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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 17.1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.7195#0002
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— 376 —

erkoren vor anderen, die ſich noch aufrecht halten in der
thörichten Hoffnung, den Unerbittlichen mit koſtbaren Schätzen
beſtechen zu können. Und mitten in das Bild der Angſt
und des Schreckens hat der Künſtler mit heiterer Jronie
noch einen Zug menſchlicher Schwäche anderer Art gefügt.
Neben ſolchen, die vor dem Tode ſich fürchten, leben andere,
die gar nicht an ihn denken und wenn er vor der Thüre
ſtünde, weil Herz und Sinn anderweitig vollauf beſchäftigt
ſind. Ein hebräiſcher Juwelier bietet einem gekrönten Kunſt-
enthuſiaſten eine Pretioſe zum Kauf an, und beide — der
eine aus Gewinnſucht, der andere aus Verlangen, das ver-
lockende Kleinod zu beſitzen — merken nicht darauf, daß
der nächſte Augenblick ihre Berechnungen vereiteln, ihrem
Handel ein Ende machen wird.
So weit die obere Abtheilung. Die untere nimmt die
Stelle eines Sockelbildes, jedoch mit gleich großen Geſtalten,
wie die oberen ſind, ein: Männer verſchiedenen Alters und
Standes, ein jeder wie zum Tanz geführt von einem Skelet,
einem Diener des Todes. Den Zug bilden Richter und
Magiſtratsperſonen, Profeſſoren und Studenten, ein Kauf-
mann neben einem Krieger, ein Künſtler neben einem Geiſt-
lichen, ein Mitglied der Miſercordia-Bruderſchaft u. a. m.
Auffallenderweiſe hat der Tod das weibliche Geſchlecht von
dieſem Reigen ausgeſchloſſen, vielleicht aber für einen nach-
folgenden Zug aufgeſpart; denn in dem offenen Thor, aus
welchem die Männer gekommen, werden weibliche Köpfe
ſichtbar; die junge Dame aber, die ſich unmittelbar dem
Männerzug angeſchloſſen, iſt ein Geſchöpf des Reſtaurators,
der das Gemälde an dieſer Stelle ſo beſchädigt gefunden,
daß er es auf ſein Gewiſſen genommen, die entſtandene
Lücke durch eine ſchöne Jungfrau würdig auszufüllen. Auf
der Leiſte, welche die untere Abtheilung von der oberen
ſcheidet, ſtehen die an die erſtere gerichteten ermuthigenden
Worte:

