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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 15.1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.7193#0020
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— 346 —

techniſchen Geheimniſſe aller Welt preiszugeben, wie das
leider in Deutſchland von jeher der Fall war. Sollte Mil-
ler ſeinen Zweck erreichen, ſo blieb kein anderes Mittel übrig,
als daß er als einfacher Arbeiter in ein als tüchtig bekann-
tes Geſchäft eintrat. So fuhr denn Miller friſchweg in die
Blouſe und ſuchte und fand Beſchäftigung in der Erzgieße-
rei von Sojer, dem die Ausführung der Gußarbeiten für
die Juliusſäule übertragen war. Der lernte den beſcheide-
nen, fleißigen und brauchbaren Gehilfen bald ſchätzen
und nach anderthalb Jahren verband beide Männer das
Band aufrichtiger Freundſchaft. Mit ſeines Principals Er-
laubniß goß Müller in deſſen Etabliſſement die Diana von
Gabii und überwand all' die Schwierigkeiten, welche ſich dem
Guſſe vom techniſchen Standpunkte entgegenſtellten, mit
glänzendem Erfolge Nach München geſendet, legte das
Werk ruhmlich Zeugniß für Miller's Befähigung ab.

tiger Blutſturz, der Miller befiel und ihn ſechs Jahre lang
wiederholt heimſuchte.
Zwei Jahre nach Millers Heimkehr begann ſein Oheim
Stiglmayer zu kränkeln uud war fünf Jahre lang ſo lei-
dend, daß er die Hauptlaſt der Geſchäfte der k. Erz-
gießerei auf ſeines Neffen Schultern legen mußte, dem
er dafür einen Theil des Gewinnes überließ. Seine Lebens-
flamme war dem Erlöſchen nahe, während Miller am
2. März 1844 den Guß der Götheſtatue Schwanthalers
für Frankfurt vorbereitete. Aus des Neffen Mund empfing
er die Freudenbotſchaft, daß das Werk gelungen und ſprach:
Gott ſei gelobt, meine Kunſt geht nicht verloren! Kurz da-
rauf verſchied er. Jn ihm verlor Miller ſeinen zweiten
Vater, ſeinen mittheilſamen Lehrer, ſeinen beſten Freund,
dem er noch heute das wärmſte dankbarſte Andenken weiht.
Fünf Monate ſpäter war das Rieſenhaupt der Bavaria aus
der Grube gehoben, und es entſtiegen ihm ſechsundzwanzig
Männer und zwei Knaben, Millers Söhne. Hocherfreut
und ſtaunend ſah es König Ludwig und rief dem Meiſter
das bezeichnende Wort zu: ,,Jch hab's geſehen und glaub'
es doch nicht.'' Und als ſpäter die Form des Coloſſes in
der Grube ſtand und des brodelnden Erzes harrte, da ſchien
zum erſten Male ein Unglücksſtern über dem Gußhauſe zu
ſtehen. Die Maſſe wollte nicht in Fluß kommen, und der
Meiſter ſtand zwei Tage und zwei Nächte am glühenden
Ofen. Seine Kraft, durch Krankheit geſchwächt, ſchien
brechen zu wollen. Theilnehmende Freunde brachten ihn zu
Bette. Da ſchlug die rothe Lohe zum Dache empor und
verzehrte es. Unten aber ſtand der Meiſter wieder am
qualmenden Ofen und ſtieß in feſtem Gottvertrauen den
Zapfen aus und der Guß gelang. Dann aber kamen Tage
und Monate ſchwerer Sorge und Trübſal. König Ludwig
war vom Throne herabgeſtiegen und ſein Nachfolger bemaß
die— Mittel zur Fortſetzung des Rieſenwerkes ſo ſpärlich,
daß Miller ſich genöthigt ſah, all' ſein Hab und Gut zu
verpfänden, ſollte er die Arbeit nicht ganz aufgeben. Jn
der letzten Stunde noch beſchaffte König Ludwig das Nöthige
und hatte bald darnach die Freude, der feierlichen Enthül-
lung des Coloſſes beizuwohnen und einen von Miller an-
geregten Feſtzug der Münchener Bürger, die ihm ihre auf-
richtige Huldigung darbrachten, an ſich vorüber gehen zu
ſehen.
7

