende Aehnlichkeit, daß ich
verſucht bin, zu glauben, unſer Bildhauer habe des Malers
Arbeit bei der ſeinigen, wahrſcheinlich kaum zehn Jahre ſpäter
vollendeten, vor Augen gehabt, ohne, wie wir ſehen werden,
auf Originalität zu verzichten. Jch verweiſe demnach auf
Schreibers Beſchreibung dieſes Gemäldes) und bemerke bloß,
worin beide Kunſtwerke ſich von einander unterſcheiden.
Bei Baldung empfängt die, auch bei ihrer Verherrlichung
demuthsvolle Jungfrau die Krönung knieend, und mit gefalteten

) Das Münſter zu Freiburg im Breisgau, in: Denkmäler deutſcher
Baukunſt, zweites Textheft S. 38. Der leichtern Vergleichung wegen
ſetze ich die Stelle hieher: ,,Das Hauptbild gegen den Chor enthält die
Himmelfahrt oder vielmehr die Krönung der Jungfrau Maria als Ge
genſtand. Maria kniet in der Mitte des Bildes, die abwärts gekehrten
Hände gefaltet, das Haar geſcheitelt, und in Locken herabwalleud, das
Gewand Goldſtoff. Links vor ihr ſitzt Gott-Vater, rechts Chriſtus,
beide in blaßrothem Oberkleide, nit der einen Hand die Krone über
das Haupt der Maria haltend, in der andern Scepter und Weltkugel
tragend. Ueber der Jungfrau ſchwebt der heilige Geiſt; Engel, auf
verſchiedenen Muſik⸗Jnſtrumenten ſpielend, umgeben die Gruppe; ſelbſt

) Selbſt Mone, der eifrige Forſcher nach vaterländiſcher Kunſt,
wo er in ſeinen Beiträgen zur Kunſtgeſchichte des Mittelalter's (Bad.
Archiv, Band, S. 157 ff. Vergl. S. 359. 60) auf die Werke der
Bildſchnitzerei unſers badenſchen Vaterlandes zu ſprechen kommt, kennt
dieſen Altar nicht einmal dem Namen nach.
) Die wenigen Worte darüber in Kolb's verdienſtvollem Lexikon
von Baden machen wohl auf dieſen Namen keinen Anſpruch.
 
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