cimetières à oertaines époques par des morts de tout
âge et de toute condition. Nach Du Cange in ſeinem
,, lossaire' war der Todtentanz eine ,, cérémonie plaisante,
pieusement instituée par les eoolésiastiques et dans la-
quelle les dignitaires tant de lEglise que du monde
conduisant ensemble la danse, sortaient tour à tour de
la danse pour exprimer que chacun de nous doit subir
la mort'' (wobei ich übrigens bemerke, daß Du Cange das
Beiwort macabre von den Makkabäern herleiten will, was
ſich weder logiſch noch etymologiſch rechtfertigen läßt). Jn
ähnlicher Weiſe übrigens ward im 16. Jahrhundert in
Spanien la Danza general de los muertos als ein alle-
goriſirtes Frohnleichnams-Spiel von Lebenden aufgeführt;
vielleicht in Nachahmung jenes ,,orribile trionfo'', von
welchem Vaſari (Band VJ) ausführliche Beſchreibung gibt
und der in Florenz von Pier di Coſimo und ſeinen Ge-
noſſen zum Carneval 1506 in grauenerregender Weiſe ver-
anſtaltet worden war.
Weder in der Sage noch in den Abbildungen und Auf-
führungen in Frankreich und Spanien iſt der Todtentanz
mit der Jdee vom Triumph des Todes in Verbindung ge-
bracht; im Gegentheil könnte man darin, daß die Todten
aus den Gräbern aufſtehen, eine Begrenzung ſeiner Macht
ſehen. Der italieniſche Künſtler ſtellt den Tanz der Todten
auf dem Kirchhof — la Danza Macabra in unmittel-
bare Verbindung mit dem Siegesfeſt des Todes — dem
Trionfo della Morte. — Nach dem Brauch aller Zeiten
und Völker werden Siegesfeſte mit Muſik und Tanz gefeiert
und der Fürſt des Todes ruft die Todten aus den Gräbern,
gibt ihnen ſeine Diener zu Begleitern und läßt ſie mit ihnen
den Reigen tanzen zur Feier ſeiner Macht und Herrlichkeit.
Wir haben es alſo hier mit einem wirklichen Todtentanz,
einem freilich erzwungenen Tanz der Todten zu thun. Sie
führen ihn auch nicht, wie es der Tanzenden Brauch ſonſt
iſt, mit Jauchzen und Frohlocken aus; man ſpürt in allen
Mienen die Schweigſamkeit des Todes, in allen Bewegun-
gen die Ruhe des Grabes.
Troſtlos würde die Ausſicht auf eine ſolche Zukunft nach
dem Tode ſein, auf ein thaten- und empfindungsloſes Schatten-
leben. Aber eben deshalb ſteht das Bild an der Außenwand
der Kirche. Außerhalb der Kirche iſt auch der Tod troſtlos
nach dem alten Spruch derſelben: Nulla salus extra eo-
clesiam!'' Treten wir deshalb in Cluſone vom Bild an der
Außenſeite in's Jnnere der Kirche, ſo ſpricht uns von allen
Wänden, aus allen Winkeln und Wölbungen, in vielen
Bildern aus dem Leben und Leiden Chriſti, wie von den
Verkündern des Evangeliums, das beruhigende Wort an:
,,Chriſtus hat dem Tode die Macht genommen!'' Durch ihn
und mit ihm und im Schutze ſeiner Stiftung, der Kirche,
haben wir die Zuverſicht des ewigen, ſeligen Lebens!'' So
gewinnt nicht nr der Todtentanz, la Danza Macabra, in
Verbindung mit dem Trionfo della Morte, ſeine rechte Er-
klärung und volle Bedeutung, ſondern es wird uns auch
die Grenze der Macht des Unbezwinglichen gezeigt und der
Weg aufgeſchloſſen zu dem Ziele, wohin ſie nach der Lehre
der Kirche uicht reicht.
Kürzer gefaßt, aber mit einer andern Wendung des
Gedankens, wird dieſe Lehre in einem Wandgemälde aus
dem Ende des 15. Jahrhunderts ausgeſprochen, das ſich in
der Kirche zu Piſogne, einer gleichfalls am Jſeo-See ge-
legenen kleinen Ortſchaft, erhalten hat. Ein langer Zug
von Männern und Frauen, von der Mitte ausgehend nach
links und rechts, wird an jeder Seite von einem Skelet,
einem Diener des Todes, empfangen; auf der linken mit
tödtlichen Strahlen, die er von ſeinem Bogen entſendet,

,O ti che serve a Dio del bon core — Non havire
pagura a questo ballo venire Ma alegramente vene
e on temire — Per chi nasi elle convione morire.' —
(,, O, dienſt du Gott mit wahrem gutem Herzen — ſo magſt
du ohne Furcht zu dieſem Tanz kommen — nein, guten
Muths und gänzlich unbeklommen — denn wer geboren,
wird mit Recht vom Tod hinweggenommen!'')
Hier aber haben wir La Danza Macabra, den Todten-
tanz, das älteſte Beiſpiel desſelben, meines Wiſſens, auf
italieniſchem Boden. Und ſo verlohnt es ſich wohl der
Mühe, die Spuren ſeiner Herkunft, wie ſeines fremdklin-
genden Namens aufzuſuchen, ſeine Verbindung mit dem
Triumph des Todes zu ergründen, ſein Verhältniß zu den
viel verbreiteten deutſchen Todtentänzen des Näheren zu
betrachten.

Da begegnen wir denn in erſter Beziehung der That-
ſache, daß bereits 1407 auf dem Cimetière des Innocents
zu Paris eine ,danse maoabre'' abgebildet war, ein Todten-
tanz als Darſtellung einer alten Sage, nach welcher in
wiederkehrenden Jahresfriſten die Gräber nächtlich ſich auf-
thun, aus denen die Todten hervorgehen und zu einem
Reigentanz ſich vereinigen — eine Sage, die wohl auf die
chriſtliche Lehre von der Auferſtehung des Fleiſches zurück-
zuführen iſt. Was aber den Namen macabre betrifft, ſo
gibt darüber Pihan in ſeinem ,,lossaire des mots fran-
cais tirés de PArabe, du Persan et du Ture'' (Paris
184, p. 84) folgende Erklärung: ,,Macabre, leu des tom-
beaux, cimetière (makbar). De là vient ladjootif fran-
çais macabre, qui ne s'emploie qu'à la suite du mot
,danse'. On appellait danse macabre au moyen-age une
ronde nooturne que l'on supposait exécutée dans les
 
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