Während ſeines Aufenthaltes in Sojer's Anſtalt fand ſich
eines Tages ein Herr aus Deutſchland daſelbſt ein, der,
von der Nationalität Miller's verſtändigt, das Wort an
ſeinen Landsmann richtete und ihm davon erzählte, daß
König Ludwig ſich mit dem Gedanken trage, einen Erzcoloß
der Bavaria aufzuſtellen, der hinter jenem von Rhodus nicht
zurückbleiben ſolle. So erfuhr Miller von einein Projecte
ſeines Königs, das er viele Jahre ſpäter zu ſeinem unver-
gänglichen Ruhme ausführen ſollte. Der Landsmann aber,
dem er dieſe Nachricht verdankte, war Niemand Geringerer
als — Alexander Humboldt. Damals ſchuf Schwanthaler
ſeine zwölf Fürſtenſtatuen für den Thronſaal des Königs-
baues Sie ſollten in Erz gegoſſen und im Feuer vergol-
det werden. Die letztere Technik aber war in Deutſchland
unbekannt. Miller ward auserſehen, auch hierin ſich zu
unterrichten, und ſammelte während dreimonatlicher Beſchäf-
tigung als Arbeiter in einem einſchlägigen Geſchäfte alle
nöthigen Erfahrungen behufs Gewinnens einer ſchönen Farbe
und der Mattirung. Einen Beleg dafür lieferte der von
ihm ausgeführte Guß und die Vergoldung der Statuette
des Kurfürſten Maximilian J von Schwanthaler. Aber
auch in Paris hatte man bisher nur kleinere Gegenſtände
gegoſſen und als Miller davon ſprach, daß es ſich um die
Vergoldung der 10 Fuß hohen Statuen handle, nannte ſein
Principal das ue idée d'un fou und fragte, ob man in
München wohl eine zureichende Zahl von Züchtlingen habe,
die man zu einer lebensgefährlichen Arbeit verurtheilen
könne. Die Lebensgefahr lag nämlich in den bei der Ver-
goldung entweichenden Queckſilberdämpfen, welche die Ar-
beiter einzuathmen hatten. Durch das Urtheil des Fran-
zoſen beunruhigt, wendete ſich der König nun an den rühm-
lichſt bekannten Erzgießer Manfredini zu Mailand. Der
aber erklärte kurzweg, jede Statue koſte zwei Arbeitern das
Leben, und wenn die Sache gleichwohl gelinge, laſſe er ſich
den Kopf abſchneiden. Aber auch dadurch ließ ſich Miller
nicht abſchrecken, conſtruirte vielmehr einen Vergolderherd,
der alle Befürchtungen gründlich widerlegte. Nicht ein ein-
ziges Opfer koſtete die Arbeit und gefährdete die Geſund-
heit der Arbeiter ſo wenig, daß einer derſelben, ein Mann
von 67 Jahren, noch heute lebt. So oft aber wieder eine
der zwölf Statuen vergoldet war, ließ König Ludwig Man-
fredini ſagen, er werde nun wieder um einen Kopf kürzer
gemacht. Dagegen litt die Geſundheit des Meiſter ſelber
in Folge eines Unfalles ſchweren Nachtheil. Miller lag
eines Tages im Jnnenraum einer Coloſſalſtatue, dort mani-
pulirend, als durch Unvorſichtigkeit eines Dritten der Coloß
zu Boden ſtürzte. Die nächſte Folge davon war ein hef-

Die zahlreichen Werke, die Miller's Ruhm weithin ver-
breitet, hatten ihm gar manche fürſtliche Auszeichnung ein-
getragen. So mochte er vielleicht weniger Gewicht darauf
legen, daß ihm bei der Londoner Ausſtellung von 1851
für einen ſeiner Löwen von dem Viergeſpann auf dem Sieges-
thor die einzige Medaille verliehen worden. Und doch ſollte
gerade dieſe Auszeichnung von den günſtigſten Folgen ſein;
ſie machte Nordamerika auf ſeine eminenten Leiſtungen auf-
merkſam. Der Guß der Reiterſtatue Waſhingtons für Rich-
mond machte den Beginn einer langen Reihe (etwa 30) von
Arbeiten für die Vereinigten Staaten, welche ſeitdem aus
dem Münchener Gießhauſe über den Ocean wanderten. Da-
bei aber galt es nicht mehr die Schwierigkeiten zu über-
winden, welche mit dem Guſſe großer Maſſen naturgemäß
verbunden ſind. Es mußten nun auch die ungeheuren Trans-
portſchwierigkeiten im Voraus erwogen und überwunden
werden. Dann brachte auch der große amerikaniſche Bür-
gerkrieg dem Meiſter ſchwere Sorgen, der in Aufträgen von
dorther große Capitalien ſtecken hatte.

(Schluß folgt.)

Verantw. Redaet. und Herausgeber: Dr. Stephan Braun in Freiburg. — Druck von J. Dilger in Freiburg
 
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