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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 9.1870

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https://doi.org/10.11588/diglit.7146#0027
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Chriſtliche

Kunſtblätter

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe reiburg.
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 103.

Domine diloxi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

1870.

Aufruf zur Wiederherſtellung und Vollendung des
Straßburger Münſters.

Zum Zweck der Wiederherſtellung des in Folge der Be-
lagerung tark beſchädigten Straßburger Münſters, dann aber
auch zur Förderung des gänzlichen Ausbaues der immerhin noch
unvollendeten, hochberühmten Schöpfung deutſchen Kunſtgeiſtes
iſt ein aus dem General-Gonverneur Grafen von Bismarck-
Bohlen, Biſchof Dr. Andreas Räß, Civil-Commiſſar v. Kühl-
wetter, Präfekt Graf Luxburg, Domarchitekt Klotz und anderen
ausgezeichneten Perſönlichkeiten beſtehendes Comité zuſanimen-
getreten, welches ſich in einem Aufruf an die geſammte ge-
bildete Welt mit der Bitte wendet, die Erreichung dieſes
hehren Zieles durch Geldbeiträge anbahnen, und die Auf-
bringung dieſer Beiträge durch Specialcomités mehren zu
helfen.

ſtalteten erfolgreichen Geldſammlung für die Hinterbliebenen der
im Kampfe gefallenen deutſchen Künſtler.
Nichts deſto weniger drängt ſich die Münſterfrage ſchon
deshalb in den Vordergrund, weil nach den Angaben des Hanpt-
comités die Beſchädigungen ſo bedeutend ſind, daß die Anbah-
nung der Ausbeſſerung, ſoll der trümmerhafte Zuſtand weſent-
licher Bautheile nicht um ſich greifen, noch vor Eintritt des
Winters eine unabweisbare Nothwendigkeit iſt.
Sehen wir aber auch von dem realen Erforderniß ganz ab
und wenden wir uns der idealen Seite des Gegenſtandes zu,
ſo ſind bereits der Reden ſoviel von Denkmälern, welche der
großen Zeit geſetzt werden ſollen, daß es uns keineswegs ver-
früht erſcheint, in eben dieſem die Bedeutung der Gegenwart
ehrenden Sinne auch die Wiederherſtellung und Vollendung eines
der großartigſten Denkmäler des vaterländiſchen Alterthums
ins Auge zu faſſen. Und warum? Gewiß iſt der Wille gut,
und der Vorſatz lobenswerth, dem deutſchen Volk in Waffen
eine Ehrenſäule zu errichten, die in ihrer Höhenmeſſung allen
ähnlichen beſtehenden monumentalen Ruhmeszeichen in dem Grade
überlegen ſein wird, als die von Deutſchland errungenen Siege
einzig und gewaltig in der Weltgeſchichte daſtehen. Jndeſſen
mögen immer die Völker, wie in der Wiſſenſchaft, ſo in der
Kunſt, die Früchte ihrer geiſtigen Thätigkeit ſich wechſelſeitig
neidlos überlaſſen und mag das Motiv der antiken Siegesſäule
in neueſter Zeit auch von uns mit großer Meiſterſchaft vernutzt
worden ſein, die Form des Denkmals iſt dem deutſchen Weſen
fremd, zumal es richtig bleibt, daß gerade der Erbfeind, über
den unſer tapferes Heer jetzt triumphirt, es iſt, welcher dieſe
Monumentalform, und zwar als Zeichen ſeiner räuberiſchen
Angriffe auf germaniſches Volk und Land, dem ſinkenden Ge-
ſchmack des Römerthums am früheſten nachgebildet hat.
Wenn wir nun auch zu den genialen Künſtlern, denen die
Ausführung des aufzurichtenden Siegesmales in die Hände ge-
geben iſt, das Vertrauen hegen dürfen, daß ſie es verſtehen
werden, das Denkſäulenmotiv nicht in römiſcher, geſchweige denn
in franzöſiſcher ſclaviſcher Nachahmung, ſondern in freier, ſelbſt-
ſtändiger Behandlung zur Geltung zu bringen, ſollte es nicht gerade
jetzt angemeſſen ſein, neben der Anlehnung an fremde Grund-
gedanken, neben der Einkleidung unſerer Jdeen in ein fremdes

Die Darmſtädter Kunſtgenoſſenſchaft fühlt ſich in voller
Uebereinſtimmung mit dem Geiſte der in ihrem Schooße gel-
tenden Principien und mit der Natur der daraus entquellenden
Beſtrebungen, indem ſie ihren durch eine Anzahl Genoſſenſchafts-
Mitglieder verſtärkten Vorſtand veranlaßt hat, im Sinne des
Straßburger Aufrufs als Special-Comité ſich zu conſtituiren
und mitzuwirken an der Beſchaffung der erforderlichen Mittel
zur Wiederherſtellung und Vollendung des altehrwürdigen vater-
ländiſchen Kunſtdenkmales.
Zwar wird die öffentliche Mildthätigkeit noch zur Zeit in
erſter Linie durch die Uebung dringender Pflichten der Humanität
in Anſpruch genommen, und das Wort iſt berechtigt: erſt das
Nothwendige, dann das Schöne. Auch unſere Kunſtgenoſſen-
ſchaft verſchließt ſich der Wahrheit dieſes Wortes nicht. Ein
Beleg dafür iſt die lebhafte Betheiligung ihrer Mitglieder durch
freie Hingabe von Werken ihrer Hand und von liebgewordenem
künſtleriſchem Beſitz an die von der Münchener Kunſtgenoſſen-
ſchaft unternommenen Verlooſung von Erzeugniſſen der bilden-
den Kunſt zum Beſten der unter dem Protectorate des Kron-
prinzen von Preußen k. k. Hoheit gegründeten deutſchen Jnva-
lidenſtiftung, ſowie die rege Theilnahme unſeres Vereins an
der von der Wiener Kunſtgenoſſenſchaft als zeitigem Hauptvor-
ſtand der allgemeinen vaterländiſchen Kunſtgenoſſenſchaft veran-
 
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